Saudi Aramco arbeitet an Einstieg bei Reliance

Beteiligung für 15 Mrd. Dollar - Weltgrößter Ölkonzern zahlt trotz Gewinneinbruch weiter hohe Dividende

Saudi Aramco arbeitet an Einstieg bei Reliance

md Frankfurt – Saudi Aramco arbeitet nach eigenen Angaben weiter am Abschluss eines 15-Mrd.-Dollar-Deals, der dem größten Ölkonzern der Welt eine 20-%-Beteiligung am Raffinerie- und Chemiegeschäft der indischen Reliance Industries bringen würde. “Wir stehen noch in Verhandlungen mit Reliance”, sagte CEO Amin Nasser, der dem Unternehmen seit fünf Jahren vorsteht. “Wir werden unsere Aktionäre in Kürze über den Stand informieren.” Konsenserwartung verfehlt Die Weiterverfolgung des Akquisitionsvorhabens ist insofern überraschend, als die Einnahmen von Aramco durch den dieses Jahr stark gefallenen Ölpreis deutlich gesunken sind. Wie der zu 98,5 % vom Staat kontrollierte saudi-arabische Konzern mitteilte, ist der Nettogewinn im zweiten Quartal im Jahresvergleich um über 73 % auf 6,57 Mrd. Dollar gefallen. Analysten hatten mit mehr Gewinn gerechnet. Da Aramco bekräftigte, an der Politik hoher Ausschüttungen festzuhalten, hatten Beobachter vermutet, die Gespräche mit Reliance sowie andere Investitionsprojekte seien vorerst auf Eis gelegt worden. Für diese Annahme sprach zudem, dass Mitte Juli der Chairman von Reliance, Mukesh Ambani, gesagt hatte, dass sich “eine Transaktion” wegen unvorhersehbarer Umstände im Energiemarkt und der Covid-19-Situation verzögert habe. Ambani, einer der reichsten Menschen der Welt, hatte 2019 erklärt, Aramco sei am Kauf eines 20-prozentigen Anteils an den Raffinerie- und petrochemischen Aktivitäten von Reliance interessiert. Dabei werde eine Bewertung von 75 Mrd. Dollar für 100 % des Geschäftes zugrundegelegt.Ein Abkommen mit Reliance würde die weltweite Nummer 1 der Ölexporteure auch in der Rangliste der größten Raffineure und Chemieproduzenten weit nach vorn bringen. Im ersten Halbjahr hatte Aramco den Kauf eines 70-%-Anteils am zuvor ebenfalls staatlichen Chemie- und Metallkonzern Sabic (Saudi Basic Industries Corporation) für rund 70 Mrd. Dollar abgeschlossen. Erfolgreich ist Aramco mit ihrer Downstream-Einheit (Verarbeitung, Transport, Verkauf) bislang allerdings nicht: Immerhin sank der Verlust vor Zinsen und Steuern im zweiten Quartal im Vergleich zur Vorjahreszeit von 866 auf 344 Mill. Dollar.Ein Abschluss mit Reliance würde Aramco einen großen Schritt auf dem Weg voranbringen, die Raffineriekapazitäten wie geplant auf 8 Mill. bis 10 Mill. Barrel pro Tag mehr als zu verdoppeln. Ende 2019 lagen die Kapazitäten erst bei 3,6 Mill. Barrel. Doch Aramco kommt voran: In Saudi-Arabien wird noch dieses Jahr eine Raffinerieanlage mit einer Kapazität von 400 000 Barrel pro Tag in Betrieb genommen. Zudem gehört dem Konzern die größte Raffinerie in den USA. In China steht Aramco vor der Gründung mehrerer Joint Ventures zum Bau von Raffinerien.Durch die Covid-19-Pandemie und die von den Regierungen weltweit getroffenen Gegenmaßnahmen (u.a. Lockdowns) war die Ölnachfrage in der zweiten Hälfte des ersten Quartals sowie im zweiten Jahresviertel eingebrochen. Der Preis für ein Barrel Brent (159 Liter) war von rund 60 Dollar Mitte Februar auf 18 Dollar Mitte April gerutscht. Durch die leichte Erholung der Weltwirtschaft in den vergangenen Wochen sowie Förderkürzungen durch die Opec hat sich der Preis inzwischen wieder auf etwa 45 Dollar erholt.Aramco braucht Geld, denn der Konzern hält trotz deutlich gesunkener Gewinne und hoher Investitionen an seiner Politik kräftiger Ausschüttungen fest – und will dafür notfalls sogar Schulden aufnehmen. Allein für das zweite Quartal soll eine Dividende von insgesamt 18,75 Mrd. Dollar gezahlt werden. Nasser bekräftigte zudem, dass die Aktionäre für das Gesamtjahr 75 Mrd. Dollar erhalten sollen. Schon im Juni hatte der Konzern angedeutet, er könne Anleihen begeben, um die Dividenden zu finanzieren. Der CEO wies zudem darauf hin, dass Aramco noch über eine nicht gezogene Kreditlinie von 10 Mrd. Dollar verfüge.Aramco hatte beim Börsengang im Dezember 2019 nur 1,5 % der Aktien verkauft. Nach Schätzungen des IWF wird Saudi-Arabien dieses Jahr ein Haushaltsdefizit von mehr als 12 % ausweisen. Das Land benötigt nach früheren Angaben einen Ölpreis von 83 Dollar pro Barrel, um den Haushalt ohne Kreditaufnahme zu finanzieren. Aramcos Dividenden werden also von der Regierung gebraucht. – Wertberichtigt Seite 6