Diskussion um HV-Format reißt nicht ab

Strenges Anfechtungsregime behindert hybride Hauptversammlung

In der HV-Saison 2025 hat sich erneut Kritik am Format entzündet. Doch das von Investoren präferierte hybride Format hat einzig Redcare Pharmacy genutzt. Dafür gibt es auch rechtliche Gründe.

Strenges Anfechtungsregime behindert hybride Hauptversammlung

Strenges Anfechtungsregime behindert hybride Hauptversammlung

Aus der Dax-Familie gibt nur Redcare Pharmacy dem Aktionär die Wahl zwischen virtueller und Präsenzteilnahme – ESG-Themen verschwinden aus Blickfeld

ab Köln
Von Annette Becker, Köln

Die Hauptversammlungssaison 2025 ist so gut wie abgeschlossen. Als ein Topthema hat sich erneut das Hauptversammlungsformat entpuppt, obwohl sich Investoren und Stimmrechtsberater schon in den Vorjahren daran abarbeitetet haben. Dabei geht es sowohl um das Format selbst, als auch um die Ermächtigung zur Durchführung des Aktionärstreffens in virtueller Form. Doch so laut die Kritik in den Versammlungen auch war, so breit fiel am Ende die Zustimmung aus. In der Dax-Familie bekamen nur Siemens und Tui die entsprechenden Ermächtigungsbeschlüsse nicht durch.

Da die Hauptversammlungen der beiden Unternehmen sehr früh in diesem Jahr stattfanden, hatten die Entscheidungen jedoch Signalwirkung. „Eine Vielzahl der Unternehmen, insbesondere im Dax und MDax, sind nach wie vor zurückhaltend und begrenzen die Ermächtigung weiterhin auf zwei Jahre“, erzählt Mesut Korkmaz, Partner der Kanzlei Hogan Lovells, aus der Beratungspraxis. Teilweise werde die Entscheidung über die virtuelle Hauptversammlung inzwischen unter Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats gestellt. „Das ist ein geeigneter Mechanismus, um investorenseitig geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen“, urteilt der Anwalt.

Seine Einschätzung deckt sich mit der Vorstellung einzelner Aktionärsgruppen wie beispielsweise dem Deutschen Fondsverband BVI. Dieser erwartet die Begrenzung der Ermächtigungslaufzeit auf zwei Jahre. Demgegenüber beläuft sich die gesetzlich zulässige Dauer der Ermächtigung auf fünf Jahre. Genüge getan ist der Kritik damit jedoch nicht.

Beschlussmängelrecht in der Kritik

„Viele Investoren wünschen sich hybride Formate. Sie können sich vor Ort direkt mit den Vorständen und Aufsichtsräten austauschen – haben aber die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme, wenn die Zeit knapp ist. Diese Flexibilität wäre zeitgemäß“, sagte Katryna Krueger, Head of German Research bei ISS Governance, vor kurzem im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

„Das hybride Format hat sich bislang nicht etabliert. Im Vergleich zu den Vorteilen überwiegen der ungleich höhere Organisations- und Kostenaufwand. Zugleich ist die rechtssichere Durchführung der Hauptversammlung im hybriden Format erheblich anspruchsvoller“, sagt Anwalt Korkmaz. Die Herausforderung liege darin, sämtliche Aktionärsrechte in beiden Welten parallel sicherzustellen, virtuell und in Präsenz.

„Lediglich ein Unternehmen hat eine hybride Hauptversammlung durchgeführt. Dieses Unternehmen unterliegt aber dem niederländischen Aktienrecht, dementsprechend gilt nicht das strenge deutsche Beschlussmängelrecht“, erklärt Korkmaz und ergänzt: „Das deutsche Beschlussmängelrecht steht seit Jahren in der Kritik. Im virtuellen Format hat man dem ein Stück weit Rechnung getragen.“ Beispielsweise berechtigten technische Störungen im virtuellen Format nicht grundsätzlich zu Anfechtungen.

Ausnahme: Redcare Pharmacy

Redcare Pharmacy mit Hauptsitz in den Niederlanden war in der Hauptversammlungssaison 2025 das einzige Unternehmen aus der Dax-Familie, das dem Aktionär die Wahl ließ, ob er in Präsenz oder via Bildschirm teilnimmt.

Gerade wenn es um weitreichende Beschlüsse wie Kapital- oder Strukturmaßnahmen geht, ist die Sorge der Konzerne vor Anfechtungsklagen groß. Das zeigte sich kürzlich in der außerordentlichen Hauptversammlung von Thyssenkrupp, in der über die Abspaltung der Marinesparte entschieden wurde. Früher habe er, um eine Pause zu überbrücken, einen Schwank aus seiner Jugend erzählt, sagte Versammlungsleiter Siegfried Russwurm. Darauf wolle er diesmal lieber verzichten, um sich nicht angreifbar zu machen.

Gefahr: Anfechtungsklagen

Wenngleich die Aktionäre die Abspaltung nahezu einstimmig durchgewunken haben, ist sie rein rechtlich bis heute nicht in trockenen Tüchern. Denn noch haben Aktionäre die Möglichkeit, den HV-Beschluss anzufechten. Voraussetzung ist, dass sie zuvor Widerspruch zu Protokoll geben. Anschließend ist ein Monat Zeit, um eine Anfechtungsklage, die begründet sein muss, einzureichen. Thyssenkrupp äußert sich auf Nachfrage nicht, ob Aktionäre Widerspruch eingelegt haben.

Doch selbst wenn eine Anfechtungsklage anhängig wäre, kann der Beschluss im Wege eines Freigabeverfahrens (§246a AktG) ins Handelsregister eingetragen werden. Von dieser Möglichkeit hatte Metro 2017 bei der Aufspaltung des Konzerns in einen Lebensmittelhändler und einen Händler für Unterhaltungselektronik Gebrauch gemacht.

ESG verschwindet aus dem Blickfeld

Während das HV-Format und die Vorstandsvergütung traditionell zu den Aufregerthemen in deutschen Hauptversammlungen gehören, ist das Thema ESG deutlich in den Hintergrund gerückt. Dabei geht es vor allem um das E, das für Umweltaspekte (environmental) steht. War das sogenannte Say-on-Climate im vorigen Jahr noch in vieler Munde, ist die Diskussion inzwischen fast vollständig zum Erliegen gekommen.

Zwar mühen sich deutsche Fondsgesellschaften redlich, das Thema am Leben zu halten, doch spielt Klimaschutz spätestens seit dem Regierungswechsel in den USA allenfalls noch eine nachgeordnete Rolle. „Das Interesse an ESG-bezogenen Themen ist merklich zurückgegangen. Umwelt- und Klimathemen locken Aktivisten derzeit kaum noch aus der Deckung“, sagt Anwalt Korkmaz.