RWE besiegelt Kohleausstieg bis 2030
ab Köln
RWE hat sich mit der Bundesregierung und der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen darauf verständigt, den Ausstieg aus der Kohleverstromung im Rheinischen Revier auf 2030 vorzuziehen. Juristisch festgezurrt ist der um acht Jahre beschleunigte Kohleausstieg damit zwar noch nicht, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor der Presse ausführte. Erforderlich dafür sind gesetzliche Änderungen. Ein Rückzieher ist jedoch für keinen der Beteiligten denkbar.
Gleichwohl verfügt die Bundesregierung über die Möglichkeit, den Zeitplan aus Gründen der Versorgungssicherheit noch einmal abzuändern, wie RWE-Chef Markus Krebber erläuterte. Bis spätestens 2026 könne die Regierung entscheiden, ob die letzten Kraftwerke noch bis Ende 2033 in die Sicherheitsbereitschaft überführt werden. Dabei geht es um Kraftwerkskapazitäten mit einer Gesamtleistung von 3 600 Megawatt (MW). Umgekehrt bleiben die Kraftwerksblöcke Neurath D und E (Gesamtkapazität: 1 200 MW) über das Jahresende hinaus am Netz, um angesichts der Gasknappheit einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten. Die Aussetzung der Außerbetriebnahme gilt bis Ende März 2024. Bis Ende 2023 kann die Bundesregierung auch hier über eine Verlängerung oder Überführung in die Kraftwerksreserve bis längstens März 2025 entscheiden.
Zusätzliche Entschädigungen werde RWE für den vorgezogenen Ausstieg nicht erhalten, sagte Krebber. Allerdings müssten die für den Kohleausstieg bis 2038 vereinbarten Entschädigungen gezahlt werden und das dazugehörige Beihilfeverfahren „schnellstmöglich“ abgeschlossen werden. Mit dem vorgezogenen Ausstieg werde RWE den CO2-Reduktionsplan auf den 1,5-Grad-Pfad anpassen können. Mit der Vereinbarung erhalte RWE zudem Planungssicherheit und Klarheit, das sei ein Wert an sich. Auch die Anteilseigner von RWE seien an einem zügigen Kohleausstieg interessiert, baute der RWE-Chef etwaigen Einwänden von Aktionärsseite vor.
Mit dem Vorziehen des Kohleausstiegs bleiben 280 Mill. Tonnen Braunkohle in der Erde und im Tagebau Garzweiler die Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath erhalten. Die unter der Siedlung Lützerath liegende Kohle wird hingegen benötigt, um die Kraftwerke in der Energiekrise mit Braunkohle zu befeuern.
Krebber mahnte an, dass die Bundesregierung die erforderlichen Rahmenbedingungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien sowie zum Bau zusätzlicher Gaskraftwerke schaffen müsse. Die modernen Gaskraftwerke sollen perspektivisch auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Ein vollständiger Betrieb eines Gaskraftwerks mit Wasserstoff sollte technologisch bis 2035 machbar sein, sagte Krebber. Bis 2030 dürfte ein Betrieb zur Hälfte mit Erdgas und zur Hälfte mit Wasserstoff möglich sein.
Mit Blick auf den weiteren Ausbau des Portfolios an Erneuerbaren arbeite RWE daran, das Ausbauziel von 1 Gigawatt (GW) in NRW aufzustocken, versicherte Krebber. Das Rheinische Revier soll dabei einen Schwerpunkt bilden. Zudem wollen die Essener neue Gaskraftwerkskapazitäten im Umfang von 3 GW zubauen. Hierfür seien Standorte von Kohlekraftwerken in NRW vorgesehen. Allerdings benötige das Unternehmen dafür Klarheit über die Vergütung der flexiblen Kraftwerke, deren Einsatz nur zum Spitzenausgleich vorgesehen ist.
Andernorts, namentlich in den USA, gibt es nach Einschätzung von RWE dagegen schon heute „einen stabilen und verlässlichen Rahmen für saubere Energien“, den sich die Essener mit dem Kauf des Geschäfts mit Erneuerbaren von Con Edison erschließen wollen. Für 6,8 Mrd. Dollar (Unternehmenswert) soll Con Edison Clean Energy Businesses (CEB) erworben werden. Der Kaufpreis entspreche einem Ebitda-Multiple von 11.
Zur Finanzierung greift RWE zunächst auf einen Brückenkredit zurück, der anschließend teilweise durch Eigenkapital in Form einer Pflichtwandelanleihe abgelöst wird. Zeichnen will den Mandatory im Volumen von 2,43 Mrd. Euro der Staatsfonds aus Katar, die Qatar Investment Authority (QIA). Die Wandelanleihe soll eine Laufzeit von bis zu einem Jahr haben. Nach der Wandlung brächte es QIA auf eine Beteiligung an RWE von gut 9 % und wäre damit – je nach Zählweise der kommunalen Aktionäre – der größte Einzelaktionär. Der restliche Kaufpreis soll mit Fremdkapital finanziert werden. An der für 2022 geplanten Dividende von 0,90 Euro werde nicht gerüttelt, versicherte Krebber.
Der aktivistische RWE-Aktionär Enkraft Capital kritisierte, dass RWE sich verstärkt in den USA engagiere, während die deutschen Stromkunden nicht mehr wüssten, wie sie den Strom bezahlen sollten. Krebber betonte, dass die Akquisition keinerlei Einfluss auf das Investitionsverhalten in Europa haben werde. Vielmehr stellte er in Aussicht, die Investitionspläne in Deutschland womöglich aufzustocken. „Der Engpass ist nicht das Kapital.“
Namhafte Größe in USA
Con Edison CEB ist vorwiegend im Geschäft mit Fotovoltaik unterwegs. Von der installierten Kapazität von 3 GW entfallen 90 % auf Solaranlagen, wie es heißt. Mit der Akquisition, die im ersten Halbjahr 2023 abgeschlossen werden soll, kann RWE die installierte Kapazität in den USA auf 7,2 GW nahezu verdoppeln. Hinzu kommt eine Entwicklungspipeline von mehr als 7 GW. Mit Con Edison CEB schieben sich die Deutschen in den USA auf Platz 4 der Erzeuger erneuerbarer Energien und auf Platz 2 unter den Solaranlagenbetreibern. Unangefochtene Nummer 1 unter den Solaranlagenbetreibern bleibt Nextera mit einer installierten Kapazität von 58 GW.
Wertberichtigt Seite 2