Lindt Sprüngli

Schokoladen-König macht Kasse

Verwaltungsratspräsident Ernst Tanner zieht beim Schweizer Schokoladenkonzern Lindt & Sprüngli seit bald 30 Jahren die Fäden. Der Manager ist im Juli 75 Jahre alt geworden, und das Ende einer Erfolgsära naht. Die gehäuften Aktienverkäufe könnten ein Indiz dafür sein.

Schokoladen-König macht Kasse

dz Zürich

„Die Ära Ernst Tanner geht für Lindt & Sprüngli zu Ende.“ Die Schlagzeile liegt schon länger in der Luft. Wann sie reif wird weiß niemand – außer Tanner selbst. Zwar zeigt sich der charismatische und überaus erfolgreiche Verwaltungsratspräsident des Schweizer Schokoladenkonzerns bei seinen meist verkaufsgetriebenen öffentlichen Auftritten stets sonnengebräunt und gut in Schuss. Doch das ändert nichts am Umstand, dass der Manager im Juli gerade 75 Jahre alt geworden ist. In vielen Unternehmen hätte er damit die Altersgrenze bereits überschritten.

Walter Kielholz, der langjährige Swiss-Re-Präsident, hatte sein Amt im Frühjahr an den zehn Jahre jüngeren Ex-UBS-Chef Sergio Ermotti übergeben. Obschon Kielholz erst 70 ist, war sein Abgang in den Augen vieler Beobachter überfällig. Bei Tanner sind die gleichen Beobachter aus dem Finanzmarkt etwas nachsichtiger. Der Manager gilt als Legende. Seine Arbeit und sein Erfolg haben nicht nur ihn selbst, sondern auch ungezählte Investoren reich ge­macht. Tanner war 1993 als CEO zu Lindt & Sprüngli gestoßen, um ein Jahr später auch das Verwaltungsratspräsidium zu übernehmen. Seither ist der Börsenwert des Unternehmens um den Faktor 36 auf aktuell 26 Mrd. sfr gestiegen. Der Umsatz hat sich verfünffacht, Gewinn und Dividende vervielfacht.

Per Ende 2020 besaß Tanner ge­mäß dem Geschäftsbericht 3067 Na­menaktien, 10191 stimmrechtslose Partizipationsscheine und 2500 PS-Opti­onen. Der Marktwert dieses Portefeuilles beträgt aktuell fast 450 Mill. sfr.

Lindt & Sprüngli ist bekannt dafür, das Management im großen Stil mit Beteiligungsrechten zu vergüten. Nach der Zuteilung bleiben die Titel für drei bis fünf Jahre gesperrt, und bei Nichtausübung verfallen sie nach sieben Jahren. Es ist deshalb üblich, dass das Lindt-&-Sprüngli-Management jedes Jahr an der Börse Kasse macht.

Doch an so viele Verkäufe wie in den vergangenen drei Monaten können sich auch ausgefuchste Börsenprofis kaum erinnern. Geschäftsleitungsmitglieder und/oder exekutive Mitglieder des Verwaltungsrats haben seit Anfang Juni vorwiegend Partizipationsscheine im Wert von über 40 Mill. sfr veräußert.

Einen wesentlichen Anteil an den Transaktionen dürfte Tanner gehabt haben. Er besitzt fast dreimal so viele Titel wie alle anderen Verwaltungsräte und die gesamte Konzernleitung zusammen. Eine entsprechende Anfrage beantwortet Lindt & Sprüngli mit dem Hinweis, dass an den Verkäufen bis zu 13 Personen beteiligt gewesen sein könnten.

Die Vermutung liegt aber auf der Hand, dass Tanner nun seinen endgültigen Rückzug vorbereitet. Schon im vergangenen Jahr ließ er sich seine jährliche Entschädigung als Verwaltungsratspräsident um ein Drittel auf 2 Mill. sfr kürzen. Der „einvernehmlich“ erfolgte Schnitt trage Tanners reduziertem exekutiven Pensum Rechnung, hieß es im Geschäftsbericht.

„Guter Moment“

Patrik Schwendimann, Finanzanalyst bei der Zürcher Kantonalbank, wertet die Wertpapierverkäufe aber nicht als zuverlässiges Indiz für einen bevorstehenden Rücktritt des ungekrönten Schweizer Schoggi-Königs. Die Aktien hätten nach dem Einbruch im Corona-Jahr 2020 wieder neue Höchststände erreicht. Bewertungsmäßig bewegen sich die Titel auf einem historischen Höchststand. „Das ist ein guter Moment, um Gewinne teilweise mitzunehmen“, sagt Schwendimann.

Lindt & Sprüngli betont ebenfalls, die Verkäufe stünden in „engem Zusammenhang“ mit dem Management-Vergütungssystem. Personelle Veränderungen seien „zurzeit“ keine vorgesehen. Das kann sich freilich rasch ändern.

Wie die Investoren reagieren, wenn Tanners Rückzug doch noch Tatsache werden sollte, ist offen. Über die vom Konzern geplante Führungsnachfolge ist öffentlich kaum etwas bekannt.

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