Nord Stream 2 wird gegen allen Widerstand vollendet

Gazprom schließt Bau der zweiten Gaspipeline durch die Ostsee "in den nächsten Monaten" ab - Transitvertrag mit Ukraine noch offen

Nord Stream 2 wird gegen allen Widerstand vollendet

cru Frankfurt – US-Präsident Donald Trump und der US-Kongress sind Gegner des 10-Mrd.-Euro-Projekts – ebenso wie ein Teil der EU-Kommission sowie Polen und die Ukraine, die fürchten umgangen zu werden: Dennoch kommt der Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland durch die Ostsee nach Deutschland Schritt für Schritt voran. “Wir werden das letzte Stück durch dänische Gewässer in den nächsten Monaten vollenden”, sagte ein Sprecher des Betreiberunternehmens, das dem russischen Staatskonzern Gazprom gehört, der Börsen-Zeitung. Ostausschuss erfreutDer Ostausschuss der deutschen Wirtschaft begrüßt das. “Die Genehmigung des letzten Teilstücks der Pipeline durch die dänischen Behörden war eine wichtige Zwischenetappe”, sagte der neue Ausschussvorsitzende Oliver Hermes. Wegen des geplanten Ausstiegs aus der Atomkraft bis 2022 und dem Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 brauche Deutschland Nord Stream 2 und zusätzlich die Gaslieferungen durch die Ukraine.Als letzte große Hürde für das umstrittene Projekt gelten nun die Verhandlungen über den neuen Gas-Transitvertrag zwischen Russland und der Ukraine, weil sich dadurch noch einmal die geopolitischen Gewichte im Streit um die Pipeline verschieben könnten. Die Ukraine ist für ihren Staatshaushalt angewiesen auf die Gas-Transitgebühren. Auch hängt weiter das Damoklesschwert von US-Sanktionen gegen die am Bau beteiligten Unternehmen über der Pipeline. Dass das Projekt noch ganz kippt, erscheint inzwischen aber nahezu ausgeschlossen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hofft, dass die neue EU-Gasmarktrichtlinie Ende 2019 in Kraft tritt.Der Bundestag hat die mit der EU ausgehandelten Sonderregelungen für Nord Sream 2 gebilligt und das Energiewirtschaftsgesetz geändert. Dadurch könnte sich die Profitabilität der Pipeline für Gazprom verschlechtern, sobald der Betrieb des Rohrs in Deutschland von der Bundesnetzagentur reguliert wird.Die Nord Stream 2 AG hatte nach eigenen Angaben im Juli eine Klage beim EU-Gerichtshof eingereicht – mit der Aufforderung, die jüngste Änderung der EU-Gasrichtlinie für nichtig zu erklären. Die Richtlinie sei eine Diskriminierung, da Nord Stream 2 als einzige der bestehenden Pipeline-Investitionen von den neuen Regeln betroffen wäre, hieß es.Denn der Kompromiss, der im Februar innerhalb der EU gefunden wurde und im April in Kraft trat, sieht vor, dass die Pipeline zumindest im Teil der deutschen Küstengewässer europäischen Regeln unterworfen wird, wonach die Leitung grundsätzlich auch anderen Nutzern als dem russischen Eigner Gazprom offensteht. Umgesetzt werden könnte dies auch, indem der Teil der Leitung einen anderen Besitzer bekommt. Eine konkrete Lösung kann dem EU-Kompromiss zufolge Deutschland direkt mit Russland aushandeln.Während Deutschland und Russland das Vorhaben ohne EU-Einfluss umsetzen wollten, hatte die Kommission auf den europäischen Energie-Regeln bestanden, die die Öffnung der Leitungen auch für andere Anbieter vorsehen. “Auch hier gelten künftig die Vorgaben zu Eigentumsentflechtung, Drittzugang, Entgeltregulierung und Transparenz, soweit die Gasleitungen auf dem Hoheitsgebiet und in den Küstengewässern der Mitgliedstaaten verlaufen”, teilte Wirtschaftsminister Altmaier mit. Nord Stream 2 wird von Gazprom betrieben und gehört dem Staatskonzern. Westliche Konzerne im BootDie 1 200 Kilometer lange Leitung ist fast fertig und soll 2020 den Betrieb aufnehmen. Gazprom, der russische Staatskonzern und Eigner der Pipeline, hat die Hälfte der Gesamtkosten von rund 9,5 Mrd. Euro übernommen, davon etwa 1,5 Mrd. Euro Finanzierungskosten. Die andere Hälfte finanzieren fünf europäische Energiekonzerne – Wintershall Dea, OMV, Uniper, Royal Dutch Shell und die französische Engie.Die Gasleitung soll jährlich bis zu 55 Mrd. Kubikmeter Erdgas nach Deutschland transportieren. Das wäre noch einmal so viel, wie schon jetzt durch den ersten Strang der Pipeline fließt. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 verbrauchte die gesamte EU rund 459 Mrd. Kubikmeter Erdgas. Davon stammt nur noch ein Drittel aus europäischer Förderung. Deutschland bezieht 40 % aus Russland.