Sorge um Domino-Effekt durch Großinsolvenzen
Sorge um Domino-Effekt durch Großinsolvenzen
Analyse von Allianz Trade sieht Westeuropa im „Epizentrum“ – Zollkonflikte haben Auswirkung auf laufende Sanierungen
Die Insolvenzprognose von Allianz Trade sieht für Deutschland auch im laufenden Jahr weiter steigende Fallzahlen vor. Sorgen bereiten Analysten insbesondere die zahlreichen Großinsolvenzen. Sie gehen mit hohen Schäden einher und könnten entlang der Lieferkette einen Domino-Effekt auslösen.
sar Frankfurt
Bei den Unternehmensinsolvenzen zeichnet sich für das laufende Jahr keine Entspannung ab. Die Analysten der Kreditversicherungsgruppe Allianz Trade haben ihre Insolvenzprognose im jüngsten Update nach oben korrigiert: Nach einem Anstieg von 10% im Jahr 2024 gehen sie für 2025 nun von einem weltweiten Zuwachs von 8 bis 9% aus. Zuvor war ein Anstieg um 6% angenommen worden. Als Grund für die Korrektur nennt Allianz Trade die Auswirkungen des Handelskriegs.
Die Folgen des Zollstreits werden derzeit in vielen laufenden Restrukturierungen zu einem entscheidenden Faktor, beobachtet Riaz Janjuah, Partner im Bereich Restrukturierung & Insolvenz bei Linklaters. „Vielfach müssen Sanierungskonzepte neu berechnet werden. Das kann beispielsweise dazu führen, dass sich ein höherer Finanzierungsbedarf ergibt oder gar die Sanierungsfähigkeit infrage steht.“
Vielfach müssen Sanierungskonzepte neu berechnet werden.
Riaz Janjuah, Linklaters
In der Bundesrepublik dürften die Insolvenzen laut Allianz Trade 2025 im Vergleich zum Vorjahr sogar um 11% auf 24.400 Fälle zulegen. Besondere Sorgen bereitet den Analysten dabei die anhaltend hohe Zahl an Großinsolvenzen. Diese gehen mit besonders hohen Schäden einher – und bergen zudem die Gefahr von Folgeinsolvenzen entlang der Lieferkette.
Handelskonflikt verschärft Lage
Weltweit zählt Allianz Trade in der Umsatzklasse ab 50 Mill. Euro im ersten Quartal weltweit 122 Großinsolvenzen, das entspricht im Schnitt mehr als einer Insolvenz am Tag und ist für einen Jahresauftakt der höchste Wert seit 2015. Zudem steigen die Schäden: Der Gesamtumsatz der insolventen Großkonzerne ist im Vergleich zum Vorjahresquartal um 7% auf 43 Mrd. Euro gestiegen.

Westeuropa liege dabei im „Epizentrum der großen Insolvenzen“, schreiben die Analysten. 61% der Großinsolvenzen im ersten Quartal entfielen auf Westeuropa, davon 16 auf Deutschland. Damit liegt der Wert leicht unter dem Vorjahr, das mit insgesamt 87 Großinsolvenzen allerdings „einen Negativ-Rekord bei den Großinsolvenzen in Deutschland“ aufwies, wie Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz, einordnet. Er geht für 2025 von einer konstant hohen Zahl der Großinsolvenzen aus und warnt vor den Folgen: „Bei deren Zulieferern reißen diese besonders große Löcher in die Kassen – mit möglichen Dominoeffekten auf die Lieferketten“, sagt Bogaerts.
Einzelhandel besonders betroffen
In Deutschland sind im ersten Quartal drei große Unternehmen aus dem (textilen) Einzelhandel sowie drei Kliniken unter den Großinsolvenzen zu finden. Die Branchen Automotive sowie Chemie sind mit je zwei Konzernen vertreten. Die kumulierten Umsätze der insolventen Großunternehmen aus den ersten drei Monaten beziffert die Analyse auf insgesamt 2,2 Mrd. Euro, der durchschnittliche Umsatz je insolventem Unternehmen liegt damit bei 135 Mill. Euro.
Als eine der größten deutschen Insolvenzen des ersten Quartals führt die Restrukturierungsberatung Falkensteg mit einem geschätzten Umsatz von 315 Mill. Euro die Insolvenz in Eigenverwaltung von Gerry Weber. Die dritte Restrukturierung des Modehauses binnen sechs Jahren endete vor wenigen Tagen mit einem Verkauf der Markenrechte im Zuge eines Asset Deals nach Spanien.
Schwierige Asset Deals
Der Weg zu einem erfolgreichen Asset Deal wird Janjuah zufolge beschwerlicher: „Viele Distressed-M&A-Investoren werden zurzeit mit Kaufangeboten geradezu überhäuft, sehen dann aber nur wenige Fälle, in denen sie vom Asset und seinem Geschäftsmodell wirklich überzeugt sind“, berichtet er. „Insolvenzverwalter stehen dann oft vor der schwierigen Situation, dass sie nur einen oder zwei ernsthafte Kaufinteressenten haben.“
Über alle Umsatzgrößen hinweg dürften die Insolvenzzahlen auch 2026 weiter steigen, erwarten die Analysten von Allianz Trade. Weltweit gehen sie für das kommende Kalenderjahr von einem Zuwachs von 5% aus. 2026 wäre dann seit 2022 das fünfte Jahr mit steigenden Insolvenzen in Folge.
Auch Deutschland muss 2026 noch mit steigenden Zahlen rechnen, die Insolvenzprognose kalkuliert mit einem Anstieg um 3%. Darin ist berücksichtigt, dass das Finanzpaket für Infrastruktur und Verteidigung die negativen Folgen durch US-Zölle zumindest in Teilen auffangen dürfte.