NOTIERT IN MÜNCHEN

Plötzlich steht Webasto im Rampenlicht

Bis vergangenen Montag war das Coronavirus für uns in Deutschland noch weit weg. Nachrichten über Tote und Infizierte in China sowie Fernsehbilder von Menschen mit Stoffmasken über Nase und Mund sorgten auf dem Sofa für eine Mischung aus Mitgefühl...

Plötzlich steht Webasto im Rampenlicht

Bis vergangenen Montag war das Coronavirus für uns in Deutschland noch weit weg. Nachrichten über Tote und Infizierte in China sowie Fernsehbilder von Menschen mit Stoffmasken über Nase und Mund sorgten auf dem Sofa für eine Mischung aus Mitgefühl und leichter Beunruhigung. Doch dann ging alles ganz schnell, plötzlich ist das Bedrohliche nah – und für die Mitarbeiter von Webasto ganz nah.Ein 33 Jahre alter Beschäftigter des Autozulieferers meldete sich als Erster wegen der tückischen Krankheit. Tags darauf teilte Webasto mit, auch drei Kollegen seien positiv getestet worden. Alle arbeiten in der Firmenzentrale in Stockdorf, einem Ortsteil von Gauting im Südwesten Münchens auf halbem Weg nach Starnberg. Offenbar hatte sich dort der erste Mitarbeiter in der Vorwoche während einer Fortbildung angesteckt, an der eine chinesische Kollegin teilgenommen hatte, die zwei Tage später in ihre Heimat zurückflog. Insgesamt hatten sich bis Freitagabend sieben Mitarbeiter infiziert. Webasto reagierte schnell: Der Standort Stockdorf ist bis einschließlich diesen Montag geschlossen, die Mitarbeiter der Zentrale besuchen auch keine anderen Standorte. Reisen nach China werden zwei Wochen lang aufgeschoben, also für die vermutliche Dauer der Inkubationszeit.Auf einen Schlag steht das Unternehmen im Rampenlicht – aus einem Grund, auf den alle vom Pförtner bis zum Vorstandsvorsitzenden Holger Engelmann liebend gern verzichtet hätten. In Stockdorf und Umgebung zeigen sich Anflüge von Panik und Hysterie. Berichtet wird von Läden, Fitnessstudios und Kindergärten, die Webasto-Mitarbeiter und deren Familien ausschließen. Werkstätten verweigerten die Annahme ihrer Autos.Seit der Gründung 1901 ist das Unternehmen in Familienbesitz. Die Gruppe mit 3,4 Mrd. Euro Umsatz im vorvergangenen Jahr und 13 000 Mitarbeitern an mehr als 50 Standorten zählt zu den 100 größten Autozulieferern. Webasto produziert vor allem Schiebe- und Panoramadächer, Verdecke für Cabrios sowie Standheizungen. In Russland ist Webasto ein Synonym für Standheizung – wie hierzulande Tempo für Papiertaschentuch.Den größten Rummel der vergangenen Jahre gab es in den Münchner Medien im Zusammenhang mit Webasto wegen des Sportvereins TSV 1860 München. Die Fußballer kicken in der dritten Liga. 2017 hatte sich der Webasto-Gesellschafter und Milliardär Gerhard Mey für die Anteile an der Profifußball-KGaA des in München reichlich unbeliebten jordanischen Investors Hasan Ismaik interessiert. Doch eine Einigung gelang nicht.Nun geht es um mehr als Macht und Geld, nämlich um das höchste Gut Gesundheit. Der Fall Webasto führt uns vor Augen, dass die Globalisierung trotz aller Wohlstandsgewinne Nachteile und Risiken mit sich bringt. Das Unternehmen entschied sich in dieser Situation für die einzig richtige Strategie: schnell und umfassend informieren, besonnen und konsequent handeln. Und es gibt eine erfreuliche Nachricht: Den infizierten Mitarbeitern auf der Isolierstation der Klinik München-Schwabing gehe es gut, heißt es. Sie seien wieder symptomfrei.