RWE nah an Marktbeherrschung

Kartellamt untersucht Position des Stromkonzerns - Nach Atom- und Kohleausstieg oft "unverzichtbar"

RWE nah an Marktbeherrschung

RWE ist für die ausreichende Stromerzeugung in Deutschland oft unverzichtbar, hat aber noch keine marktbeherrschende Stellung. So lautet das Ergebnis der aktuellen Analyse des Bundeskartellamts. Doch im Zuge des Atomausstiegs und der Beendigung der Kohleverstromung könnte sich das bald ändern.cru Frankfurt – RWE hat nach der Analyse des Bundeskartellamts in der Stromerzeugung eine Position an der Schwelle zur Marktbeherrschung. “RWE ist derzeit zwar nicht marktbeherrschend, steht aber vergleichsweise nahe an der Beherrschungsschwelle”, erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Der Konzern sei erneut in einer erheblichen Anzahl von Stunden für die Deckung der Stromnachfrage unverzichtbar. “Bereits eine relativ geringfügige weitere Verknappung der Angebotskapazitäten im Zuge des Atom- und Kohleausstiegs könnte dazu führen, dass RWE die Schwelle zur Marktbeherrschung überschreitet.” So wird beispielsweise EnBW Ende 2019 den Block 2 des Kernkraftwerks Philippsburg abschalten.Die Analyse der Behörde basiert auf den Kraftwerksdaten für die zwölf Monate bis Ende September 2019. RWE hatte im September grünes Licht von den Kartellwächtern für die Übernahme der Ökostromsparten des Wettbewerbers Eon und der ehemaligen RWE-Tochter Innogy erhalten. Damals sagte Mundt: “Das Thema Marktmacht in der Stromerzeugung dürfte im Zuge der bevorstehenden Abschaltung der letzten Atomkraftwerke und des geplanten Kohleausstiegs perspektivisch wieder an Bedeutung gewinnen.” Bereits im Februar hatte das Bundeskartellamt das Vorhaben von RWE freigegeben, eine Minderheitsbeteiligung von 16,7 % an Eon zu erwerben.RWE verfügt mit 23 Gigawatt über 25 % der Kapazität, erzeugt aber mit 106 Terawattstunden 30 % der Menge. Die in vielen anderen Märkten aussagekräftige Höhe der Marktanteile – der größte Stromerzeuger RWE produziert rund 30 % der Menge – ist laut Bundeskartellamt für die Erfassung der Marktmachtverhältnisse auf dem Stromerstabsatzmarkt allerdings nur eingeschränkt geeignet. Grund seien dessen Besonderheiten: die fehlende Speicherbarkeit von Strom, eine kurzfristig sehr unelastische Nachfrage sowie die systemische Bedeutung der Gesamtbedarfsdeckung und Versorgungssicherheit. Nur RWE unverzichtbarNach den vom Bundeskartellamt durchgeführten Analysen ist derzeit allein RWE in einem erheblichen Teil der Zeit für die Deckung der Nachfrage unverzichtbar, dies jedoch noch nicht in einem die Annahme der Marktbeherrschung rechtfertigenden Umfang. Die Analysen zeigten jedoch auch, dass sich eine marktbeherrschende Stellung von RWE bereits bei einer vergleichsweise geringfügigen weiteren Verknappung der Marktverhältnisse ergeben könnte. Dann stiege die Bedeutung des verbleibenden größten Anbieters überproportional.Nach den Befunden kommt auf dem Stromerstabsatzmarkt derzeit allein RWE als mit Abstand führender Anbieter für eine marktbeherrschende Stellung in Betracht. EnBW und Leag folgen mit weitem Abstand an zweiter und dritter Stelle. Die Berechnungen haben ergeben, dass RWE zwar in einem nicht unerheblichen Anteil der Zeit, aber sehr wahrscheinlich in weniger als 5 % der Stunden unentbehrlich ist. Erst bei einem künftigen Überschreiten dieser Schwelle wäre von einer marktbeherrschenden Stellung auszugehen.Der Kurs der RWE-Aktie reagierte am Donnerstag mit einem Plus von zeitweise 0,4 % auf 26,35 Euro. Damit hat sich der Börsenwert des europaweit drittgrößten Ökostromerzeugers seit Anfang 2017 verdoppelt auf 15 Mrd. Euro. Größter Aktionär ist die Stadt Dortmund.