Regierungskrise beunruhigt Frankreichs Unternehmen
Regierungskrise beunruhigt Frankreichs Unternehmen
Vertrauensfrage von Premierminister François Bayrou führt laut Arbeitgeberverband zu „Klima der Unsicherheit“ – Investitionen und Projekte auf Stand-by
Statt auf frischen Schwung stellen sich französische Unternehmen nach der Sommerpause auf Chaos ein. Sie sind besorgt über die politische Ungewissheit und die drohende Verzögerung des Haushalts für 2026, die Wachstum und Konsum schwächen dürfte. Deshalb halten viele Firmen ihre Investitionen zurück.
wü Paris
Die Worte sind immer dieselben: Sie seien zutiefst beunruhigt, erklären französische Firmenchefs. Die politische Instabilität belaste die Unternehmen. Die überraschende Ankündigung von Premierminister François Bayrou, die Vertrauensfrage zu stellen, schwäche die Wirtschaft, kritisieren Unternehmensverbände. „Die politische Situation ist düster und trägt bei Firmenchefs zum Klima der Unsicherheit bei“, sagt Patrick Martin, der Chef des französischen Arbeitgeberverbandes Medef. „Das ist verhängnisvoll für die Wirtschaft.“
Statt auf frischen Schwung nach der traditionellen Sommerpause stellen sich französische Unternehmen jetzt auf Chaos ein. Denn fast alle gehen davon aus, dass Bayrous Regierung am 8. September stürzt. Zwei Tage später dann will die nebulöse, extremistisch geprägte Bewegung „Bloquons tout“ (Blockieren wir alles) wie einst die Gelbwesten das gesamte Land lahmlegen. Die Gewerkschaften wiederum haben für den 18. September zu Protesten aufgerufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Haushalt für 2026 verzögert, ist hoch. Genau wie die Gefahr, dass die künftige (oder aktuelle) Regierung in der Haushaltspolitik Zugeständnisse an die Opposition machen muss.
Warnung vor Reichensteuer
Der bisherige Haushaltsentwurf für 2026 hat die Unternehmen weitgehend verschont, da sich Bayrou und seine Mannschaft bewusst waren, dass sie im europäischen Vergleich ohnehin sehr stark besteuert werden. Sie hatten sich deshalb entschieden, die für 2025 beschlossene Sondersteuer für große Konzerne im nächsten Jahr nicht fortzuführen. Die Opposition fordert jedoch eine gerechtere Verteilung der geplanten Haushaltsanstrengungen über 44 Mrd. Euro. Die Linke plädiert deshalb für eine Reichensteuer. Sollte es dazu kommen, bestehe die Gefahr, dass Talente ins Ausland abwandern, warnt Medef-Chef Martin.
Es sei zu befürchten, dass die zu Beginn der ersten Amtszeit von Präsident Emmanuel Macron beschlossene unternehmensfreundliche Politik wieder rückgängig gemacht werde, sagt auch Virginie Calmels. Die Managerin ist Vorsitzende von CroissancePlus, einer Vereinigung von 500 mittleren und kleinen Unternehmen. Noch nie sei eine Rentrée, wie die Rückkehr aus den Sommerferien in Frankreich heißt, so beängstigend gewesen, meint Calmels. „Niemand sieht das Licht am Ende des Tunnels oder woher das Licht kommen soll.“
Investitionen auf Stand-by
Sollte die Regierung Bayrous wie befürchtet tatsächlich stürzen, beginne eine für Unternehmen extrem nachteilige Zeit, glaubt auch Michel Picon, der Vorsitzende des Verbandes Union des entreprises de proximité (U2P), der Handwerker, Einzelhandel und Freiberufler vertritt. Die Franzosen würden dann noch weniger konsumieren, fürchtet er. Dabei sei der Konsum schon schwach und das Wachstum in Frankreich momentan ohnehin verhalten, gibt auch Medef-Chef Martin zu bedenken. Dazu kommt die durch die amerikanischen Strafzölle reduzierte Sichtbarkeit.
All das macht vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen zu schaffen, die mehr als 99% der französischen Wirtschaft ausmachen. Sie haben weniger Durchhaltevermögen als die großen Konzerne. Sollte sich der Haushaltsplan 2026 wie schon im vergangenen Jahr verzögern, dürfte dies das Wachstum schwächen, meint Ökonom Hadrien Camatte von der Investmentbank Natixis CIB. Unternehmen könnten mit neuen Einstellungen und Investitionen abwarten – so wie letztes Jahr nach den überraschenden Neuwahlen. Viele Projekte stünden auf Stand-by, berichtete Unternehmenschef Philippe Savajols auf dem Sommertreffen des Medef letzte Woche. Er habe beschlossen, Investitionen zurückzuhalten, um die Geldbestände seiner Firma zu schützen.