Rückruf für 238 000 Daimler-Diesel
Der Vito war nur der Anfang. Daimler muss auf Anordnung des Bundesverkehrsministeriums 238 000 Diesel-Pkw in Deutschland zurückrufen und will dagegen Widerspruch einlegen. Die Daimler-Belegschaft fürchtet, dass das Abgasproblem bei Daimler noch größere Dimensionen einnimmt. igo Stuttgart – Die Bundesregierung hat Daimler zum Rückruf von 238 000 Diesel-Pkw verpflichtet. Die Autos müssten “unverzüglich” zurückgerufen werden, da in ihnen eine “unzulässige Abschalteinrichtung” verbaut sei. Europaweit seien 774 000 Diesel-Pkw betroffen. Das teilte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Montagabend nach einem Gespräch mit Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche in Berlin mit. Neben dem Transporter Vito sind nun auch die Volumenmodelle C-Klasse sowie eine Variante des Geländewagens GLC betroffen. “Daimler erklärt darüber hinaus, dass mit maximalem Abarbeitungstempo und in kooperativer Transparenz mit den Behörden die vom Bund beanstandeten Applikationen in der Motorsteuerung beseitigt werden”, so Scheuer weiter. Der Minister hatte Zetsche bereits Ende Mai nach Berlin beordert, nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Rückruf von rund 4 900 Mercedes-Transportern wegen zwei unzulässigen Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung angeordnet hatte. Daimler will die beiden Rückrufe zwar umsetzen, dagegen aber Widerspruch einlegen. “Offene Rechtsfragen werden noch im Widerspruchsverfahren geklärt”, sagte ein Sprecher am Montagabend. Daimler ist der Auffassung, die bemängelten Einstellungen seien legal und will diese Position im Zweifel auch vor Gericht vertreten. Ein von Scheuer ins Spiel gebrachtes Bußgeld von bis zu 5 000 Euro je betroffenes Auto sei indes vom Tisch, bestätigte der Sprecher. Bereits vor Zetsches zweitem Besuch in Berlin wurden auch aus der Industrie Forderungen nach einer transparenten und schnellen Aufklärung des Abgasskandals laut. Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte den bisherigen Umgang der Autokonzerne und ihrer Manager mit der Sache. “Wer Fehler gemacht hat, sollte sie benennen, sich entschuldigen und sie abstellen, also Verantwortung übernehmen, um endlich Vertrauen zurückzugewinnen”, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er hätte sich nach Bekanntwerden der Verstöße mehrfach ein anderes Verhalten gewünscht, da der Image- und Vertrauensschaden für die gesamte deutsche Industrie groß sei. “Der Umgang mit Fehlern, auch betrügerischer Art, hat viele in der Politik und auch viele Verbraucher zu Recht ärgerlich gemacht – übrigens auch viele in den Unternehmen”, sagte Kempf weiter. Selbst der Branchenverband VDA schlug kritische Töne an. “Ich verstehe, dass der Bundesverkehrsminister Klarheit will. Das ist auch unser Interesse”, so VDA-Präsident Bernhard Mattes. Die Branche müsse “Fehler der Vergangenheit aufarbeiten”. Sein Vorgänger, Matthias Wissmann, war bei den Verbandsmitgliedern im vergangenen Jahr auch deshalb in Ungnade gefallen, weil er im Sommer angesichts des Kartellvorwurfs gegen Pkw-Hersteller “ein Surfen in rechtlichen Grauzonen” als inakzeptabel bezeichnete und eine “kulturelle Neudefinition” bei den betroffenen Unternehmen forderte. Zetsche hatte sich in Folge “überrascht über die Stellungnahme” gezeigt. Öffentliche Kritik an Wissmann aus der Branche hatte es zuvor nicht gegeben.Die Daimler-Beschäftigten sorgt vor allem, dass das Ausmaß von Verfehlungen im Zusammenhang mit dem Thema Abgas noch größer sein könnte als bisher angenommen. “Wir erleben in allen Werken derzeit deutlich, dass mit jeder neuen Nachricht das Vertrauen abnimmt”, sagte der Betriebsratsvorsitzende des Motorenwerks in Untertürkheim, Wolfgang Nieke, der “Stuttgarter Zeitung”. Die Belegschaft sei sich “nicht mehr sicher, ob sie den Erklärungen, dass es bei Daimler keine Defeat Devices gibt, noch länger glauben kann”, so Nieke. Auf diese Aussage Zetsches, die er kurz nach Bekanntwerden des Betrugs bei VW geäußert hatte, hätten sich die Beschäftigten verlassen. Eine offene Aufklärung gebe es intern nicht, weil das Management zunächst gegenüber der Behörden Klarheit schaffen müsse. Mitte Juni stehen jedoch Betriebsversammlungen an. “Da werden die Beschäftigten Antworten hören wollen”, so Nieke.