Nvidia nährt Zweifel am Boom um künstliche Intelligenz
Nvidia nährt Zweifel am Boom um künstliche Intelligenz
Nvidia nährt Zweifel am KI-Boom
Erlösentwicklung von Chipdesigner in Rechenzentren-Geschäft enttäuscht Aktionäre
xaw New York
Wachsende Zweifel am Boom um künstliche Intelligenz nagen an Nvidia. Investoren reagierten verschnupft auf die Ergebnisse des Chipdesigners zum Ende Juli abgeschlossenen zweiten Geschäftsquartal 2025/26: Die Aktie rutschte im nachbörslichen New Yorker Handel am Mittwoch zeitweise um 3,5% ab, obwohl die Kalifornier ihr Rekord-Erlöswachstum fortschrieben. Auch am frühen Donnerstag war von der Euphorie, die zuletzt stets auf Veröffentlichungen von Nvidia folgte, nichts zu spüren.
Anleger werden skeptischer
Der Umsatz legte gegenüber dem Vorjahr um 56% auf 46,74 Mrd. Dollar zu und übertraf die Erwartungen der Wall Street damit knapp, der Nettogewinn zog gar um 59% auf 26,42 Mrd. Dollar an. Dies entsprach einem um Sondereffekte bereinigten verwässerten Überschuss von 1,05 Dollar pro Aktie, vom Datendienst Factset befragte Analysten hatten im Konsens mit 1,01 Dollar gerechnet. Auch mit der Umsatzprognose von 54 Mrd. Dollar für das dritte Quartal überraschte Nvidia positiv.
Doch in einem wichtigen Segment enttäuschte das wertvollste Unternehmen der Welt die Anleger: Die Erlöse im Datenzentren-Geschäft, das die leistungsfähigsten und zum Training von KI-Modellen eingesetzten Chips von Nvidia beinhaltet, zogen zwar ebenfalls um 56% auf 41,1 Mrd. Dollar an, Analysten hatten sich aber 41,3 Mrd. Dollar ausgerechnet. Der Entwickler bleibt damit in einem Umfeld hinter den Erwartungen zurück, in dem der Euphorie rund um KI-Anwendungen erstmals breitere Skepsis entgegenschlägt.
Hoher Aufwand, geringer Ertrag
Befeuert hat diese zuletzt eine Studie des Massachusetts Institute of Technology. Demnach generierten 95% der Organisationen durch ihre Investitionen in generative künstliche Intelligenz „null Return“. Gerade die Investitionsausgaben von Big Tech für die Zukunftstechnologie sind in beispiellose Höhen geschossen – allein die Kapitalaufwendungen von Meta Platforms, Amazon, Alphabet und Microsoft dürften sich im laufenden Jahr auf nahezu 400 Mrd. Dollar summieren.
Die Investmentbank Morgan Stanley geht davon aus, dass die Ausgaben für Chips, Server und Rechenzentren-Infrastruktur zwischen 2025 und 2028 auf 2,9 Bill. Dollar steigen und damit im laufenden und kommenden Jahr 0,5% zum Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten beitragen werden. Doch laut dem MIT hat der überwiegende Teil der realwirtschaftlichen Anwendungen von künstlicher Intelligenz bisher keinerlei messbaren Einfluss auf die Gewinn- und Verlustrechnung von Unternehmen. Auch Sam Altman, CEO der für ihren Textgenerator ChatGPT bekannten Tech-Schmiede OpenAI, sorgte zuletzt für Verunsicherung. KI bringe zwar „großen Mehrwert für die Gesellschaft“, sagte er Mitte August vor Reportern – allerdings seien Investoren „übermäßig begeistert“. Einige Anleger würden mit KI-Investments voraussichtlich „viel Geld verlieren“.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mark Schiefelbein
Die Hochstimmung um die Technologie ist entscheidender Treiber für den S&P 500, der zur Wochenmitte einmal mehr auf Rekordhoch schloss. Die US-Benchmark notierte zuletzt zu nahezu dem 25-fachen der prognostizierten Gewinne pro Aktie für die kommenden zwölf Monate – die Bewertung deutlich oberhalb des zehnjährigen Durchschnitts sollte Anlegern zu denken geben, sagen die Analysten von Wolfe Research. Die gewaltigen Investitionsausgaben infolge des Booms um künstliche Intelligenz (KI) verstärkten die Gefahr einer Blasenbildung.
Heiß gelaufene Bewertungen
Mit Ausnahme von Alphabet, die auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 19,9 kommt, handeln alle Mitglieder der „Magnificent Seven“ zu Bewertungen oberhalb des Gesamtniveaus im S&P 500. Bei Tesla beläuft sich der Kurs sogar auf mehr als das 176-fache des prognostizierten Überschuss' pro Aktie für die kommenden zwölf Monate, bei Nvidia – von der Citigroup als „Lokomotive des KI-Zugs“ bezeichnet – immerhin auf mehr als das 33-fache.
Für Nvidia, deren Aktie zwischen Jahresbeginn und US-Börsenschluss am Mittwoch um über 31% zugelegt hat, sind indes nicht nur Zweifel am KI-Boom zum Problem geworden. Auch die chaotische Handelspolitik Washingtons wirbelt das Geschäft in einem wichtigen Wachstumsmarkt durcheinander. So hat Nvidia zu erwartende Erlöse in China nicht in ihren Quartalsausblick eingeschlossen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Julia Demaree Nikhinson
Anfang August hatten die Kalifornier einen Deal mit der US-Regierung geschlossen, der es ihnen ermöglicht, Exportkontrollen zu umgehen und ihre für China angefertigten H20-Halbleiter wieder auszuführen. Dafür soll Nvidia ebenso wie Rivale AMD künftig 15% der Einnahmen aus der Volksrepublik an Washington abführen. Durch den Deal, so glaubten viele Beobachter zunächst, kaufte sich Nvidia-CEO Jen-Hsun „Jensen“ Huang von einer großen Sorge frei.
US-Minister sorgt für Unmut
Zuletzt musste sein Unternehmen aufgrund der Ausfuhrbeschränkungen Milliardenabschreibungen in Kauf nehmen. Analysten erhofften sich nach der Vereinbarung mit Trump zusätzliche Erlöse von 2 Mrd. Dollar für das laufende Quartal, die Nvidia nun aber nicht prognostizieren will. Denn Peking reagierte gereizt auf Äußerungen von US-Handelsminister Howard Lutnick, der betont hatte, China „nicht unser bestes, nicht unser zweitbestes und noch nicht einmal unser drittbestes Zeug“ zu verkaufen. Die vor den Kopf gestoßene Volksrepublik prüft angeblich sogar Möglichkeiten, US-Halbleiterlieferungen zu beschränken. Nvidia hat die Produktion des H20 deshalb ausgesetzt.
Die Kalifornier arbeiten nun daran, neue Chips für den chinesischen Markt zu entwickeln. Ein angepeilter, modifizierter Prozessor soll laut Insidern auf der Blackwell-Chipplattform von Nvidia basieren und voraussichtlich etwa die Hälfte der Rechenleistung des im Westen verkauften Spitzenmodells B300 erreichen. Damit wäre er deutlich leistungsfähiger als der H20. Laut Trump wären für die Ausfuhr aber neue Freigaben der US-Regierung notwendig. Nvidia warte nun darauf, dass Washington den Export-Deal in eine eindeutige Regulierung gieße, betonte Finanzchefin Colette Kress in einer Analystenschalte am Mittwoch.
Hoffnung auf Wende
Ließen sich geopolitische Komplikationen um den H20-Halbleiter noch auflösen, könnte der Chipdesigner im laufenden Quartal laut Kress Prozessoren im Gegenwert von 2 bis 5 Mrd. Dollar nach China liefern. „Ausgewählte Abnehmer“ aus dem Reich der Mitte hätten in den vergangenen Wochen bereits Lizenzen erhalten. Doch dass die Wachstumsstory in China von derart schwierigen Wendungen geprägt ist, droht laut Analysten noch erheblich auf der ohnehin angekratzten Anlegerstimmung zu lasten.
