Ölpreis-Flaute zwingt US-Majors in Offshore-Projekte
Ölpreis-Flaute zwingt US-Majors in Offshore-Projekte
WTI-Flaute zwingt US-Majors in Offshore
Maue Ölpreisentwicklung macht Festland-Projekte unattraktiv – Anleger sorgen sich um Finanzierung von Aktienrückkäufen
Chevron allokiert einen größeren Teil ihrer Budgets in Offshore-Projekte und hält sich auf dem amerikanischen Festland zurück. Mit solchen Investitionsentscheiden steht die Nummer zwei des US-Sektors nicht allein da – sie sind Ausdruck massiver, auch politisch bedingter Unsicherheit in der gesamten Branche.
xaw New York
Die maue Preisentwicklung bei West Texas Intermediate (WTI) stellt Amerikas Ölriesen vor Herausforderungen. Chevron allokiert in der Folge einen größeren Teil ihres Investitionsbudgets in Offshore-Projekte: Im kommenden Jahr plant der Major 7 Mrd. Dollar in die Förderung im Golf von Mexiko, im östlichen Mittelmeer und in Guyana stecken, wie der Konzern am Mittwoch mitteilte.
Durch die 53 Mrd. Dollar schwere Übernahme der New Yorker Rivalin Hess sicherte sich Chevron im laufenden Jahr einen 30-prozentigen Anteil an einem der größten Ölfunde der Moderne vor der Küste des südamerikanischen Staats. Vorausgegangen war ein lang gezogener Streit mit Branchenprimus ExxonMobil, der 45% an dem im Jahr 2015 erschlossenen Ölfeld hält und auf Vorkaufsrechte für das Hess-Stück vom Kuchen pochte. Die Internationale Handelskammer in Paris gab Chevron schließlich in einem Schiedsverfahren recht.
Einsparungen angepeilt
Insbesondere in Südamerika will die Nummer zwei des US-Sektors nun Wachstum fördern – auf dem amerikanischen Festland sind die Aussichten allerdings unklar. Auf bis zu 19 Mrd. Dollar sollen sich die Kapitalaufwendungen von Chevron im kommenden Jahr belaufen, zuletzt hatte der Konzern für den Zeitraum bis 2030 jährliche Budgets zwischen 18 und 21 Mrd. Dollar in Aussicht gestellt. Im wichtigsten amerikanischen Onshore-Ölfeld, dem Permbecken zwischen Westtexas und New Mexico, sollen sich die Investitionen 2026 auf lediglich 3,5 Mrd. Dollar summieren, nachdem Chevron für das laufende Jahr 4,5 bis 5 Mrd. Dollar anpeilt.

picture alliance / newscom | John Angelillo
„Unser Kapitalprogramm für 2026 konzentriert sich auf die Gelegenheiten mit dem höchsten Return, während wir die Ausgabendisziplin aufrechterhalten und die Effizienz verbessern“, ließ sich CEO Mike Wirth in einer Mitteilung zitieren. Bereits zu Jahresbeginn hatte der Konzern angekündigt, bis 2026 bis zu 20% der Belegschaft vor die Tür setzen zu wollen. Auf einem Investorentag im vergangenen Monat konkretisierte Chevron dann Pläne für Einsparungen und setzte sich bis 2030 ein jährliches Wachstum des bereinigten Cashflow um mehr als 10% zum Ziel.
Politische Unsicherheit
Doch sind die Investitionspläne Ausdruck massiver Unsicherheit, die den Ölmarkt im Griff hält. Die anhaltende Produktionsausweitung des Kartells Opec sorgten für ein Überangebot, kritisierten Manager aus dem amerikanischen Sektor zuletzt in einer Umfrage der Federal Reserve, „zu schwache Sanktionen“ gegen Russland drohten zu einem weiteren Preisverfall beizutragen.
Am Tag der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump notierte US-Leichtöl zu 77,88 Dollar pro Barrel – seither hat der Preis um 25% nachgegeben. Seit Monaten schwankt er um die Marke von 60 Dollar und krebst inzwischen sogar seit Wochen konstant unter dieser vor sich hin. Die Analysefirma Wood Mackenzie prognostiziert, dass er dort bei Ausbleiben neuer geopolitischer Schocks „bis zu einigen Jahren“ verbleiben könne.
Manager schimpfen hinter vorgehaltener Hand
Zuletzt hatten die US-Majors den Preisverfall noch durch eine kräftigere Förderung ausgeglichen, im dritten Quartal erreichte die Produktion von ExxonMobil und Chevron einen kombinierten Rekordwert von 4,1 Mill. Barrel Öläquivalent pro Tag. Dies half den Konzernen zunächst, die Gewinnerwartungen der Wall Street zu übertreffen. Doch warnen Industrievertreter davor, dass sich diese Strategie nicht ewig fortsetzten lässt. Mittelfristig werde die Förderung zu WTI-Preisen unterhalb von 60 Dollar unprofitabel.
Zudem schimpfen Manager hinter vorgehaltener Hand über die politische Unsicherheit unter Trump. Der Republikaner hatte unmittelbar nach seinem Einzug ins Weiße Haus einen „nationalen Energienotstand“ ausgerufen. Unter dem Motto „Drill, Baby, Drill“ hat seine Regierung sich einer Ausweitung der Produktion fossiler Brennstoffe verschrieben und mehr Lizenzen zur Förderung auf Bundesgebiet ausgestellt – mit dem vorgeblichen Ziel, Preise für Endverbraucher zu senken.
Investitionsentscheide verschoben
Im „Energy Survey“ der Fed aus dem September gaben indes 78% der Teilnehmer an, aufgrund erhöhter Unsicherheit um Preise und Produktionskosten Investitionsentscheide verschoben zu haben – bei 36% handelt es sich um „signifikante“ Anlagen. „Wer kann, rennt zum Ausgang“, betonte ein Manager im Kommentarabschnitt der Notenbank-Umfrage.

picture alliance / Captital Pictures | ADM
Chevron-CEO Wirth sieht sein Unternehmen zwar „positioniert, hervorragende Shareholder Returns“ zu liefern – genau dies zweifeln Aktionäre aber für die US-Majors insgesamt an. So hat ExxonMobil zwischen Anfang Januar und Ende Oktober bereits 12,9 Mrd. Dollar ausgeschüttet sowie Aktien im Gegenwert von 14,9 Mrd. Dollar zurückgekauft. Da der Konzern unbeirrt an seinen Buyback-Zielen von 20 Mrd. Dollar pro Jahr festhält und die Quartalsdividende jüngst von 99 Cent auf 1,03 Dollar angehoben hat, dürfte er im Gesamtjahr schließlich mehr als 37 Mrd. Dollar an die Anteilseigner zurückführen.
Rückkäufe in Gefahr
Dem gegenüber steht ein freier Cashflow, der sich in den ersten neun Monaten des Jahres auf 20,6 Mrd. Dollar summierte. Für das Gesamtjahr prognostizieren Analysten bis zu 29 Mrd. Dollar. Zuletzt hielt ExxonMobil Cash und Cash-Äquivalente im Umfang von etwas mehr als 13,8 Mrd. Dollar, Ende des vergangenen Jahres beliefen sich die liquiden Reserven noch auf über 23 Mrd. Dollar.
Drohende Lücken bei der Finanzierung der Shareholder Returns müsste er also aus anderen Quellen schließen – Investoren im Ölsektor reagieren aber mit Missfallen auf schuldenfinanzierte Aktienrückkäufe. Chevron verfügt trotz jüngst aufgehellter Stimmung um den Guyana-Deal über noch weniger finanzielle Flexibilität als der führende Rivale. Inwieweit die Majors ihre Investitionsentscheide umsetzen, rückt bei besorgten Anlegern nun also besonders in den Fokus.
