Harte Einschnitte

Sanierungstarifvertrag von Thyssenkrupp Steel steht

Schwere Geburt: Nach langwierigen Verhandlungen haben sich Thyssenkrupp Steel und die IG Metall auf Eckpunkte eines Sanierungstarifvertrags verständigt. Die Finanzierungsfrage ist aber immer noch ungeklärt.

Sanierungstarifvertrag von Thyssenkrupp Steel steht

In den frühen Morgenstunden des ersten Ferientags in Nordrhein-Westfalen haben sich Thyssenkrupp Steel und die IG Metall auf einen Sanierungstarifvertrag verständigt. Die Detailarbeit steht noch aus, die entsprechenden betrieblichen Vereinbarungen sollen bis Ende September stehen, teilte Thyssenkrupp Steel mit. Die Verhandlungsparteien hatten seit Mittwoch zusammengesessen. Der Sanierungstarifvertrag „Neuaufstellung Stahl“ soll die Zukunft von Deutschlands größtem Stahlhersteller sichern. Er läuft bis September 2030.

Die Umsetzung des „Vertragswerks“ steht nach den Angaben noch unter Zustimmungsvorbehalt der IG Metall-Mitglieder bei Thyssenkrupp Steel. Vor der Gewerkschaft liegt also noch ein hartes Stück Arbeit, ist die Vereinbarung doch mit harten Einschnitten verbunden. Erklärtes Ziel beider Parteien sei es, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Das heißt allerdings nicht, dass Werksschließungen verhindert werden. Dennoch reklamiert die Gewerkschaft für sich: „Betriebsbedingte Kündigungen sind vom Tisch und Garantien für Standorte und Investitionen in die Anlagen gibt es auch.“

Finanzierungsfrage noch offen

Außerdem steht noch die Vereinbarung über die zukünftige Finanzierung des Unternehmens aus. Das ist Sache der Obergesellschaft Thyssenkrupp. Diese Gespräche dürften jetzt nach Abschluss des Sanierungstarifvertrags aufgenommen werden. „Wir sind an die Schmerzgrenze gegangen. Jetzt muss auch die Thyssenkrupp AG ihren Teil der Finanzierung zur Neuaufstellung des Stahls zusagen“, forderte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol.

Aus Sicht des Unternehmens ist wichtig, dass die Vereinbarungen nicht von den Annahmen abweichen, die im Business Case getroffenen wurden. Auf diesem Weg werde das Sanierungsgutachten (IDW-S6) – es geht um eine positive Fortführungsprognose – nicht gefährdet. Mit dem neuen Tarifvertrag soll „eine mittelfristig eigenständige und wirtschaftlich wettbewerbsfähige Aufstellung“ der Stahlsparte gelingen.

Personalkosten dauerhaft senken

Die wesentlichen Themen des Tarifvertrags sind Anpassungen im Produktionsnetzwerk und Personalanpassungen – zum einen durch Stellenstreichungen, zum anderen durch die Auslagerung von Geschäftsbereichen. Rein rechnerisch kommt es wie im vorigen November angekündigt zum Abbau von gut 11.000 Stellen. 1.600 Stellen entfallen durch die Anpassungen im Produktionsnetzwerk, also die Stilllegung von Produktionsaggregaten. 3.700 Beschäftigte fallen Effizienzmaßnahmen zum Opfer. Weitere 4.000 Stellen sollen ausgegliedert oder verkauft werden. On top kommen 500 Beschäftigte, die in bereits verkauften Geschäften tätig sind. Eingerechnet sind zudem 1.500 Beschäftigte von HKM. Für sie kann Thyssenkrupp Steel keinen Tarifvertrag verhandeln, denn die Stahlsparte von Thyssenkrupp ist nur mit 50% an der Gesellschaft beteiligt.

Doch die Einschnitte gehen weiter, sollen die Personalkosten doch dauerhaft gesenkt werden. Dazu gehören u.a. die Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld und die verpflichtende Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 34 auf 32,5 Stunden mit entsprechendem Lohnverzicht. Durchschnittlich muss jeder Beschäftigte auf 8% seines Jahreseinkommens verzichten. Damit werde jährlich ein kleiner dreistelliger Millionenbetrag eingespart, sagte Personalvorstand Dirk Schulte. Obwohl der Sozialplan noch im Details ausgearbeitet werden muss, sagte er: „Jetzt ist ein Haken dahinter.“ Die IG Metall sprach davon, dass es gelungen sei, die anfänglich vom Management geforderten Einsparungen in der Größenordnung von 200 Mill. Euro „nahezu halbiert“ zu haben. Über die Kosten der Sanierung schwieg sich der Vorstand aus.

„Extrem schwerer Gang“

Die Anpassungen im Produktionsnetzwerk beginnen zu Anfang des im Oktober anlaufenden Geschäftsjahres mit der Stilllegung eines Hochofens und sollen zum Ende des Geschäftsjahre 2028/29 abgeschlossen sein. Marie Sophie Jaroni, die im Vorstand die Transformation verantwortet, sprach von „von einem wichtigen Meilenstein für die Zukunftsfähigkeit“ des Unternehmens. Sie machte kein Hehl daraus, dass es sich „um harte Einschnitte“ handele. „Wir bauen überschüssige Kapazitäten ab, verbessern die Effizienz und können so ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau erzielen.“ „Es war für die Arbeitnehmervertreter ein extrem schwerer Gang“, sekundierte Schulte.

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