Telekommunikation

Telekomfirmen heben ihren Datenschatz

Telekom, Orange, Vodafone und Telefónica wollen zusammen eine technische Plattform für digitale Werbung in Europa betreiben. Es ist ein neuer Anlauf, um die Kundendaten zu vermarkten. Die EU gibt grünes Licht.

Telekomfirmen heben ihren Datenschatz

hei Frankfurt – Die Schwergewichte der europäischen Telekombranche – Deutsche Telekom, Vodafone, Orange und Telefónica – gehen mit einer neuen technischen Plattform an den Start, die auch Konkurrenten offen stehen und Werbetreibenden in ganz Europa ermöglichen soll, zielgerichtete digitale Werbung auf Basis von Nutzerdaten zu schalten. Sie gründen dazu ein in Belgien ansässiges Joint Venture (JV), an dem jedes der Unternehmen je 25% der Anteile halten wird. Die EU-Kommission hat keine kartellrechtlichen Bedenken und daher grünes Licht gegeben, wie mitgeteilt wird. Auflagen sind mit dem neuen Unternehmen nicht verknüpft.

Gegenentwurf

Das Projekt versteht sich den Angaben zufolge als Gegenentwurf zu den datenbasierten Geschäftsmodellen der US-Technologieriesen, die derzeit den Markt für Internet-Werbung weltweit dominieren. Europas Telekomkonzerne unternehmen damit den Versuch, ihren Datenschatz zu heben und am lukrativen Zukunftsmarkt der Zielgruppenwerbung mitzuverdienen. Als Blaupause dient offenbar ein Pilotprojekt von Vodafone und Telekom hierzulande, das Nutzern von Mobilfunkverbindungen eine feste Kennung zuweist, welche Website-Betreibern die Generierung von Personenprofilen für personalisierte Werbung ermöglichen soll. Allerdings heißt es, das JV solle sich neben Reichweite auch dadurch auszeichnen, dass für die Nutzer der Plattform umfassende Möglichkeiten der Kontrolle über die Daten, die sie dabei generieren, eingeräumt werden.

Datenschützer alarmiert

Das Adtech-JV werde „einen sicheren, pseudonymisierten Token verwalten, der von einer verschlüsselten pseudonymen internen Identität abgeleitet wird,“ heißt es konkret. Diese sei mit dem Konto eines Nutzers verknüpft, das von teilnehmenden Netzwerkbetreibern bereitgestellt werde. Es bedeutet allerdings, dass Kunden das Auslesen von Daten zu bestimmten Internetadressen anders als bei Cookies nicht mehr gezielt unterbinden können.

Datenschützer zeigen sich deshalb bereits alarmiert. Allerdings stemmen sie sich gegen einen wachsenden wirtschaftlichen Druck; denn die Nachfrage der Werbetreibenden nach verwertbaren Nutzerdaten nimmt zu. Zugleich zeichnet sich eine Verknappung ab. So hat die Entscheidung von Apple, das Tracking zu Werbezwecken mit neuen Regeln zum Schutz der Privatsphäre zurückzudrängen für viele Anbieter von Internet-Werbung bereits deutliche Einbußen nach sich gezogen. So hat der iPhone-Konzern iCloud+-Abonnenten die Mauern so hoch gezogen, dass die Nutzerdaten auch für Telekomnetzbetreiber nicht fassbar sind. Sie verschlüsselt über Apple-Server umgeleitet. Dagegen hatten sich die Unternehmen bereits vor Jahresfrist bei EU beschwert. Wenn nun noch Google wie geplant, im laufenden Jahr im Chromebrowser Werbe-Cookies abstellt, um der Kritik von Datenschützern Rechnung zu tragen, braucht es für die Online-Werbung quasi Ersatzlösungen.

Weitere Tests

Die beteiligten Unternehmen betonen, das Joint Venture solle von einem „unabhängigen“ Vorstand und Aufsichtsrat geführt werden. Nach der Testphase hierzulande sollen auch in Frankreich und Spanien entsprechende Pilotversuche anlaufen, um die Praktikabilität und eine möglichst einfache Handhabung durch die Internet-Nutzer sicher zu stellen. „In Kürze“ soll das JV seine Geschäftsstrategie und die „strategischen Ziele“ vorstellen.