Pharmaindustrie

Novartis wagt 12-Mrd.-Dollar-Einkauf

Der Schweizer Pharmakonzern verleibt sich für 12 Mrd. Dollar die US-Biotechfirma Avidity ein. Das Unternehmen ist dringend auf Zukäufe angewiesen.

Novartis wagt 12-Mrd.-Dollar-Einkauf

Novartis wagt
12-Mrd.-Dollar-Einkauf

Pharmariese schluckt kalifornische Biotechfirma Avidity

dz Zürich

Novartis will sich für 12 Mrd. Dollar die kalifornische Biotechfirma Avidity einverleiben. Das Angebot entspricht einem Aufschlag von 46% gegenüber dem Schlusskurs der an der US-Technologiebörse gehandelten Avidity-Aktien von Ende vergangener Woche. Novartis hat seit der Berufung von Vasant Narasimhans zum CEO im Jahr 2018 Übernahmen im Wert von um die 30 Mrd. Dollar getätigt. Doch die größten Transaktionen liegen schon länger zurück.

2019 erwarb der Konzern für und 10 Mrd. Dollar „The Medicines Company“, ein Unternehmen, dem die Schweizer den inzwischen erfolgreich im Markt eingeführten Cholesterinsenker Leqvio verdanken. Ein Jahr davor kaufte man für fast ebenso viel Geld die Firma Avexis. Deren Medikament Zolgensma zur Behandlung spinaler Muskelatrophie, einer seltenen, für unbehandelte Säuglinge und Kleinkinder tödliche Erbkrankeit, hat die Erwartungen der Investoren mit einem Jahresumsatz von 1,2 Mrd. Dollar eher verfehlt.

Die spinale Mulkelatrophie ist eine neurologische Erkrankung. Neurolgie ist das kleinste der vier Therapiegebiete von Novartis, in dem das MS-Präparat Kesimpta rund zwei Drittel zum Jahresumsatz von 4,8 Mrd. Dollar (2024) beisteuert. Mit der Akquisition von Avidity will Novartis ihre Neurologie-Geschäfte nun stärken. Es werde erwartet, dass Novartis mit Avidity vor 2030 Gelegenheiten in einem „Multi-Milliarden-Dollar“-Markt ergreifen könne, schreibt das Unternehmen. Avidity entwickelt sogenannte Antikörper-Oligonukleotid-Konjugate zur Behandlung gravierender, genetischer Muskelerkrankung. Solche Antikörper-Wirkstoff-Konjugate kennt man schon seit einigen Jahren in Krebstherapien. Sie sollen gezieltere Therapien mit weniger Nebenwirkungen ermöglichen.

Die „Bewaffnung“ von Antikörpern mit Oligonukleotiden, die genetische Veränderungen in den angezielten Muskelzellen bewirken sollen, ist ein neues Anwendungsgebiet von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten und damit eines der Hauptrisiken der Avidity-Übernahme. Avidity hat nach eigenen Angaben Therapien für drei schwere Muskeldystrophien, darunter das bekannte Duchenne-Syndrom, in der letzten Phase der klinischen Prüfung.

Patentklippe droht

Eine Erfolgsgarantie ist das nicht. 2024 hatte Novartis in München für fast 3 Mrd. Dollar die Firma Morphosys erworben. Nur wenige Monate nach dem Deal musste Novartis die eingekaufte Therapie zur Behandlung krankhafter Gewebebildungen im Knochenmark wegen Sicherheitsrisiken abschreiben. Das Beispiel zeigt, dass junge Biotechfirmen gelernt haben, die großen Konzerne unter Druck zu setzen, wenn diese zur Auffüllung ihrer Pipeline dringend Akquisitionen benötigen.

Novartis muss dringend zukaufen, um nicht über die rasch näher rückende Patentklippe zu fallen. Für das größte Novartis-Medikament, die Herz-Kreislaufpille Entresto (8 Mrd. Dollar Jahresumsatz) gibt es bereits seit Sommer generische Konkurrenz in den USA. Weitere Milliardenblockbuster verlieren den Patentschutz darüber hinaus schon im diesem und im nächsten Jahr. Bis 2036 erhalten gemäß Goldman Sachs Novartis-Medikamente mit einem aktuellen Jahresumsatz von 41 Mrd. Dollar generische Konkurrenz. Zwar rechnet der Schweizer Konzern bis dann mit Neuheiten in Höhe von 44 Mrd. Dollar. Aber Flops à la Morphosys können diese Rechnung schnell über den Haufen werfen.