IM GESPRÄCH: MARTIN SCHOLICH UND CHRISTIAN KIRSCHNIAK

PwC führt Strategie und Technologie zusammen

Berater setzen auf interdisziplinäre Teams in Digitalisierungsbegleitung - Finanzdienstleister bei künstlicher Intelligenz "ganz vorn"

PwC führt Strategie und Technologie zusammen

Die digitale Transformation treibt Unternehmen und Banken um. Externe Fachleute sind gesucht, um die Prozesse voranzubringen. Auch die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC wächst kräftig in dem Geschäft. Gefordert sind an erster Stelle nicht mehr Szenarien für die großen Zukunftsentwürfe, es geht an die Mühen der Umsetzung und die Verknüpfung von Strategie und Technologie.Von Sabine Wadewitz, FrankfurtDie Digitalisierung von Geschäftsmodellen und -prozessen sorgt für lebhafte Nachfrage in Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften. Auch der deutsche Marktführer PwC profitiert in dem Segment, was sich in einem Umsatzsprung der Sparte Unternehmensberatung um 18 % auf 781 Mill. Euro im vergangenen Geschäftsjahr spiegelt. Damit hat sich diese Division im Ranking erstmals vor den traditionell größten Geschäftsbereich Wirtschaftsprüfung geschoben. Dynamischer Markt”Der Markt bleibt dynamisch”, unterstreicht Martin Scholich, Mitglied der Geschäftsführung und Leiter des Geschäftsbereichs Advisory bei PwC Deutschland und PwC Europe. Sein Haus setze den Schwerpunkt auf die Kombination von Strategie- und Technologieberatung, wobei die Technologieberatung mehr und mehr in den Fokus rücke, seitdem die Unternehmen stärker in die Umsetzung von Digitalisierungsthemen gehen. “Es gibt kaum ein Unternehmen, das dieses Thema nicht durchdekliniert hat”, sagt Scholich.Mit der Umsetzung digitaler Prozesse muss es deutlich konkreter werden, die Firmen müssen rechtzeitig entscheiden, welche Technologie sie benötigen. Früher konnte man erst die strategische Richtung vorgeben und dann über die Technologie entscheiden. “Wer sich heute um einen Beratungsauftrag bewirbt, muss diese Antworten im Gepäck haben”, sagt Scholich.Es genügt nicht mehr, einen Satz Powerpoint-Folien zu übergeben, der Kunde möchte vom Berater in der Umsetzung begleitet werden. Früher habe man in der Strategieberatung ein Konzept erstellt, es dem Vorstand präsentiert und sei nach dessen Zustimmung in die Umsetzung gegangen. In der Digitalisierungsberatung reiche das nicht aus. Schon während der Erstellung des Angebotes müsse man eine klare Vorstellung über die Umsetzung haben.In der Regel wird ein Prototyp erstellt, um die Arbeitsergebnisse mit dem Unternehmen oder mit dessen Kunden unmittelbar auszuprobieren. Der Einsatz von Prototypen fordert die Kunden in einer Situation der Unsicherheit in besonderer Weise. Denn es kann sinnvoll sein, an einer Idee festzuhalten, auch wenn sie in der Testphase nicht sofort funktioniert, weiß PwC-Partner und Head of Data & Analytics Advisory bei PwC Europe, Christian Kirschniak. Das sei in vielen Unternehmen noch ein kulturelles Problem, denn ein Misserfolg im ersten Versuch bestätige “die Ungläubigen”. Auf der anderen Seite wollen die Firmen ja neue Ideen vorantreiben und Unternehmensmodelle transformieren. Daher sei es wichtig, “dass viel Sponsorship dahintersteckt und die Unternehmen es wirklich wollen”, unterstreicht Kirschniak, der früher für IBM gearbeitet hat.In der Digitalisierungsberatung setzt PwC in der Regel Fachleute aus drei Bereichen ein. “Wir nennen es BXT-Methode”, sagt Scholich. “B” steht für Business und für Berater, die eine Branche sowie die Prozesse und Organisationen in Unternehmen sehr gut kennen. “X” heißt Experience und bezeichnet Experten, die sich mit den Kunden des Unternehmens auseinandersetzen. Diese Fachleute, sie kommen häufig aus Digitalagenturen, haben die Aufgabe, die von Beratern und Technologen erstellten Konzepte schnell auszuprobieren – der Endanwendernutzen stehe hierbei klar im Fokus. “T” definiert Fachleute für Technologie. “Gemeinsam bringen diese interdisziplinären Teams alle relevanten Perspektiven zusammen”, fasst es Scholich zusammen. Alle am Projekt Beteiligten drücken auf die Tube. Die Geschwindigkeit habe sich erhöht, das gelte für Konzeption und Umsetzung, sagt Scholich. In Rahmen der Digitalisierung stelle sich ein Unternehmen kein Projekt vor, das 24 Monate dauere. “Nach drei, maximal sechs Monaten – abhängig von der Komplexität – will der Kunde Ergebnisse sehen.”Für PwC geht es auch um höhere Effizienz in der Beratung durch Software und Datennutzung. Dabei will man nicht mit den großen Softwareunternehmen konkurrieren. Die Berater erarbeiten vielmehr für ein Projekt eine individuelle Software, um das Problem eines Kunden unter Berücksichtigung der vorhandenen IT-Infrastruktur effizient zu lösen. “Das ist für uns etwas Neues”, sagt Scholich. Als Beispiel nennt er ein Programm, das es Banken ermöglicht, relativ einfach Daten einzuspeisen, um in hoher Geschwindigkeit den jährlich geforderten Stresstest durchzuführen. Sonst eine “superaufwendige Übung”.Die Dynamik im Einsatz neuer Technologien fällt in den Branchen sehr unterschiedlich aus. Weit voraus sind Finanzdienstleister – auch getrieben von Fintechs. “Banken stehen in der Anwendung von künstlicher Intelligenz ganz vorn, sowohl was die Interaktion mit Kunden als auch interne Prozesse betrifft”, erklärt Kirschniak. Viele Banken entwickeln Beratungsprodukte, in denen einem breiten Kundenkreis über ein Chatbot-Interface Finanzberatung angeboten wird. Digital unterstützt wird auch der Bankberater in der Auswahl von Finanzprodukten. Frage der FirmenkulturIn der produzierenden Industrie läuft die Digitalisierung nicht ganz so schwungvoll wie in der Finanzbranche. Doch auch dort geht es nicht nur darum, bestehende Prozesse schneller zu machen. Kirschniak nennt als Beispiel die Wartung von Maschinen, die in der Vergangenheit in festgelegten Zeitabständen durchgeführt wurde. Heute setze man Sensoren ein, um kontinuierlich den Zustand einer Anlage zu prüfen und Ersatzteile automatisch anzufordern. Die Wartung findet, wenn überhaupt nötig, nur noch nach Bedarf statt. Eine andere Anwendung betrifft die Qualitätssicherung. Hier kann man über Fotos der Waren mit Hilfe künstlicher Intelligenz Produktionsfehler aufdecken.Es sei vielerorts noch nicht so populär, aufwendige Prozesse in der Fertigung zu digitalisieren, obwohl das Potenzial dafür sehr groß sei, erläutert Kirschniak. Die Firmen fokussierten eher auf Anwendungen für den Kundenkontakt – weil es die Konsumenten so erwarten. Jüngere Leute möchten auf den gleichen Wegen mit ihren Geschäftspartnern kommunizieren, wie sie es in ihrem privaten Umfeld gewohnt sind. “Um diese Leute als Klientel nicht zu verlieren, stehen die Firmen unter Druck, das Interface zwischen Unternehmen und Konsumenten neu zu definieren”, erklärt Scholich.Wie weit Unternehmen im technologischen Umbau gehen, ist aus Sicht der Berater auch eine Frage der Firmenkultur. So sei der deutsche Mittelstand “hochinnovativ, aber noch nicht digital durchsetzt”, so Kirschniak. Mancher setze zwar punktuell neue Technologien ein, habe aber dabei nicht die ganzheitliche Unternehmenstransformation im Blick und somit noch keine klare Digitalstrategie. “Riesenpush” in AutobrancheIm Spektrum der Industriezweige bescheinigt Kirschniak der Automobilindustrie “einen Riesenpush”. Die Anbieter würden sehr intelligent vorgehen. “Sie setzen Mobilität an die erste Stelle, bauen Technologien wie autonomes Fahren und Elektroautos auf und sammeln Daten”, so Kirschniak. Auf diese Weise sicherten die Automobilhersteller ihren Markt – zum Beispiel auch gegen App-basierte Fahrdienstvermittler.Digitalisierung treibt aus Sicht der Berater weltweit die Wertschöpfung. Nach Schätzungen von PwC wird das globale Bruttosozialprodukt durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Jahr 2030 bis zu 14 % höher sein, als es im Falle eines Verzichts auf solche Anwendungen der Fall wäre. Damit würde künstliche Intelligenz 15,7 Bill. Dollar zur weltweiten Wirtschaft beitragen. In der Rechnung berücksichtigt sind Produktivitätssteigerungen und eine höhere Konsumnachfrage aufgrund personalisierter Produkte.