GastbeitragPrivate Markets Week 2025

Privates Kapital ist das Vakzin für Europas „kranken Mann“

Der deutsche Mittelstand ist für Investoren attraktiv, denn die Unternehmensbewertungen liegen im Durchschnitt 10% niedriger als beispielsweise in den USA – und das Umfeld hellt sich auf

Privates Kapital ist das Vakzin für Europas „kranken Mann“

Deutschland galt einst als der „kranke Mann Europas“ – eine Diagnose, die angesichts aktueller Daten neu zu bewerten ist. Während Deutschland 2023 als einzige G7-Volkswirtschaft in eine Rezession rutschte (Destatis), formiert sich parallel ein beispielloser privater Investitionsschub: Die branchenübergreifende Initiative Made for Germany (M4G) wuchs seit ihrem Start im Juli 2025 von 61 auf 105 Mitgliedsunternehmen, und die zugesagten Investitionen belaufen sich auf mittlerweile 735 Mrd. Euro mit Zieljahr 2028. Diese Summe reiht sich in die Größenordnung der weltgrößten Staatsfonds ein und übertrifft jede einzelne staatliche Investitionsinitiative in Deutschland. Zum Vergleich: Der staatliche Atomfonds Kenfo verwaltete Ende 2024 rund 25 Mrd. Euro. Privates Kapital übernimmt damit zunehmend die Rolle des zentralen Wachstumstreibers der deutschen Wirtschaft – ein fundamentaler Wandel in der Finanzierungsstruktur unseres Standortes.

Nachhaltiger Vorteil

Ein derart langfristiger Horizont, über zahlreiche Konjunkturzyklen hinweg, lehrt eine zentrale Lektion: Investitionen, gepaart mit operativer Expertise, schaffen nachhaltige Wettbewerbsvorteile. Deutschland hat bereits zweimal gezeigt, dass Wachstum auch in schwierigen Zeiten möglich ist – in den 50er Jahren (Wirtschaftswunder) und nach der Wiedervereinigung – stets durch erhebliche private wie öffentliche Investitionen. Heute liegt die Verantwortung erneut bei den Investoren, und diesmal gibt eindeutig der private Sektor den Takt vor.

Privates Kapital statt Subventionen

Made for Germany lebt nicht von Zuschüssen, sondern davon, dass Unternehmen eigenständige Investitionsentscheidungen bündeln. Kapital fließt, weil der Standort in Teilen, und das trotz aller Gegenwinde, weiterhin Wettbewerbsvorteile verspricht – nicht wegen Förderprogrammen. Damit begegnet die Initiative einem verbreiteten Vorbehalt: der Zurückhaltung, in Deutschland zu investieren. Getragen von einer investitionsfreundlicheren Agenda in Berlin koordiniert die Wirtschaft ihre Kräfte, um die Bedingungen im Inland zu verbessern – ohne auf Hilfen zu warten. Bundeskanzler Friedrich Merz hat M4G folgerichtig als einen der größten Investitionsimpulse der vergangenen Jahrzehnte bezeichnet. Die Botschaft ist klar: Die Wirtschaft übernimmt Verantwortung für Erneuerung – in Partnerschaft mit, aber nicht in Abhängigkeit von der Politik.

Timing und Disziplin

Für Investoren zählen Timing und Disziplin. Während viele Private-Equity-Häuser 2020/2021 zu Spitzenbewertungen einkauften, erwies sich ein vorsichtigerer Umgang mit Fondsvermögen als richtig. Wer heute noch über substanzielles Dry Powder verfügt, profitiert von der relativ kleinen Private-Equity-Penetration in Deutschland sowie attraktiven Unternehmensbewertungen. Die Bewertungsdifferenz zwischen deutschen und US-Mittelständlern beträgt bis zu 10%. Entsprechend ist das Umfeld attraktiv: Chancen und Bewertungen stehen in einem günstigen Verhältnis. Das ist der Kern antizyklischen Investierens – langfristiges Kapital sitzt Überhitzungen aus und engagiert sich, wenn andere vom Markt gehen. In Deutschland schafft genau diese Geduld die Grundlage, den Aufschwung mitzunehmen, statt unter den Exzessen des vorherigen Booms zu leiden.

Internationales Kapital erkennt Wandel

Auch international hat sich der Ton gedreht. Branchenanalysen zeigen, dass institutionelle Limited Partners derzeit 15 bis 20 % ihrer Private-Equity-Allokationen von Nordamerika nach Europa umschichten (PwC). Dahinter stehen Diversifizierung – und die Einsicht, dass deutsche Mittelständler attraktive risikoadjustierte Renditen bieten. Besonders sichtbar: wachsendes Interesse aus dem Nahen Osten. In den vergangenen fünf Jahren summierten sich Private-Equity-Deals in der MENA-Region auf rund 28 Mrd. Dollar (Zawya). Anleger aus der Region suchen nun gezielt Chancen im industriellen Kern Europas. Rückenwind kommt von den großen Ratingagenturen, die Deutschlands AAA-Bonität 2025 bestätigt haben (Scope). Das stärkt Vertrauen – und rückt Deutschland wieder auf die Landkarte von Investoren, die den Markt zuletzt eher gemieden haben.

Beispiele aus dem Mittelstand: duagon und FinMatch

Wie wirkungsvoll privates Kapital ist, zeigen zwei Unternehmen aus dem Portfolio der DBAG: Bei duagon hat eine konsequente Buy-and-Build-Strategie, flankiert von operativen Verbesserungen, aus einem mittelständischen Anbieter einen global führenden Spezialisten für Hard- & Softwarelösungen sicherheitsrelevanter Anwendungen in der Bahnindustrie gemacht. Dabei spielt auch eine langfristige Orientierung eine entscheidende Rolle. Während der achtjährigen Haltedauer hat sich das Unternehmen sehr erfreulich entwickelt. So wuchs der Umsatz von 22 Mill. sfr. zum Investitionsbeginn auf rund 160 Mill. sfr. beim Exit.

FinMatch wiederum digitalisiert als Kreditplattform die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen – ein passgenauer Ansatz in einer Phase, in der der Refinanzierungsbedarf des Mittelstands in der DACH-Region bis 2028 auf rund 86 Mrd.  Euro geschätzt wird (KfW). In beiden Fällen liefert Private Equity mehr als Kapital: Governance-Kompetenz, Transformations-Know-how, Digitalisierung und Konsolidierungsstrategien heben Unternehmen auf das nächste Niveau. Mittelstands-Champions entstehen, wenn langfristig orientierte Investoren Wachstum finanzieren und strategisch begleiten – etwas, das staatliche Programme allein nur selten leisten.

Private Markets sollten allen offen stehen

Parallel dazu findet eine stille Revolution auf dem Anlagemarkt statt: die Demokratisierung der Private Markets. Immer mehr private Anleger in Deutschland wenden sich dem Aktien- und Beteiligungsmarkt zu. Die Zahl der monatlichen ETF-Sparpläne in Deutschland erreichte Ende 2024 rund 9,5 Millionen – ein Zuwachs von 34% gegenüber dem Vorjahr (State Street). Zudem entstanden zuletzt neue Vehikel (Stichwort ELTIF 2.0), um Privatanlegern den Zugang zu alternativen Anlagen zu ermöglichen. Als eine der wenigen börsennotierten Private-Equity-Gesellschaften in Deutschland bewegt sich die DBAG genau in diesem Schnittfeld: Sie bietet privaten Aktionären einen liquiden Anteil an einer Anlageklasse, die sonst illiquide und institutionellen Investoren vorbehalten ist. Mehr privates Anlegerengagement erhöht zugleich den Druck auf die Branche, transparenter und effizienter zu werden – letztlich ein Gewinn für den Finanzstandort. Auf lange Sicht verbreitert diese Entwicklung die Kapitalbasis für den Mittelstand, jenseits der klassischen institutionellen Quellen.

Appell für eine kapitalgetriebene Renaissance

Soll Deutschland das Kapitel der Stagnation abschließen, muss zum privaten Kapital auch der politische Rahmen passen. Verlässliche Standortbedingungen sind essenziell: konsistente Regulierung, international wettbewerbsfähige Steuern und kontinuierliche Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Die geplante Einrichtung eines 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturfonds und die Lockerung der Schuldenbremse – gemessen an früheren deutschen Maßstäben ein regelrechter Paradigmenwechsel – sorgen für willkommenen Rückenwind. Doch ein nachhaltiger Aufschwung erfordert Kontinuität über Legislaturperioden hinaus. Genau dafür bietet M4G den Hebel: ein Vehikel für langfristige, vom Tagespolitikbetrieb entkoppelte Investitionsdynamik. Am Ende ist die zentrale Frage nicht, ob Deutschland wieder auf Wachstumskurs kommt, sondern wer den Aufbruch finanziert. Eine wirtschaftliche Renaissance, die nicht nur „Made for Germany“, sondern vor allem auch „Made in Germany“ ist, befindet sich in Reichweite. Der Privatsektor votierte eindeutig, und zwar 735 Milliarden Mal – ein starker Wahlausgang, um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland positiv weiterzuentwickeln.


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