SGL hofft auf Luftfahrtgeschäft

Kooperation mit Solvay - Tiefrote Zahlen - "Strategische Ausrichtung stimmt"

SGL hofft auf Luftfahrtgeschäft

hek Frankfurt – Der kriselnde Kohlefaserspezialist SGL Carbon baut in seiner neuen Mittelfristplanung auf die Wachstumsmärkte Luftfahrt, Elektromobilität, Brennstoffzelle und Digitalisierung. Für den Zeitraum 2020 bis 2024 peilt das Management eine jährliche Umsatzausweitung um einen mittleren bis hohen einstelligen Prozentsatz an. “Die finanzielle Entwicklung überdeckt, dass die strategische Ausrichtung stimmt”, versichert Vorstandssprecher Michael Majerus. Dank neuer Aufträge und Kooperationen sei die Produktpipeline stärker gefüllt als zuvor. Der Zielwert für die Umsatzrendite der Geschäftsbereiche liegt bei mindestens 12 % vor Zinsen und Steuern, der für die Kapitalrendite bei 9 bis 10 %.Die jüngere Vergangenheit und die Gegenwart sehen dagegen eher trist aus. Unter dem Strich verbuchten die Wiesbadener im vergangenen Jahr 90 Mill. Euro Verlust, für die vor allem Wertberichtigungen verantwortlich sind. Insbesondere das Carbonfasergeschäft enttäuschte aufgrund der schwachen Entwicklung in den Segmenten textile Fasern, Windenergie und Industrieanwendungen. Die Grafitspezialitäten erzielten nach Firmenangaben ein Rekordergebnis.Für 2020 erwartet der Konzern Nettoverluste im niedrigen zweistelligen Mill.-Euro-Bereich. Das um Sonderfaktoren bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) soll um 10 bis 15 % schrumpfen. 2019 ging diese Kennzahl bereits auf 48,4 Mill. Euro zurück (2018: 64,6 Mill. Euro). Das Ergebnis sei qualitativ aber besser als im Vorjahr, betont Finanzvorstand Majerus, der seit dem Rücktritt von Jürgen Köhler zum 31. August 2019 den Konzern führt. Zum neuen CEO wurde Torsten Derr berufen, der Anfang Juli antritt. Die Ausbreitung des Coronavirus habe im Januar und Februar keine materiellen Auswirkungen verursacht, sagt Majerus. In China gebe es Einflüsse, aber dieser Markt sei für SGL sehr klein. Die Folgen der Krise für die globalen Lieferketten könne man derzeit nicht abschätzen. Die Aktie stürzte am Donnerstag bis zu 15 % ab, konnte das Minus bis Handelsende aber bei extrem schwachem Gesamtmarkt auf 8 % begrenzen. Seit Herbst 2017 ist der Titel um gut 80 % eingebrochen. Folge ist, dass SGL den Kleinwerteindex SDax verlassen muss.Wachstumstreiber wie E-Mobilität, Brennstoffzelle und Siliziumkarbid-Halbleiter etwa für Industrie-4.0- oder 5G-Anwendungen seien stärker als je zuvor, meint Majerus. Die strategische Ausrichtung hat SGL neu justiert: Zum einen werden Investitionen vom Geschäft mit Anodenmaterial für Lithium-Ionen-Batterien zu den weniger kapitalintensiven Brennstoffzellenkomponenten verlagert. Zum anderen setzt der Konzern statt eines Alleingangs nun auf eine Kooperation mit dem Chemiekonzern Solvay, um den Eintritt in den wichtigen Luftfahrtmarkt zu beschleunigen. SGL hat hierfür eine neue Carbonfaser entwickelt, während der belgische Partner die Expertise für die Herstellung von Prepreg-Harzsystemen einbringt. “Die Luftfahrt ist der größte und wichtigste Markt für Carbonfaser-Verbundwerkstoffe”, sagt Majerus. “Da müssen wir hin.” Den Umsatz mit Brennstoffzellenkomponenten will SGL mittelfristig auf 100 Mill. Euro verfünffachen. Zudem berichtet Majerus von bedeutenden Aufträgen für E-Auto-Batteriegehäuse.Der freie Mittelabfluss aus fortgeführten Geschäften sei 2019 von 58,5 Mill. Euro auf 17,3 Mill. Euro gesunken, betont Majerus. Strukturell, also bei Investitionen auf Höhe der Abschreibungen, sei der Free Cash-flow positiv. Bis 2023 sei der Konzern durchfinanziert. Der Verschuldungsgrad (Nettofinanzverbindlichkeiten zu Ebitda) kletterte von 1,9 auf 2,4, während die Eigenkapitalquote von 33,5 % auf 27,8 % sank. Die Dividende dürfte laut den Andeutungen des Vorstands auf absehbare Zeit weiter ausfallen.