Warnung vor Milliardenverlust

Siemens Energy stellt Strategie auf den Prüfstand

Siemens Energy stimmt die Investoren auf einen hohen Verlust im laufenden Geschäftsjahr ein. Allein die Beseitigung der Qualitätsmängel bei der spanischen Siemens Gamesa werde 1,6 Mrd. Euro kosten.

Siemens Energy stellt Strategie auf den Prüfstand

Massive Technik- und Kostenprobleme bei der spanischen Windkraft-Tochter Gamesa drücken Siemens Energy im laufenden Geschäftsjahr mit rund 4,5 Mrd. Euro in die roten Zahlen. Das teilte der Konzern am Montag nach einer eingehenden Analyse der Qualitätsmängel bei Windrädern von Siemens Gamesa für den Einsatz an Land und der Probleme beim Hochlauf der Produktion von Windanlagen auf hoher See mit. "Unsere Ergebnisse des dritten Quartals zeigen die Herausforderungen beim Turnaround von Siemens Gamesa", sagte Vorstandschef Christian Bruch. Nun will der Vorstand die Strategie im Wind-Geschäft insgesamt auf den Prüfstand stellen, das seit Jahren Negativ-Überraschungen und Verluste produziert.

"Aufgrund der Entwicklungen bei Siemens Gamesa überprüfen wir den aktuellen Strategie- und Maßnahmenplan im Windgeschäft", hieß es in der Mitteilung. Einzelheiten dazu will Bruch im November vorstellen. Allein bei Siemens Gamesa dürften im Geschäftsjahr 2022/23 (bis Ende September) 4,3 Mrd. Euro Verlust auflaufen. Bisher hatte Siemens Energy für den Konzern schon mit einem Minus von mehr als 800 Mill. Euro gerechnet. Darin waren 500 Mill. Euro Rückstellungen für Garantie- und Wartungskosten enthalten, weil Teile an den Windrädern gehäuft ausfielen. Ende Juni ahnte Siemens Energy, dass das Ausmaß der Schäden größer sein würde als gedacht und warnte vor zusätzlichen Belastungen in Milliardenhöhe bei der Windkraft-Tochter.

Nun sieht Vorstandschef Christian Bruch klarer: Rund 1,6 Mrd. Euro werde es kosten, die Schäden an Rotorblättern und Lagern bei den Onshore-Plattformen 4.X und 5.X von Siemens Gamesa zu beheben, teilte das Unternehmen mit. Die Turbinen liefen aber, die Reparaturen sollen größtenteils 2024 und 2025 stattfinden. Als Konsequenz will sich Siemens Gamesa von einigen Lieferanten trennen.

Feste Preise als Verlustgeschäft

600 Mill. Euro veranschlagt Siemens Energy für die aus dem Ruder laufenden Material- und Beschaffungskosten bei Offshore-Windrädern und den holprigen Hochlauf, bei dem Fabriken auf größere Turbinen umgerüstet und Mitarbeiter angelernt werden müssen. Gamesa hat, wie die Konkurrenz, mit den Kunden feste Preise vereinbart. Doch nun entpuppen sich viele Aufträge als verlustträchtig, weil den Herstellern die Kosten für Stahl und Energie davonlaufen.

Dazu kommen negative Steuereffekte: Siemens Energy kann Verlustvorträge in Höhe von 700 Mill. Euro vorerst nicht mehr nutzen, so lange nicht absehbar ist, wann der Konzern wieder schwarze Zahlen schreibt. Im vierten Quartal geht der Vorstand rechnerisch von operativen Verlusten von mindestens 600 Mill. Euro aus.

Umsatz bricht im dritten Quartal ein

Trotz eines riesigen Auftragseingangs rechnet Siemens Gamesa für das Geschäftsjahr 2022/23 allenfalls mit einem stagnierenden Umsatz. Im dritten Quartal brach er um 12% ein, obwohl sich der Auftragseingang auf 7,4 (3,5) Mrd. Euro mehr als verdoppelte, unter anderem wegen Großaufträgen für Offshore-Anlagen. Das drückt das erwartete Umsatzwachstum im Konzern auf 9 bis 11% (bisher 10 bis 12%). Auch das Ergebnis vor Sondereffekten von Siemens Energy dürfte nun tiefrot ausfallen; bisher hatte der Konzern wenigstens noch mit einer Marge von 1% gerechnet.

Im dritten Quartal fiel ein Nettoverlust auf 2,9 (Vorjahr: minus 0,6) Mrd. Euro an, der Umsatz stieg vergleichbar um 8% auf 7,5 Mrd. Euro. Dabei läuft das restliche Geschäft mit konventioneller Energietechnik und Stromnetzen gut. In der Gaskraftwerkssparte etwa schnellte der Umsatz um mehr als ein Fünftel nach oben, der Gewinn vervielfachte sich auf 291 Mill. Euro. Die Netzsparte legte beim Umsatz 19% zu und drehte operativ ins Plus. Beide waren vor einem Jahr durch den Rückzug aus Russland in Mitleidenschaft gezogen worden. "Die starke Leistung der übrigen Geschäftsbereiche gibt mir das Vertrauen in die Fähigkeit unseres Unternehmens, Geschäfte wieder wirtschaftlich erfolgreich aufzustellen", sagte Bruch.