Oliver-Wyman-Experte zum Stahlgipfel

„Protektionistische Maßnahmen in der aktuellen Lage notwendig“

Die größten Herausforderungen für die deutsche Stahlindustrie bleiben nach Einschätzung des Oliver Wyman-Branchenexperten Holger Stamm Chinas Stahlimporte und die Dekarbonisierung.

„Protektionistische Maßnahmen in der aktuellen Lage notwendig“

„Protektionistische Maßnahmen in der aktuellen Lage notwendig“

Oliver Wyman: USA bleiben für Stahlbranche relevant

ahe Berlin

Neue Schutzmaßnahmen für die europäische Stahlindustrie, wie sie auf dem Stahlgipfel von der Bundesregierung unterstützt wurden, stoßen auch bei Branchenexperten auf Verständnis. „Protektionistische Maßnahmen wie Zölle sind prinzipiell nicht die richtigen Mittel, um die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern“, sagt Holger Stamm von der Beratungsagentur Oliver Wyman im Gespräch der Börsen-Zeitung. „In der aktuellen Lage sind sie allerdings notwendig, um den Import von billigem, subventioniertem, grauem Stahl nach Europa zu verhindern.“

Druck durch Dekarbonisierung

Der Oliver Wyman-Partner Energy and Natural Resources verweist darauf, dass der Wettbewerb durch Dumping-Stahl den Markt aktuell stark strapaziert. „Die US-Zölle wirken sich nicht so einschneidend aus wie die sehr günstigen umgeleiteten Importe, die vor allem aus China kommen“, stellt er klar. Die hochwertigen Produkte der deutschen Stahlhersteller seien von amerikanischen Kunden nicht leicht zu ersetzen. Daher bleibe für die Unternehmen der US-Markt trotz der Zölle relevant.

Oliver Wyman-Partner Holger Stamm mit Zuständigkeit für den Bereich „Energy and Natural Resources“
Foto: Oliver Wyman

Trotzdem rutscht die deutsche Stahlindustrie nach Einschätzung von Stamm immer weiter in die Krise. In der Branche sei man schon vor zwei Jahren der Ansicht gewesen, dass der „perfekte Sturm“ gekommen sei, sagt er. „Und dennoch ist die Lage in der Zwischenzeit noch schlechter geworden.“

Neben dem schwierigen Außenhandel setzt aber vor allem die Dekarbonisierung die Stahlproduzenten unter großen Druck, wie der Branchenexperte noch einmal vermerkte. „Die grüne Route auf Basis von Wasserstoff, die als zukunftsweisend gilt, ist zurzeit noch nicht rentabel.“

Unternehmen sollten auch auf CCS setzen

Damit die Dekarbonisierung gelingt, sollten Unternehmen der Stahlindustrie nach den Worten von Stamm alle verfügbaren Technologien und Ansätze in Erwägung ziehen. Das könne beispielsweise das Recycling von Stahlschrott sein, das Abscheiden und Speichern von CO2 (CCS) oder auch die flexible Beschaffung von Roheisen und Rohstoffen sein. Für CCS hatte der Bundestag erst am Donnerstag grundsätzlich grünes Licht gegeben.

Bei der Dekarbonisierung sieht Stamm aber auch die Politik in der Pflicht: „Wenn sich grüner Stahl langfristig durchsetzen soll, muss auch die Nutzung CO2-armer Produkte in der Infrastruktur gefördert werden“, unterstreicht er. Ein gutes Beispiel wären für Stamm der Einsatz „grüner Schienen“ in der Bahnindustrie.

Die Bundesregierung unterstützt in diesem Zusammenhang einen Leitmarkt für klimafreundliche Stahlprodukte, unter anderem für die staatliche Infrastruktur.