Softwarekonzern SAP baut Frankreich-Engagement aus

150 Mill. Euro pro Jahr in Forschung und Entwicklung - Übernommenes Start-up Recast.AI bringt Spracherkennung voran

Softwarekonzern SAP baut Frankreich-Engagement aus

Von Sebastian Schmid, FrankfurtIn der Computerindustrie gibt es wenige bahnbrechende Entwicklungen in der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Nach Tastatur, Maus und Touchscreen soll mit der Sprachsteuerung nun die nächste Revolution folgen. Apple, Amazon, Google und Microsoft bieten zwar entsprechende Produkte an. Den Durchbruch hat aber auch das Who’s who noch längst nicht geschafft.Auch der Softwarekonzern SAP ist in dem Feld unterwegs und hat sich mit Recast.AI frisches Know-how ins Haus geholt. “Die Recast-Technologie setzt an dem Punkt auf, an welchem Sprache schon in Text übersetzt worden ist”, erklärt Markus Noga, der bei SAP den Bereich Machine Learning leitet, in den das französische Start-up künftig eingegliedert wird. Damit setzt Recast dort an, wo das Problem der Spracherkennung liegt: dem Sprachverständnis. Der Weg bis zu einer echten, offenen Konversation scheint zwar noch weit, aber von Recast verspricht sich SAP rasche Fortschritte. “Wir haben mit Recast Prototypen gebaut, bevor wir uns entschieden haben, in intensivere Gespräche einzusteigen. Produkt und Team haben uns dabei voll überzeugt, so dass wir zu dem Schluss gekommen sind, dass eine Akquisition sinnvoll ist”, sagt Noga der Börsen-Zeitung. Überzeugt habe, dass Recast bei Chat – “dem bevorzugten Medium der Millennials” – sehr stark sei. Recast habe eine “kollaborative Umgebung” geschaffen, in der Entwickler gemeinsam an Chatbots arbeiteten. Das Ökosystem mit 30 000 Entwicklern habe bereits über 60 000 Chatbots entwickelt. “Diese Community (…) ermöglicht es, die Werkzeuge für Entwickler schnell und kontinuierlich weiterzuentwickeln”, glaubt Noga.Darüber hinaus hat SAP am Montagabend weitere Investitionen in Frankreich verkündet. So soll dort das zweite SAP-Start-up-Zentrum in Europa eröffnet (SAP.iO Foundry) sowie in den nächsten fünf Jahren 150 Mill. Euro jährlich in Forschung und Entwicklung gesteckt werden. “In Frankreich stehen die Zeichen auf Wachstum”, ist CEO Bill McDermott überzeugt. Präsident Emmanuel Macrons Einsatz für die digitale Welt sei wichtig, um Frankreichs Rolle als globaler Innovationsführer zu stärken. SAP strebt an, im Nachbarland Technologiepartnerschaften in den Bereichen maschinelles Lernen, Blockchain, Internet der Dinge und Software as a Service auszubauen.Innovation verspricht sich SAP auch von Recast. “Wir wollen diese Technologie in alle Produkte der SAP einbringen, um noch schneller eine flächendeckende Chat- und Sprachinteraktion zu ermöglichen”, erklärt Noga. Ein Partner, der profitieren könnte, ist etwa Google, die neben Chiphersteller Nvidia zu den Firmen gehört, mit denen SAP im Bereich maschinelles Lernen kooperiert. Ein erstes integriertes Produkt von SAP und Recast, das neue Fähigkeiten hinzufüge, soll auf der Kundenmesse Sapphire im Juni gezeigt werden. Details ließ der SAP-Manager offen. Generell werde die Technologie aber zu Beginn “in unsere Flaggschiffprodukte einfließen wie die S/4HANA Business Suite, die so auch mit Sprache bedienbar und erlebbar werden soll”, kündigt er an. Zeitnah sollen dann andere Produkte folgen. “Die Bereiche, die sich um den Endkunden drehen, werden zu den ersten gehören, die wir mit Recast bedienen”, so Noga.Die Zahl der von Recast unterstützten Sprachen – bislang gut 20 – soll rasch steigen. “Weitere Sprachen hinzuzufügen geht über Deep Learning heute sehr schnell. Früher hätte man dafür vielleicht einige Computerlinguisten für ein paar Jahre dransetzen müssen. Heute füttern wir das System mit Trainingsbeispielen und kommen sehr viel schneller voran.”Im Vergleich zur Konkurrenz sieht Noga SAP vor allem dank der Integration im Vorteil: “Wir denken, es ist für unsere Kunden am besten, Sprachinteraktion und andere moderne Technologien direkt in der Geschäftslösung bereitzustellen.” So seien diese nicht auf ein Stückwerk verschiedener Systeme angewiesen, das aufwendig individuell gewartet werden müsse. Die Geschwindigkeit, in der Recasts Technologie in SAP-Produkte integriert wird, hänge von den Produktteams ab. Das erste Interesse daran sei aber sehr hoch, versichert Noga.