Oracle will sich mit Tiktok-Deal neu aufstellen
Oracle will sich mit Tiktok-Deal neu aufstellen
Oracle will sich mit Tiktok-Deal neu aufstellen
Gründer Ellison soll Konsortium zum Kauf von Video-App führen – Analysten hoffen auf Abbau von Konzentrationsrisiken bei Software-Konzern
xaw New York
Der Zwangsverkauf von Tiktok soll das Geschäft von Oracle antreiben. Der Datenbankriese soll bei einem Deal nicht nur die Käufergruppe führen, sondern auch Herr über die Nutzerdaten der Video-App werden. Analysten setzen darauf, dass der jüngste Hype um Oracle damit eine breitere Grundlage erhält.
Während Washington und Peking an einem Deal um die Video-App Tiktok feilen, bringt sich Larry Ellison als Profiteur der Transaktion in Stellung. Der Gründer des Software-Riesen Oracle soll laut Insidern Kopf eines Konsortiums werden, das künftig etwas über 80% an einer neuen US-Gesellschaft zum Betrieb der bisher chinesischen Plattform kontrollieren soll. Als Partner werden ihm demnach die Venture-Investoren Silver Lake und Andreessen Horowitz zur Seite stehen, die verbleibenden Anteile von knapp unter 20% würden auf Partner aus dem Reich der Mitte entfallen.
Direkte Kontrolle durch Washington
Dieses Arrangement sollen Offizielle aus den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik bei ihrem Treffen zu Wochenbeginn in Madrid ausgearbeitet haben. In dessen Rahmen teilte US-Finanzminister Scott Bessent mit, beide Seiten hätten sich auf kommerzielle Bedingungen eines Tiktok-Verkaufs durch die chinesische Bytedance geeinigt. Die neue Mutter der Video-App würde durch einen amerikanischen Verwaltungsrat kontrolliert werden, ein Posten wäre direkt durch Washington zu besetzen, wie das „Wall Street Journal“ berichtet.
US-Präsident Donald Trump teilte am Dienstag mit, dass er die bereits mehrfach verschobene Deadline für einen Verkauf oder einen Bann von Tiktok per Exekutivbeschluss noch einmal auf den 16. Dezember verlegt. Damit verschafft er den beteiligten Parteien Zeit, Details der Transaktion festzuzurren, während Washington und Peking zugleich über komplexe handelspolitische Fragen beraten. Amerikanische Tiktok-Nutzer sollen im Anschluss an einen Abschluss des Deals in eine neue App umgeleitet werden, die für ihre Content-Algorithmen auf Lizenz-Technologie der bisherigen Mutter Bytedance zurückgreifen soll.
Herr über Nutzerdaten
Oracle ist für Tiktok seit langem Partner und stellt für den Videodienst über das gemeinsame „Project Texas“ Cloud-Infrastruktur und Datensicherheits-Dienste bereit. Die Unternehmen arbeiten in diesem Rahmen nach eigenen Angaben schon seit 2022 daran, den US-Betrieb der Social-Media-App und damit auch amerikanische Nutzerdaten zu isolieren. Unter Trumps Amtsvorgänger Joe Biden hatte Washington die Präsenz einer chinesisch kontrollierten TikTok in den Vereinigten Staaten als Risiko für die nationale Sicherheit eingestuft und dementsprechend im April 2024 jenes Gesetz durch den Kongress gebracht, das Bytedance vor die Wahl zwischen einem Verkauf oder einem US-Bann der App stellt.

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Für Oracle soll die Zwangsveräußerung das Geschäft noch einmal ankurbeln. Der Software-Riese hatte schon in Trumps erster Amtszeit gemeinsam mit dem Retail-Giganten Walmart letztlich erfolglos an einer Übernahme von Tiktok gearbeitet. Nun soll er die gesamten Nutzerdaten der neuen US-Gesellschaft hinter der Video-App in seinen Cloud-Systemen in Texas lagern und verwalten. Bereits im Juni hatte die japanische Investmentbank Mizuho einen Tiktok-Deal als förderlich für Oracle bezeichnet, sofern die Konkurrenten Amazon und Microsoft nicht am Konsortium beteiligt seien.
M&A-Experten bezeichneten eine Übernahme der Video-App für beide Tech-Riesen in der Vergangenheit als interessant, da sie somit mit einem Schlag in den Social-Media-Markt vorstoßen könnten, in dem sie gegenüber Rivalen wie Meta Platforms und Alphabet bisher unterexponiert seien. Nun sollen neben Oracle, Silver Lake und Andreessen Horowitz laut Insidern allerdings die bisherigen Bytedance-Investoren um Susqehanna, General Atlantic und KKR zur neuen Gruppe der Mehrheitseigner gehören.
Bewertung explodiert
Am Montag stuften die Analysten von D.A. Davidson den Deal in dieser Form als „positiv“ für die Oracle-Aktie ein. Denn dieser berge Diversifikationspotenzial für den Software-Riesen, der an der Wall Street über Jahre als vergleichsweise langweiliges Value-Investment im Tech-Sektor galt, im laufenden Jahr aber ins Rampenlicht gerückt ist. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das zwischen 2006 und 2024 durchschnittlich bei Werten um die 15 lag, ist auf nahezu 70 gesprungen. Hintergrund der Kursrally, in deren Zuge die Marktkapitalisierung am vergangenen Mittwoch binnen eines Handelstages um nahezu 250 Mrd. Dollar sprang, ist eine überraschend volle Auftragspipeline.
Die offenen Leistungsverpflichtungen von Oracle summierten sich zuletzt auf 455 Mrd. Dollar – Ende Mai waren es 138 Mrd. Dollar. Chairman Ellison verweist auf den Boom um künstliche Intelligenz und die Nachfrage nach knappen Computing-Kapazitäten für Inferenz – also die Fähigkeit von KI-Modellen, aus unbekannten Informationen Schlüsse zu ziehen. Citigroup hat Oracle angesichts des „historischen Quartals“ von „Neutral“ auf „Kaufen“ hochgestuft und das Kursziel von 240 auf 410 Dollar angehoben, im frühen New Yorker Mittwochshandel schwankte der Titel um die Marke von 300 Dollar.

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Doch ein Großteil der erwarteten Erlöse des Software-Riesen stammt aus einem Auftrag von OpenAI. Allerdings hält sich unter Analysten sowohl Skepsis an den Fähigkeiten der Tech-Schmiede, die vereinbarten Mittel zusammenzubringen, als auch an den Möglichkeiten von Oracle, die benötigten Computing-Kapazitäten aufzubauen. Die Analysten von D.A. Davidson sehen den Tiktok-Deal daher als willkommene Möglichkeit, um Konzentrationsrisiken zu begrenzen.
Für Ellison stellt er wohl auch einen Weg dar, seinen Einfluss auszuweiten. Der gebürtige New Yorker hat Tesla-Chef Elon Musk nach dem jüngsten Kurssprung bei Oracle nicht nur die Position des reichsten Menschen der Welt streitig gemacht, sondern ihn auch als wichtigsten Verbündeten Trumps im Tech-Sektor abgelöst. Musk und Trump zerstritten sich im Juni unter anderem aufgrund der Kritik des Unternehmers an der Haushaltspolitik des Präsidenten. Ellison gilt als Freund beider Streithähne und tritt seit 2020 öffentlich als politischer Unterstützter Trumps auf.
Einfluss auf Social Media
Zu Beginn des laufenden Jahres war er prominent an der Vorstellung der vom Präsidenten angekündigten „Stargate“-Partnerschaft beteiligt, über die Oracle, OpenAI und Softbank insgesamt 500 Mrd. Dollar in den Bau von Rechenzentren und KI-Infrastruktur in den USA stecken wollen – wenngleich das Projekt bisher schleppend anläuft. Nun gelingt es Ellison durch seine gute Beziehungen offenbar auch, Kontrolle in der Social-Media-Sphäre zu erlangen, in der seine Kumpels Trump (Truth Social) und Musk (X) bereits großen Einfluss ausüben.