Praxair setzt Vertrauen von Linde aufs Spiel
In das Verhältnis der beiden Fusionspartner Linde und Praxair hat sich Misstrauen eingeschlichen. Auslöser ist Matthew White, der Finanzvorstand des US-amerikanischen Unternehmens, der sich kritisch über Konzernteile von Linde geäußert haben soll. Jetzt wird auf ein klärendes Gespräch in München gewartet.jh München – Die soliden Quartalszahlen von Linde verblassten in der Herbstpressekonferenz des Münchner Industriegasekonzerns zur Nebensache. Im Mittelpunkt stand der angestrebte Zusammenschluss mit Praxair. Und beherrschendes Thema waren angebliche Aussagen des Finanzvorstands des US-amerikanischen Partners: Matthew White soll Ende September im Gespräch mit Aktienanalysten die Zukunft des Medizingasegeschäfts und des Anlagenbaus von Linde in Zweifel gezogen haben.Das Management von Linde erfuhr erst in diesen Tagen davon. Aldo Belloni, der für die Fusion aus dem Ruhestand geholte Vorstandsvorsitzende, gab zu, der Bericht der Deutschen Bank über Whites Aussagen habe Linde nicht kaltgelassen. Steven Angel, der CEO von Praxair, habe sich jedoch im Gespräch mit Belloni von kategorischen Aussagen über die beiden Konzernteile von Linde distanziert. “Es ist noch keine Entscheidung getroffen worden”, fügte der Linde-Chef hinzu, sagte aber auch: “Garantien gibt es nicht.”Belloni kündigte ein Treffen von White mit Sven Schneider, dem Finanzvorstand von Linde, an: “Wir werden ihm die Chance geben, wieder Vertrauen aufzubauen.” Das Gespräch sei für den 6. November geplant, heißt es.Tatsache ist, dass das Medizingase-geschäft mit dem amerikanischen Tochterunternehmen Lincare unter den um 20 bis 30 % gesunkenen Preisen in den USA leidet. Grund sind die jüngsten Ausschreibungen des Staates. “Hier müssen noch Hausaufgaben erledigt werden, um auf frühere Margen zu kommen”, sagte Belloni. Dazu gehöre auch der Kauf kleinerer Anbieter, um die Patientendichte zu erhöhen. Vor der Übernahme im Jahr 2012 für 3,6 Mrd. Euro hatte Lincare operative Umsatzrenditen von 25 bis 30 % erzielt. Linde weist den Wert nicht getrennt aus, doch belastet die Medizinsparte spürbar die Marge in Amerika (siehe Grafik). “Hinterher sind alle schlauer”, antwortete Belloni auf die Frage, ob die Akquisition von Lincare unter dem damaligen Vorstandschef Wolfgang Reitzle richtig gewesen sei.Den Anlagenbau von Linde verteidigte Belloni als “erfolgreichste Engineering-Firma der Bundesrepublik”. Er habe keine Sorge, dass die Sparte ihre Existenzberechtigung in einem mit Praxair fusionierten Konzern beweisen könne. Die operative Marge – bezogen auf das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen – blieb mit 9,2 % im dritten Quartal und 8,4 % in den ersten neun Monaten über der Zielmarke von 8 %. Der Auftragseingang der Sparte erholte sich von Januar bis September mit einem Plus von 24 %, ging allerdings im dritten Abschnitt um 8 % zurück.Der Konzernumsatz sank im dritten Quartal um 1,3 % auf 4,2 Mrd. Euro. Währungsbereinigt ergibt sich ein Zuwachs von 1,8 %. Das Ebitda legte um knapp 3 % auf gut 1 Mrd. Euro zu. Unter dem Strich verringerte sich der Gewinn um 11 % auf 271 Mill. Euro. Finanzvorstand Schneider begründete dies mit Sondereinflüssen von 277 Mill. Euro in den ersten neun Monaten: 227 Mill. Euro Aufwand für das Effizienzprogramm “Lift” und 50 Mill. Euro Kosten für die Fusion – unter anderem für Anwälte und Berater. Ja aus Pakistan und ParaguayAuf dem Weg zum angepeilten Zusammenschluss ist Linde wieder ein Stück weiter: Bis Donnerstagabend wurden 67,9 % des Grundkapitals zum Tausch in Aktien der Linde plc angedient. Nach der Aufsicht in Russland haben die Wettbewerbsbehörden in der Türkei, Pakistan und Paraguay Genehmigungen für eine Fusion erteilt. In den USA und China sei das Vorhaben angemeldet worden, berichtete Belloni. Für die EU werde dieser Schritt vorbereitet.—– Wertberichtigt Seite 6