SIEMENS ZIEHT BILANZ

Siemens erhöht Dividende trotz sinkenden Gewinns

Ausschüttungsquote steigt über vorgegebenes Band - Herausragendes viertes Quartal lässt Konzern erneut alle Jahresziele erreichen - Software-Geschäft boomt

Siemens erhöht Dividende trotz sinkenden Gewinns

mic München – “Sie sehen heute einen gelassenen und zufriedenen Finanzvorstand”: Mit diesen Worten leitet Siemens-Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser, mit Blick auf den neben ihm sitzenden Ralf Thomas, die Jahrespressekonferenz ein. Seine Begründung: “Denn wir können – vor allem relativ gesehen – auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2019 zurückblicken.” Schließlich habe Siemens, obwohl sich die Abschwächung der Weltwirtschaft deutlich beschleunigt habe, alle Ziele erreicht – und zwar im sechsten Jahr in Folge: “Auf diese Serie können wir stolz sein.”Tatsächlich wurden die drei zentralen Prognose-Größen erfüllt. Erstens stieg der Umsatz auf vergleichbarer Basis, also ohne Portfolio- und Währungseffekte, um 3 % auf 87 Mrd. Euro (siehe Tabelle). Siemens hatte ein moderates Wachstum angekündigt, dies wird in München als ein Plus von 3 % bis 5 % verstanden. Der Auftragseingang erhöhte sich mit 6 % noch stärker, so dass der Auftragsbestand auf den Rekordwert von 146 Mrd. Euro stieg. Die Relation von Auftragseingang zu Umsatz lag bei 1,13. Kaeser deutete an, dass er im angelaufenen Geschäftsjahr mit einem weniger dynamischen Auftragseingang rechnet. Niedrige Kapitalrendite Zweitens stieg die Ergebnismarge in den industriellen Sparten (ohne Aufwand für Personalrestrukturierung) von 11,3 % auf 11,5 %. Sie landete damit in der Mitte des Zielkorridors von 11 % bis 12 %. Noch besser schnitt Siemens – drittens – beim Ergebnis pro Aktie ab. Es landete mit 6,93 Euro (ohne Aufwand für Personalabbau) am oberen Ende der Prognosespanne von 6,30 Euro bis 7,00 Euro. Im Vorjahr hatte es, wenn zwei Sondergewinne herausgerechnet werden, 6,01 Euro betragen.Unter dem Strich allerdings dominieren Rückgänge das Bild. So sank der Gewinn nach Steuern um 8 % auf 5,6 Mrd. Euro. Kaeser erklärte dies mit den zwei Sondergewinnen von 1,5 Mrd. Euro im Vorjahr (Osram-Aktienverkauf, Atos-Anteil-Übertrag). Der Anteil des Gewinns, der auf die Siemens-Aktionäre entfällt, sank sogar um 11 % auf 5,2 Mrd. Euro. Die außenstehenden Aktionäre, etwa von Healthineers, erhielten einen größeren Teil vom Kuchen: 474 Mill. Euro statt zuvor 313 Mill. Euro.Nicht thematisiert wurde vom Vorstand auf der Jahrespressekonferenz, dass das mittelfristige Ziel einer Kapitalrendite von 15 % bis 20 % in die Ferne rückt. Die Rendite sank im vergangenen Geschäftsjahr von 12,6 % auf 11,1 %.Der Vorstand hat sich allerdings entschlossen, dies und den Gewinnrückgang die Aktionäre nicht spüren zu lassen. Schließlich mussten die Anteilseigner einen extrem schlechten Kursverlauf im vergangenen Geschäftsjahr hinnehmen. Siemens blieb weit unter den Indizes Dax und Euro Stoxx, aber auch unter der Performance der meisten Wettbewerber – erst seit August zieht der Kurs an.Daher hob Siemens zum sechsten Mal in Folge die Dividende pro Aktie an. Dafür musste sogar die Ausschüttungsquote leicht über das übliche Maß erhöht werden. Eigentlich sollen die Anteilseigner zwischen 40 % und 60 % des Gewinns erhalten. Diesmal sind es 61 % – zuvor hat der Konzern in diesem Jahrzehnt kein einziges Mal die Bandbreite überschritten. Die Dividende pro Aktie wird um 0,10 Euro auf 3,90 Euro erhöht. Die Dividendenrendite (auf Basis des Kurses am 30. September) betrage 4,0 %, sagte Kaeser.Zum Abschluss des Geschäftsjahres gelang Siemens ein herausragendes viertes Quartal. Der Umsatz stieg auf vergleichbarer Basis um 6 % und damit doppelt so schnell wie im Schnitt des Jahres. Die Ebita-Marge (ohne Personalrestrukturierung) lag mit 12,5 % nochmals um 0,5 Punkte höher als im ebenfalls guten Vorjahr. Dafür sorgte nicht nur das Medizintechnik-Unternehmen Healthineers, das seine Zahlen am Montag präsentierte hatte (vgl. BZ vom 5. November), sondern vor allem die Sparte Digitale Industrien. “Siemens Digital hat wirklich ein ganz fantastisches viertes Quartal gehabt”, lobte Thomas. Während der Umsatz um 4 % zulegte, schnellte das operative Ergebnis um 15 % auf 792 Mill. Euro in die Höhe. Treiber war das margenstarke Software-Geschäft, das den Umsatz – allerdings auch dank eines Großauftrags – um 21 % steigerte. Geteilte Welt der DivisionenDieser Sprung ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens sank im Quartal die Nachfrage im kurzzyklischen Fabrikautomatisierungs- und Motion-Control-Geschäft, das besonders hohe Margen hat. Zweitens hatte die Sparte im dritten Quartal viel Kritik einstecken müssen, weil damals ein Gewinnrückgang das Bild verhagelte. Die Vermutung: Siemens habe zu spät auf die Abkühlung reagiert. Thomas stellte nun mit Blick auf die Marge von 19,5 % fest: “Sie zeigt, dass unser erfahrenes Management-Team um Klaus Helmrich in der Lage ist, auch kurzfristig auf veränderte Marktbedingungen konsequent einzugehen.”Der Blick auf die Divisionen zeigt eine geteilte Siemens-Welt. Nur die zwei Sparten Konventionelle Kraftwerke und Siemens Gamesa, die das künftige Unternehmen Siemens Energy bilden, haben ihre Margenziele klar verfehlt (siehe Grafik). Ein Sonderlob des Vorstand erhielt von den übrigen vier Sparten die Bahntechnik. Thomas sprach von einer einzigartigen Erfolgsserie.Für Personalabbau gab Siemens 619 Mill. Euro aus nach 754 und 385 Mill. Euro in den Vorjahren. Thomas erklärte, 500 Mill. Euro seien auf das operative Geschäft entfallen.