Rom schiebt Entscheidung über Autobahnen erneut auf

Aktionäre von Atlantia und Aspi höchst besorgt

Rom schiebt Entscheidung über Autobahnen erneut auf

bl Mailand – Italiens Regierung hat die Entscheidung über einen Entzug der Konzession des Autobahnbetreibers Autostrade per l’Italia (Aspi) erneut verschoben. Es blieb zunächst unklar, ob es nur um einen Aufschub von wenigen Stunden geht. Nachdem Premierminister Giuseppe Conte bei seinem Besuch in Berlin am Montag davon gesprochen hatte, dass es nötig sei, “diejenigen zu bestrafen, die dafür verantwortlich sind” und ankündigte, “morgen (Dienstag) endlich eine Entscheidung zu fassen”, war eigentlich für Dienstag ein Konzessionsentzug erwartet worden. Rom wirft der Tochter des Infrastrukturkonzerns Atlantia Mitschuld am Einbruch der Autobahnbrücke von Genua im August 2018 vor, bei dem 43 Menschen starben.Die Sozialdemokraten haben ihren Widerstand gegen einen Entzug aufgegeben. Parteichef Nicola Zingaretti gab sich enttäuscht über die Zugeständnisse von Aspi. Der Autobahnkonzessionär hat höhere Investitionen, mehr Geld für die Wartung des 3 000 Kilometer langen Netzes, eine Senkung der Mautgebühren sowie die Abgabe der Mehrheit an Aspi, an der Atlantia 88 % der Anteile hält, angeboten. Es ist vor allem die Regierungspartei 5 Stelle, die auf einen Konzessionsentzug dringt.Offen ist, wer im Fall eines Konzessionsentzugs die Verantwortung für das Autobahnnetz übernimmt. Selbst die staatliche Straßenbaugesellschaft Anas zeigt sich zurückhaltend. Auf jeden Fall käme es bei einer Übertragung an den Staat oder einen anderen Konzessionär zu weiteren Verzögerungen bei Wartung und Investitionen. Ohnehin ist die Region Ligurien mit dem großen Hafen Genua derzeit wegen Wartungsarbeiten an Brücken und Tunnels, die vom zuständigen Ministerium verfügt wurden, praktisch vom Rest Italiens abgeschnitten. Wegen der Sperrung großer Autobahnabschnitte kommt es zu Megastaus.Ein Konzessionsentzug hätte unabsehbare Folgen auch für die 7 000 Arbeitsplätze bei Aspi. Dem Unternehmen und seiner Muttergesellschaft Atlantia, an der die Familie Benetton 30 % der Anteile hält, droht womöglich der Konkurs, wenn ihrer Cash-cow, die etwa 3 Mrd. Euro zum Umsatz von 11,6 Mrd. Euro (2019) beiträgt, die Konzession entzogen würde. Das gilt umso mehr, als infolge der Coronaviruskrise die Mauteinnahmen ohnehin drastisch eingebrochen sind. Zudem hat die Regierung vor wenigen Monaten einseitig die Entschädigungszahlung im Fall eines Konzessionsentzugs von 23 auf 7 Mrd. Euro reduziert. Das reicht nicht aus, um die Aspi-Schulden zu bedienen, und noch weniger die von Atlantia von 19 Mrd. Euro. Der Aktienkurs, der am Montag noch um 15 % nachgegeben hatte, erholte sich dennoch am Dienstag leicht.Besorgnis hat ein möglicher Konzessionsentzug auch in Berlin und Peking ausgelöst. Aspi-Aktionären wie Allianz und Silk Road (China) und Atlantia-Anteilseignern wie HSBC, Lazard oder GIC würde ebenso schwerer Schaden entstehen wie den 17 000 Kleinaktionären. Juristen geben Atlantia bzw. Aspi gute Chancen, im Fall einer Klage gegen einen Konzessionsentzug zu obsiegen, obwohl eine Mitschuld Aspis wegen mangelnder Wartung und der Manipulation von Untersuchungsberichten wahrscheinlich, juristisch aber nicht festgestellt ist. Auch die staatliche Aufsicht dürfte versagt haben.Möglicherweise setzt Rom einen staatlichen Kommissar ein, und/oder die staatliche Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) übernimmt die Mehrheit. – Personen Seite 12