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Spielekonsolen schlagen ihre letzte Schlacht

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 19.11.2020 Die beiden Pandemie-Gewinner aus Japan heißen Nintendo und Sony, die Hersteller der Spielekonsolen Switch und Playstation. Die Lockdowns zwingen viele Menschen in die eigenen vier Wände, zur...

Spielekonsolen schlagen ihre letzte Schlacht

Von Martin Fritz, TokioDie beiden Pandemie-Gewinner aus Japan heißen Nintendo und Sony, die Hersteller der Spielekonsolen Switch und Playstation. Die Lockdowns zwingen viele Menschen in die eigenen vier Wände, zur Zerstreuung benutzen sie Konsolenspiele. Zwischen April und September verdreifachte Nintendo den Nettogewinn auf ein historisches Hoch. Das Spiel “Animal Crossing – New Horizons” verkaufte sich in diesem Zeitraum 26 Millionen Mal, so schnell wie kein anderer Premierentitel. Im Gesamtjahr (bis 31.3.) will Nintendo 24 Millionen Switch absetzen, mehr als in jedem der drei Jahre zuvor.Bei Sony wuchsen in den sechs Monaten ab April der Umsatz der Game-Sparte um 22 % und ihr operativer Gewinn um 65 %. Vom auslaufenden Konsolenmodell Playstation 4 verkaufte man noch 3,4 Millionen Stück. Beim Online-Erstverkauf des Nachfolgers Playstation 5 (PS5) im September – wegen Covid-19 wollte Sony lange Warteschlangen vermeiden – waren alle verfügbaren Exemplare in wenigen Minuten ausverkauft. Zum Verkaufsstart in Deutschland am heutigen Donnerstag liegt keine einzige PS5 in den Läden. Bis Ende März will Sony jedoch 7,6 Millionen Stück absetzen, obwohl Microsoft das Konkurrenzgerät Xbox Series X weltweit parallel lanciert hat.Anders als Microsoft ist Sony langfristig auf den Erfolg der Playstation angewiesen. Mit dem Gamegeschäft generiert der Konzern laut der angehobenen Jahresprognose 31 % der Einnahmen und 43 % des Betriebsgewinns – trotz hoher Investitionen in die PS5 sowie der Verluste, die dadurch entstehen, dass der Verkaufspreis die Herstellungskosten nicht deckt. Dagegen macht Gaming bei Microsoft nur einen einstelligen Prozentsatz der Einnahmen aus.Zum Glück für Sony steht der Sieger der neuerlichen Konsolenschlacht schon weitgehend fest. Bereits beim Vorgänger PS4 hatten die Japaner die Nase weit vorn. Seit dem Start im November 2013 setzten sie 114 Millionen PS4-Konsolen und über eine Milliarde Spiele ab. Der Konkurrent Xbox One verkaufte sich nicht einmal halb so gut. “Auch in der neuen Generation wird sich die Playstation gegen die Xbox durchsetzen, weil Microsoft bei der Entwicklung systemexklusiver Spiele noch eine Menge Hausaufgaben vor sich hat”, meint der deutsche Game-Analyst Serkan Toto. Anders formuliert: Nicht die Hardware entscheidet über Sieg oder Niederlage, dafür liegen die technischen Eigenschaften von PS5 und Xbox Series X wie Arbeits- und Massenspeicher zu nah beieinander – auch wenn Sony sich durch die sensorischen Spezialeffekte ihres “Dualsense”-Controllers einen kleinen Vorteil verschafft.Der langfristige Erfolg einer Konsole beruht darauf, dass während ihrer Lebenszeit immer wieder neue attraktive und exklusive Spiele erscheinen. Solche “System Seller” mit Einzelpreisen von neuerdings bis zu 70 Dollar schaffen den notwendigen Anreiz, die Konsole zu kaufen. Und bei Spielen besitzt Sony dank exklusiver Partner das überlegene Arsenal, derzeit beginnend mit “Spiderman: Miles Morales”. 2021 folgen das Update des Autorennen-Spiels Grand Turismo 7, die Fortsetzung “Rift Apart” des Dauerbrenners “Ratchet & Clank” und die neue Folge “Forbidden West” des Action-Rollenspiels “Horizon”. Solche Titel verschlingen bis zu dreistellige Millionen-Budgets und beschäftigen Tausende Designer, Programmierer und Schauspieler über viele Monate. Dagegen hat Microsoft kein einziges Premierenspiel für die Xbox Series X vorbereitet, mit “Halo Infinite” kommt ein möglicher Hit erst 2021.Allerdings schwebt über den Konsolen von Sony, Microsoft und Nintendo ein doppeltes Damoklesschwert – Gaming auf dem Smartphone sowie direkt übers Internet. Schon heute ist der 150 Mrd. Dollar schwere Game-Markt zweigeteilt: Smartphone-Games stehen 2020 laut Marktforscher Newzoo für knapp die Hälfte der Umsätze, forciert von dem Trend, dass Spiele wie “Fortnite” mit sozialen Medien verschmelzen. Knapp ein Viertel gehört den Konsolen, der Rest findet auf Desk- und Laptop-Computern statt. Vor dem Verkaufsstart der Switch hatte Nintendo angekündigt, zwei bis drei Smartphone-Spiele jährlich zu veröffentlichen. Das weckte hohe Erwartungen, weil Nintendo über starke Marken wie “Supermario” und “Pokemon” verfügt. Aber der Switch-Boom bremste Nintendos Ehrgeiz für das Smartphone. Im Geschäftsjahr 2020 machte Mobile Gaming weniger als 4 % der Einnahmen aus. Streaming im KommenZugleich gefährdet das Streaming von Spielen das Geschäftsmodell der Konsolen. Neue Plattformen wie Tencent Games, Google Stadia und demnächst Luna von Amazon graben Sony, Microsoft und Nintendo das Wasser ab. Zwar betreiben die drei Hersteller eigene Spielenetzwerke, aber damit bedienen sie nur die Besitzer und Käufer ihrer Konsolen. Mit der wachsenden Bandbreite und Geschwindigkeit der Internetverbindungen wächst die Wahrscheinlichkeit, das von Servern ausgelieferte Spiele zum Nutzer-Erlebnis von Konsolen aufschließen. “Am Ende des Lebenszyklus der PS5 könnte Cloud-Gaming so ausgereift sein, dass die Entwicklung einer Playstation 6 keinen Sinn mehr ergibt”, meint Analyst Toto. Von einer letzten Schlacht will man bei Nintendo bisher nichts wissen. Vielmehr mehren sich die Spekulationen, dass eine Pro-Version der Switch geplant ist. Dagegen dürfte sich Sony erst einmal darauf konzentrieren, die ganze Macht zugunsten der PS5 auszuspielen.