Stimmrechtsberater unterstützen Verbleib von Winkeljohann an AR-Spitze von Bayer
ab Düsseldorf
Nach der Watschen im Vorjahr, als die Aktionäre mehrheitlich (75,9%) den Vergütungsbericht von Bayer ablehnten, hat sich der Aufsichtsrat in diesem Jahr einiges einfallen lassen, um die Anteilseigner gnädiger zu stimmen. Die Anpassungen im Vergütungsbericht, allen voran die Kürzung der kurzfristigen variablen Komponente für den Ende Mai scheidenden Vorstandschef Werner Baumann, sind dabei ein wichtiger Baustein. Bedeutsamer aus Aktionärssicht dürfte jedoch sein, dass der Aufsichtsrat im Februar mit Bill Anderson einen neuen CEO bestellte, der von außen kommt. Denn die Kritik an Baumann, der Bayer mit der Übernahme von Monsanto hohen Rechtsrisiken ausgesetzt und damit angreifbar gemacht hat, wollte einfach nicht verstummen.
Erst Anfang des Jahres hatten aktivistische Investoren publikumswirksam Radau gemacht, um ihrer Forderung nach einem vorzeitigen CEO-Wechsel Nachdruck zu verliehen. Anfang April zog Anderson in den Vorstand ein, im Juni übernimmt er den Stab von Baumann. In der Hauptversammlung am 28. April wird sich Anderson somit erstmals präsentieren, Fragen beantworten wird er aber sicher nicht. Zwar hat sich der „Neue“ kürzlich vor Journalisten dahingehend geäußert, dass er hinsichtlich struktureller Veränderungen – der Ruf nach einer Zerschlagung des Konzerns war zuletzt vernehmlich lauter geworden – keine Option vom Tisch nehme, mit einem Schnellschuss sollte jedoch nicht gerechnet werden.
Die Baumann-Nachfolge noch vor der Hauptversammlung zu regeln, war für Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann von entscheidender Bedeutung, endet seine Amtszeit doch mit der diesjährigen Hauptversammlung. Da sich der einstige Europa- und Deutschlandchef von PwC zur Wiederwahl stellt, war der Wechsel an der Vorstandsspitze eine conditio sine qua non. Um das Kontrollgremium auch künftig leiten zu können, galt es für Winkeljohann aber auch so manche Kritik zu akzeptieren und Besserung zu geloben. Vollständig überzeugt sind die einflussreichen Stimmrechtsberater jedoch nicht. Während Glass Lewis die Zustimmung zu allen Tagesordnungspunkten empfiehlt, rät ISS abermals, den Vergütungsbericht abzulehnen. Das sei der beste Weg, um der Unzufriedenheit mit der Vorstandsvergütung Ausdruck zu verleihen. Immerhin raten beide Proxy Advisor zur Wiederwahl von Winkeljohann in den Aufsichtsrat und damit auch an die AR-Spitze.
Deutsche Fondsinvestoren haben sich zuletzt deutlich kritischer bezüglich der Wiederwahl von Winkeljohann geäußert. Sie stellen in Frage, ob Winkeljohann angesichts seiner diversen Mandate, er ist u.a. stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei der Deutschen Bank, seinem Mandat bei Bayer ausreichend Aufmerksamkeit widmet.
Zwar räumt Glass Lewis ein, dass es hinsichtlich des Entlastungsbeschlusses für den Vorstand verschiedene Sichtweisen gebe, dennoch sei es nicht im Aktionärsinteresse die Entlastung zu verweigern. Moniert wird auch, dass die Beschlüsse nicht im Wege der Einzelentlastung gefasst werden sollen. An dieser Stelle zeigt sich der Aufsichtsrat mit Verweis auf die übliche Marktpraxis stur.
Ausführlich Stellung nehmen die Stimmrechtsberater zum Vergütungsbericht, der im vorigen Jahr massive Kritik auf sich gezogen hatte. Dabei geht es weniger um die tatsächliche Höhe der kurzfristigen variablen Vergütungskomponente, die als im Einklang stehend mit der Geschäftsentwicklung bewertet wird. Vielmehr geht es um die Grundsatzfrage, ob Sondereffekte wie Vergleichszahlungen bei der Ermittlung der für die kurzfristige variable Vergütung relevanten Kennzahl, dem freien Cashflow, herausgerechnet werden dürfen. Bayer beharrt darauf, dass die variable Vergütung an die operative Performance gekoppelt sein sollte und Sondereffekte keine Rolle spielen dürften, da sie außerhalb der Einflusssphäre des Vorstands lägen. Dem hält Glass Lewis entgegen, dass sich Sondereffekte mit materiellen Auswirkungen auf die Aktionäre und Stakeholder auch in der Vorstandsvergütung niederschlagen müssen.
Grundsätzlich begrüßt wird, dass der Aufsichtsrat auf die Kritik im Vorjahr mit einem Aktionsplan reagierte, den Ausschuss, der sich mit den Vergütungsfragen beschäftigt, vergrößerte und den Aktionären 2024 ein überarbeitetes Vergütungssystem zur Abstimmung vorlegen will. Auf positive Resonanz stößt auch, dass der Aufsichtsrat den individuellen Performancefaktor des Vorstandsvorsitzenden mit dessen Einverständnis für 2022 um 14 Prozentpunkte reduzierte, wie es heißt in Reaktion auf das Aktionärsfeedback aus den Governance Roadshows im Vorjahr. Allerdings hinterfragen die Stimmrechtsberater von Glass Lewis, ob es sich dabei nur um einen symbolischen Akt zur Beschwichtigung der Aktionäre handelt. Zumal von der Kürzung einzig der CEO betroffen ist.
Von daher ist die empfohlene Zustimmung in diesem Jahr nicht als Freibrief sondern als Bewährungsprobe zu verstehen.