Nokia will ein Software-Unternehmen werden

350 Mill. Euro für Comptel - Telekomausrüster kämpfen um Neuausrichtung ihres Geschäfts

Nokia will ein Software-Unternehmen werden

Von Heidi Rohde, FrankfurtNokia stärkt ihr Produktportfolio mit zukunftsträchtigen Softwareanwendungen durch den Kauf der ebenfalls in Finnland ansässigen Comptel. Die 1986 gegründete und seit 2002 börsennotierte Gesellschaft ist spezialisiert auf den softwarebasierten mobilen Datenverkehr und hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 100 (i.V. 97,5) Mill. Euro umgesetzt. Vor Zinsen und Steuern (Ebit) blieben 11 (8,5) Mill. Euro hängen.Nokia bietet 3,04 Euro je Aktie bzw. insgesamt 347 Mill. Euro für das Unternehmen. Die Offerte entspricht einer Prämie von 28,8 % auf den Schlusskurs von Comptel am Vortag. Knapp die Hälfte der Comptel-Aktionäre haben bereits zugestimmt. Nokia-Titel gewannen in Helsinki 1,5 %. Die Aktie hat binnen Jahresfrist gut ein Sechstel an Wert verloren, gebeutelt von trüben Aussichten im klassischen Geschäft mit weitgehend Hardware basierter Telekom-Infrastruktur.Nunmehr sind die Finnen ehrgeizig bemüht, der wachsenden Nachfrage ihrer Kunden nach Cloud gestürzten Software- und Serviceanwendungen nachzukommen, die den Telekom-Netzbetreibern mehr Intelligenz und Automatisierung in ihren Netzprozessen sowie Effizienzgewinne durch eine stärkere Virtualisierung versprechen. Mit dem Erwerb von Comptel gewinnt der einst weltweit führende Handy-Hersteller, dessen Marke seit kurzem als Lizenzprodukt der Firma HMD wieder in China antritt, neben einer neuen Softwaretechnologie auch eine Kundenbasis von 300 Netzbetreibern weltweit, die bereits Comptel-Produkte nutzen. Das Unternehmen wickelt nach eigenen Angaben 20 % der weltweiten mobilen Datennutzung ab, wobei der Schwerpunkt der eigenen Aktivitäten auf Emerging Market liege. Comptel hat keine Kunden in Nordamerika. Für 2017 rechnet die Firma mit prozentual zweistelligem Wachstum und einer Ebit-marge von 10 bis 15 %. Die Akquisition von Comptel ist binnen eines Jahres, in dem Nokia noch mit der Integration der für 17 Mrd. Euro erworbenen Alcatel-Lucent beschäftigt war, der zweite signifikante Zukauf im Software-Segment. Im Vorjahr hatten die Finnen das französische Start-up Withnings für 170 Mill. Euro erworben. Withnings ist spezialisiert auf IoT (Internet der Dinge) im Umfeld digitaler Gesundheitsanwendungen.Nokia leidet ebenso wie der schwer angeschlagene Branchenprimus Ericsson unter dem strukturellen Umbruch der Nachfrage, der durch rückläufige Aufträge für hergebrachte Telekom-Infrastruktur gekennzeichnet ist. Im Schlussquartal fielen die Erlöse im Kerngeschäft mit Mobilen Netzen um 14 %. Allerdings hilft eine drastische Rosskur dem Unternehmen ertragseitig bisher sehr gut durch die Flaute. Die operative Rendite landete bei beachtlichen 14 % bzw. bei immer noch 8,9 % im Gesamtjahr.Davon ist Ericsson, deren Umsatz in einer anhaltenden Abwärtsspirale fällt, weit entfernt. Die Schweden schlitterten Ende 2016 in die Verlustzone. Ihnen fällt die Neuausrichtung des Geschäfts auf Software-Produkte erkennbar schwer. Das Ziel des im Juli vergangenen Jahres geschassten Ex-Chef Hans Vestberg, bis 2020 drei Viertel der Erlöse aus Software zu generieren, erscheint aktuell nicht erreichbar, obwohl auch Ericsson diesbezüglich eine Reihe von Akquisitionen gemacht hat, um in der Software aufzurüsten.