RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: STEFAN GENTZSCH

Tauwetter in Iran-Beziehungen bringt schrittweise Lockerung der Sanktionen

Im Prinzip bleibt aber das gesamte internationale Regime bestehen

Tauwetter in Iran-Beziehungen bringt schrittweise Lockerung der Sanktionen

– Herr Gentzsch, im jahrelangen Atomstreit haben sich nach zähen Verhandlungen der Iran und die 5+1-Gruppe auf den sogenannten Joint Plan of Action geeinigt. Was sind dessen Kernpunkte?Der Joint Plan of Action besteht aus zwei Elementen, dem sogenannten First Step Agreement und dem Final Step Term Sheet.- Was bedeutet das?Im ersten Schritt, dem First Step Agreement, wurde die Umsetzung vorläufiger konkreter Maßnahmen für einen Zeitraum von zunächst sechs Monaten vereinbart, der einvernehmlich verlängert werden kann. Von Ende Januar 2014 an sollen einige Sanktionen der internationalen Gemeinschaft gelockert werden. Im Gegenzug hat sich der Iran unter anderem verpflichtet, die Urananreicherung und den Bau von Anlagen zur Urananreicherung zu beschränken sowie Inspektionen durch die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO zuzulassen. Das zweite Element, das Final Step Term Sheet, beinhaltet Eckpunkte für eine dauerhafte und umfassende Lösung des Atomkonflikts. Sie soll sicherstellen, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient.- Welche Sanktionen sollen im ersten Schritt gelockert werden?Das betrifft die iranischen Ölexporte, die petrochemische Industrie, den Handel mit Gold und anderen Edelmetallen, die Automobil- und die Flugzeugindustrie sowie Geldtransfers in den Iran.- Können also Unternehmen insoweit wieder Geschäftsaktivitäten im Iran aufnehmen?Das lässt sich so allgemein nicht sagen. Im Prinzip bleibt nämlich das gesamte internationale Sanktionsregime weiterhin bestehen. Verboten bleibt nach den EU-Sanktionen beispielsweise, bestimmten Unternehmen und Personen Geldmittel oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Vereinbart wurde lediglich die Lockerung nachrangiger Sanktionen. Und auch dies nur in bestimmten Teilbereichen.- Das heißt?Beispielsweise hat die 5+1-Gruppe für iranische Erdölexporte lediglich zugesagt, die bestehenden Sanktionen nicht weiter zu verschärfen und die Rückführung iranischer Gelder aus dem Erdölexport in den Iran zuzulassen. Insgesamt bleibt die Sanktionssituation aber unverändert. Da bei Verstößen gegen das Sanktionsregime nach wie vor drastische Strafen drohen, muss in jedem Einzelfall weiterhin geprüft werden, ob solche geplanten Geschäftsaktivitäten sanktionskonform sind.- Welche Bedeutung hat der Joint Plan of Action dann?Er hat vor allem eine politische Bedeutung und ist gleichzeitig eine historische Chance. Seit Bekanntwerden des iranischen Atomprogramms im Jahr 2002 und vor allem während der Amtszeit des ehemaligen iranischen Präsidenten Ahmadinedschad wurden die internationalen Sanktionen kontinuierlich verschärft. Erst seit der Amtsübernahme des neuen Präsidenten Rohani Mitte 2013 sind der Iran und die internationale Gemeinschaft wieder in einen vorsichtigen, aber ernsthaften Dialog getreten. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Gespräche markierte die Verabschiedung des Joint Plan of Action.- Das Misstrauen auf beiden Seiten war und ist aber doch noch immer groß, oder?Ja. Das First Step Agreement kann sozusagen als Bewährungsprobe für beide Seiten bezeichnet werden. Hält sich der Iran an die eingegangenen Verpflichtungen und setzt die internationale Gemeinschaft im Gegenzug die vereinbarte Sanktionslockerung um, besteht eine realistische Chance zur Verabschiedung einer finalen, umfassenden Vereinbarung zur Beilegung des Atomkonflikts. Dies ist deshalb eine historische Chance, weil sich die Parteien seit Beginn des Atomstreits noch nie so weit angenähert haben. Während meiner jüngeren wiederholten beruflichen Aufenthalte im Iran habe ich bemerkt, dass sich mit der Wahl von Präsident Rohani unter den Iranern eine große Aufbruchstimmung breitmachte. Die Politik seines Vorgängers empfanden dagegen viele als hoffnungslos.- Wie lange wird es bis zur Verabschiedung einer umfassenden Vereinbarung dauern?Eine umfassende Vereinbarung soll innerhalb eines Jahres nach Verabschiedung des Joint Plan of Action abgeschlossen werden.—-Stefan Gentzsch ist Senior Associate im Frankfurter Büro von Clifford Chance. Er verbrachte für einen internationalen Mandanten viel Zeit bei Verhandlungen in Teheran, die zum sanktionskonformem Verhalten mit iranischen Geschäftspartnern notwendig waren. Die Fragen stellte Walther Becker.