Amazon enttäuscht Erwartungen

Tech-Riesen beunruhigen Anleger mit einseitigen Wetten

Nach den Cloud-Konkurrenten Alphabet und Microsoft kurbelt auch Amazon die KI-Ausgaben kräftig an. Zugleich bleiben Umsatz und Prognose allerdings hinter den Erwartungen zurück. Apple plant unterdessen die Aufholjagd bei der Zukunftstechnologie.

Tech-Riesen beunruhigen Anleger mit einseitigen Wetten

Tech-Riesen beunruhigen Anleger mit KI-Wetten

Amazon fährt Investitionsausgaben trotz enttäuschender Erlösentwicklung hoch – Apple setzt nach schwachen iPhone-Verkäufen auf neue ChatGPT-Features

xaw New York

Die Riesen der Technologiebranche beunruhigen ihre erfolgsverwöhnten Investoren derzeit mit großvolumigen Wetten auf künstliche Intelligenz (KI). So hat nach den Cloud-Konkurrenten Microsoft und Alphabet auch Amazon die Investitionsausgaben im zweiten Quartal hochgefahren. Die Aufwendungen für Sachanlagen schnellten gegenüber dem Vorjahr um 53,8% auf 17,62 Mrd. Dollar in die Höhe und erreichten das höchste Niveau seit 2021.

Cloud-Umsatz zieht an

Wie die Wettbewerber setzt Amazon darauf, dass der Boom um große Sprachmodelle für einen anhaltend hohen Bedarf an Computerressourcen sorgt. Eine starke Positionierung bei KI-Rechenzentren gilt damit als entscheidend für das Wachstum der Cloud-Sparten der Technologieriesen. Tatsächlich legte der Umsatz der Konzerneinheit Amazon Web Services (AWS) im zweiten Quartal um 19% auf 26,28 Mrd. Dollar zu und übertraf damit die an der Wall Street herumgereichten Schätzungen von durchschnittlich 26 Mrd. Dollar.

Microsoft macht Druck

„Wir machen anhaltend Fortschritte in verschiedenen Dimensionen, vielleicht ist aber keiner so groß wie die erneute Beschleunigung des AWS-Wachstums“, betonte CEO Andy Jassy. Noch im Vorjahr rang die Sparte damit, dass Unternehmenskunden sich in einem schwierigen Finanzierungsumfeld auf Sparkurs befanden und Microsoft mit neuen, durch Technologie des Entwicklers OpenAI unterstützten Anwendungen Druck machte.

American business executive and Chief Executive Officer (CEO) of Amazon Andy Jassy arrives at the Los Angeles Premiere Of Amazon Prime Video's „The Lord Of The Rings: The Rings Of Power“ Season 1 held at The Culver Studios on August 15, 2022 in Culver City, Los Angeles, California, United States.
Amazon-Chef Andy Jassy sieht die Cloud-Sparte AWS wieder im Aufwärtstrend. Foto: picture alliance / NurPhoto | Image Press Agency. 

Doch auch Amazon lockt Kunden mit eigenen zusätzlichen KI-Angeboten und verweist darauf, dass Anwendungen wie die Entwicklerplattform Bedrock auf großen Anklang stießen. Der Analysedienst DA Davidson geht indes davon aus, dass der Konzern bei der KI-Entwicklung in den kommenden Jahren gegenüber Microsoft und Alphabet aufholen werden. Doch fürchten Anleger, dass der Fokus darauf, die Spitzenposition im Cloud-Markt mittels milliardenschwerer Investitionen in künstliche Intelligenz zu verteidigen, zu einseitig ausfällt.

Umsatz bleibt hinter Prognosen zurück

Denn zugleich blieb der konzernweite Umsatz, der um 10% auf 148 Mrd. Dollar stieg, knapp hinter den Konsensschätzungen zurück. Schwerer wog allerdings noch, dass die Erlösprognose von 154 bis 158 Mrd. Dollar im dritten Quartal die Hoffnungen der Anleger enttäuschte. Im E-Commerce ringt der Konzern mit neuen Konkurrenten, die Plattformen Temu und Shein locken Kunden mit Billigimporten aus China und ziehen die Ausgaben der inflationsmüden US-Verbraucher an.

Amazon plant indes einen eigenen Temu-ähnlichen Ableger des eigenen Shops, über den Konsumenten besonders günstige Modeartikel, Haushaltswaren und andere Produkte beziehen können sollen. Der Konzern will Rabattaktionen auf der E-Commerce-Plattform zudem stärker hervorheben und durch eine Neuorganisation schnellere Lieferungen auch in ländlichen Gegenden Amerikas ermöglichen. Doch Amazon kämpft auch in anderen Geschäftsbereichen mit einer unerwartet schwachen Performance: Die wachstumsstärkste Konzerneinheit, die Werbesparte, steigerte die Erlöse im zweiten Quartal um 20% auf 12,77 Mrd. Dollar und blieb damit hinter den Analystenschätzungen zurück.

Explosion der Aufwendungen

Infolge der trüben Aussichten beruhigte auch der deutlich stärker als vorhergesagt ausgefallene Amazon-Gewinnsprung um 94% auf 1,26 Dollar pro Aktie die Anleger vorerst nicht. Der Titel sackte im frühen New Yorker Handel am Freitag zeitweise um nahezu 10% ab.

Der Cloud-Marktführer befindet sich damit in guter Gesellschaft. So gerieten auch die Aktien von Microsoft und Alphabet nach den jüngsten Zahlenvorlagen unter Druck. Auch hier verschreckten die hohen Investitionsausgaben die Anleger. Bei der Google-Mutter schossen die Kapitalaufwendungen im zweiten Quartal um 91,4% auf 13,2 Mrd. Dollar in die Höhe und damit stärker als erwartet. Beim Windows-Konzern zogen die Kosten für den Auf- und Ausbau von Rechenzentren um fast 78% auf 19 Mrd. Dollar an.

Wachstumsmotoren geraten ins Stottern

Der Anteil der Glorreichen Sieben – neben Alphabet und Microsoft zählen dazu Apple, Amazon, Meta Platforms, Nvidia und Tesla – an den Investitionsausgaben im S&P 500 belief sich bereits im vergangenen Jahr auf 18%. Vor zehn Jahren lag die Quote bei 5%. Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung sprang sie im gleichen Zeitraum von 15% auf 40%. Analysten betonen mit Verweis auf die Pläne der Management-Teams, dass die Anteile im laufenden Jahr noch deutlich höher ausfallen dürfte als 2022.

Zugleich geraten bei Alphabet und Microsoft allerdings wie bei Amazon die Wachstumsmotoren ins Stottern. Bei der Google-Mutter ist die Erholung des Werbegeschäfts von den Verwerfungen der Corona-Pandemie vorerst abgerissen. Bei der Konkurrentin aus Redmond, Washington, schlagen sich die Investitionen in Rechenzentren nicht in einem schnelleren Anstieg der Cloud-Erlöse nieder. 

Apple ringt mit Konkurrenz in China

Während die KI-Euphorie der Anleger gerade also einen Dämpfer erfährt, versucht Apple auf dem Zukunftsfeld zur Konkurrenz aufzuschließen. Die iPhone-Erlöse des Konzerns fielen zwischen April und Juni um 0,9% auf 39,3 Mrd. Dollar, was den zweiten Rückgang gegenüber dem Vorjahr in Folge bedeutete. Der konzernweite Umsatz, der etwas stärker als erwartet um 5% auf 85,78 Mrd. Dollar stieg, wurde dabei durch schwächere Verkäufe in China gebremst, wo Huawei Marktanteile gewinnt. Bei Apple sorgte der Anstieg des Gewinns pro Aktie um 10% auf 1,40 Dollar zunächst aber für Beruhigung, die Aktie befestigte sich nach Eröffnung an der Wall Street am Freitag.

Neuen Schwung sollen nun KI-Produkte bringen. Mit seinem auf der jährlichen Entwicklerkonferenz im Juni vorgestellten System Apple Intelligence will der Tech-Riese das Nutzererlebnis auf seinen Endgeräten stärker personalisieren und den Sprachassistenten Siri leistungsfähiger machen. Das System werde „unentbehrlich für die Produkte sein, die schon eine so wesentliche Rolle in unserem Leben spielen“, sagte CEO Tim Cook.

Kunden zu Upgrade gezwungen

Zuvor machten Aktionäre Druck auf Apple, bei Anwendungen generativer KI größere Fortschritte vorzuzeigen. Die neue Software soll sich Informationen aus auf dem iPhone oder dem iPad installierten Apps ziehen und persönliche Daten auswerten können, um komplexe Befehle ausführen zu können. Beispielsweise soll sie auf Basis von Nachrichten im SMS-Postfach mögliche Terminkollisionen ausfindig machen. Bei komplizierteren Aufgaben soll Apple Intelligence überdies ChatGPT hinzuziehen können. Die OpenAI-Software wird für iPhone-Nutzer kostenlos in das neue System integriert.

Apple-CEO Tim Cook will mit neuen KI-Features für das iPhone Aufbruchsstimmung verbreiten
Apple-CEO Tim Cook will mit neuen KI-Features für das iPhone Aufbruchsstimmung verbreiten. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jeff Chiu.

Der Konzern setzt darauf, durch die neuen Features die Nachfrage nach Hardware anzukurbeln. Viele Apple-Kunden benötigen ein Upgrade ihrer Endgeräte, um auf Apple Intelligence zugreifen zu können. So wird die KI-unterstützte Assistenz lediglich auf dem iPhone 15 Pro, dem iPhone 15 Pro Max und den mit Chips der auf Arm-Technologie basierenden M1-Serie oder neueren Halbleitern versehenen iPads und Macs zur Verfügung stehen. DA Davidson wendet ein, dass Apple das System lediglich für noch vor dem Marktstart stehende Endgeräte hätte auflegen sollen, um den bullishsten Effekt zu erzielen.

Die Veröffentlichung der neuen KI-Werkzeuge dauert nun allerdings länger als erwartet. In der laufenden Woche teilte Apple mit, dass sie nicht mit der im September anstehenden neuen 18er Variante des Betriebssystems iOS verfügbar werden, sondern einige Wochen später mit der Version 18.1.

Nach den Cloud-Konkurrenten Alphabet und Microsoft kurbelt auch Amazon die Ausgaben für künstliche Intelligenz kräftig an. Zugleich bleiben das Umsatzwachstum und die Prognose für das dritte Quartal allerdings hinter den Erwartungen zurück. Apple plant indes die Aufholjagd bei der Zukunftstechnologie.