Ritterschlag für den Kodex
swa Frankfurt
Die Bundesregierung bricht eine Lanze für den Deutschen Corporate Governance Kodex. Die Entwicklung des Regelwerks für gute Unternehmensführung sei „eine Erfolgsgeschichte“, heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke. Darin wurde unterstellt, dass der Wirecard-Skandal eklatante Governance-Schwächen offenbart habe, und hinterfragt, ob der Kodex als Instrument der Selbstregulierung unzureichend sei, um Bilanzskandale zu unterbinden.
Die Bundesregierung betont, sie habe insbesondere den Fall Wirecard zum Anlass genommen, das Aufsichtsrecht und das Corporate-Governance-Gefüge auf Schwachstellen hin gründlich zu überprüfen und mit dem Entwurf für das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) „entschlossen Maßnahmen zu dessen Verbesserung ergriffen“.
Bei allem Verständnis für den Ruf nach Regulierung gehe es auch um die Balance zwischen gesetzlichen Pflichten und der Festlegung von Maßstäben guter Unternehmensführung. Selbstverständlich müssten die Leitlinien der Corporate Governance im Wechselspiel mit den Erfahrungen in der Praxis fortlaufend weiterentwickelt werden. Der Kodex habe sich aber „als Instrument für die Bewältigung dieser Anpassungsprozesse aus Sicht der Bundesregierung grundsätzlich bewährt“.
Hervorgehoben wird, dass Maßnahmen auf den Weg gebracht wurden, um die Governance durch gesetzliche Änderungen zu stärken. So werde im FISG vorgeschlagen, die internen Kontrollen in Unternehmen auszuweiten. Der Aufsichtsrat werde in seinen Kompetenzen gestärkt und verpflichtet, einen Prüfungsausschuss einzurichten. Börsennotierte Gesellschaften würden zudem verpflichtet, ein wirksames internes Kontrollsystem sowie ein Risikomanagementsystem einzurichten.
Mit Blick auf die Verantwortung der Aufsichtsräte hält die Bundesregierung das Haftungsregime für ausreichend. Eine Verschärfung der Haftung wird abgelehnt: „Aufsichtsratsmitglieder haften bereits nach heutiger Rechtslage umfassend für ihre Tätigkeit“, wird festgestellt. Hier müsse sorgfältig abgewogen werden, denn eine Steigerung der Haftungsrisiken könne die Auswahl geeigneter Aufsichtsratsmitglieder erschweren.
Investoren mit am Drücker
Eine Verkürzung der Amtszeit von fünf auf drei Jahre lehnt die Bundesregierung ab. „Aufsichtsratsmitglieder müssen, um den Vorstand effektiv kontrollieren zu können, im Unternehmen selbst Erfahrung sammeln. Diese Expertise im Unternehmen können sie erst nach einer gewissen Zeit als Aufsichtsratsmitglieder aufbauen. Ein zu kurzer Zeitraum kann hier sogar einer wirkungsvollen Überwachung entgegenwirken“, heißt es in der Antwort (Bundestagsdrucksache 19/26185).
Der Gesellschaftsrechtler Christoph Seibt, der als Partner der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zahlreiche Unternehmen berät, hält bei allem Lob der Bundesregierung in einzelnen Themen Anpassungen für überlegenswert, um Forderungen von Investoren nachzukommen. Die vom Wirtschaftsprüfer und Multi-Aufsichtsrat Rolf Nonnenmacher geleitete Kodex-Kommission habe die Diskussion zu Punkten wie Mitwirkung des Aufsichtsrats bei strategischen Themen, Informationsaustausch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, Professionalität und Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, Diversität in den Führungsebenen sowie Vorstandsvergütung strukturiert, kanalisiert und vernünftige Lösungen formuliert, meint der Jurist. Schwachpunkt bleibe jedoch „die leider immer noch relativ geringe Bedeutung des Kodex, in einer Sandwich-Position zwischen aktivem Gesetzgeber und Richtlinien von großen Fonds und Stimmrechtsberatern“. Seibt bezieht mit Blick auf die fünfjährige Amtszeit von Aufsichtsräten eine andere Position und verweist auf entsprechende Forderungen von Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern. Es sollte diskutiert werden, ob nicht beispielsweise eine Verkürzung auf vier Jahre bei zeitlichem Versatz der Amtszeiten – Stichwort: Staggered Boards – ein dem Umfeld angepasstes Konzept wäre, schlägt er vor. In diese Richtung seien schon die Unternehmen SAP, Aareal Bank und zuletzt Siemens gegangen. „Die Balance zwischen personeller Erneuerung einerseits und Aufbau eines unternehmensspezifischen Know-hows und personeller Kontinuität andererseits bedarf in Zeiten hoher Unsicherheit und disruptiver Entwicklungsschübe einer Neujustierung“, gibt er zu bedenken.
Strenges Haftungsregime
In der Frage der Managerhaftung unterstützt der Berater die Einschätzung der Bundesregierung. Das Haftungskonzept für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder deutscher börsennotierter Unternehmen gehöre zu den international strengsten Regelungen: „Haftung für einfache Fahrlässigkeit, Beweislastumkehr zulasten der Organmitglieder, keine Haftungsbegrenzung, zehn Jahre Verjährung“ führt er hier ins Feld. „Das hat in der Tat vor allem bei Unternehmen in stark regulierten Branchen und mit hoher US-Exposition dazu geführt, dass zum einen D&O-Versicherungsschutz in ausreichender Höhe schwer zu erreichen ist und in dieser Folge zum anderen auch die Zahl der Aufsichtsratskandidaten zuweilen sehr begrenzt ist“, resümiert Seibt.