Umstrittener Kompensationsplan

Tesla-Aktionäre segnen Musks Rekordvergütung ab

Die Hauptversammlung von Tesla hat grünes Licht für einen Kompensationsplan gegeben, der CEO Elon Musk bis zu 1 Bill. Dollar einbringen könnte. Doch nach dem Votum halten sich Kritik und Zukunftsängste.

Tesla-Aktionäre segnen Musks Rekordvergütung ab

Tesla-Aktionäre segnen Musks Rekordvergütung ab

Von Alex Wehnert, New York

Die Anteilseigner von Tesla haben sich in einer wegweisenden Abstimmung hinter Elon Musk gestellt. So votierte eine große Mehrheit der Aktionäre bei der Hauptversammlung des E-Autobauers am Donnerstag für ein Vergütungspaket, das dem umstrittenen CEO über zehn Jahre bis zu 1 Bill. Dollar einbringen könnte. Die Frage nach den Rekord-Boni galt an der Wall Street als Referendum über das Vertrauen in Musk und seine Vision, den Fahrzeughersteller zum führenden Unternehmen bei künstlicher Intelligenz und Robotik zu formen.

Ambitionierte Ziele

Der Vorstandschef hatte im Vorfeld gedroht, seine diesbezüglichen Ziele andernorts umsetzen zu wollen, wenn die Aktionäre im die Billionen-Aktienvergütung verweigert hätten. Er benötige einen Anteil an Tesla, der groß genug sei um zu garantieren, dass die vom Unternehmen zu entwickelnde Roboterarmee nicht „in die falschen Hände“ falle. Zugleich solle sein Stück am Kuchen nicht so groß ausfallen, dass der Verwaltungsrat ihn nicht mehr entlassen könne. Die Direktoren bezeichneten die Vergütung als notwendig, um Musks volle Konzentration auf den E-Autobauer zu sichern.

Bisher hält der Multimilliardär rund 15% der Anteile an Tesla; durch den neuen Plan könnte er bis 2035 weitere 12% hinzugewinnen. Um den ersten Teil seiner neuen Boni einzufahren, muss Musk Tesla zunächst zu einer Marktkapitalisierung von 2 Bill. Dollar steuern und mit dem E-Autobauer zusätzlich entweder ein Ebitda von 50 Mrd. Dollar oder Absatzziele von 20 Millionen ausgelieferten Fahrzeugen, 1 Million verkauften Robotern beziehungsweise 10 Millionen abgeschlossenen Abonnements für das Fahrassistenzsystem „Full Self-Driving“ erreichen. Auch wenn Tesla zusätzlich zum angepeilten Börsenwert 1 Million Robotaxis in den Betrieb bekommt, wäre der CEO bezugsberechtigt. Um alle Vergütungsbestandteile abzuräumen, müsste er die Marktkapitalisierung seines Unternehmens in mehreren Stufen auf 8,5 Bill. Dollar ankurbeln.

Elon Musks Rekordvergütung hat auch in Austin für Proteste gesorgt.
Elon Musks Rekordvergütung hat auch in Austin für Proteste gesorgt.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jay Janner

Auf Kritik an dem Vergütungsplan reagierte Musk bereit sim Vorfeld allergisch. „Tesla ist mehr wert als alle anderen Auto-Unternehmen zusammen. Welchen von deren CEOs hättet ihr denn gerne an der Spitze von Tesla? Ich werde es nämlich nicht sein“, drohte Musk auf eine Nutzernachfrage auf Social Media vor wenigen Wochen. Im vergangenen Jahr hatten die Aktionäre erst das bisherige, 56 Mrd. Dollar schwere Kompensationspaket des heute 54-Jährigen von Neuem abgesegnet, nachdem ein Gericht in Delaware dieses auf Investorenklagen hin gekippt hatte. Noch immer sind darüber Rechtsstreitigkeiten anhängig. Im gleichen Zuge drückte Musk indes auch den Umzug der Eintragung von Tesla als Kapitalgesellschaft aus dem Ostküstenstaat nach Texas durch.

Kritik von Großinvestoren

Damals votierten 72% der Aktionäre für das Vergütungspaket, bei der diesjährigen Abstimmung waren es 75%. Im Vorfeld hatten mit dem Broker Charles Schwab, dem Morgan-Stanley-Fonds Counterpoint Global sowie dem öffentlichen Pensionsfonds Floridas mehrere schwere Investoren angekündigt, grünes Licht für Musks Kompensationsplan geben zu wollen. Andere, darunter die größte US-Pensionskasse Calpers sowie mehrere Rentensysteme New Yorks und Marylands sowie der Lehrerverband American Federation of Teachers, legten ihre Ablehnung offen. Die Stimmrechtsberater Glass Lewis und Institutional Shareholder Services werteten die Vergütung als exzessiv und rieten Aktionären, gegen diese zu stimmen.

Fundamental hat Tesla trotz hochfliegender Visionen mit erheblichen Belastungen zu kämpfen.
Fundamental hat Tesla trotz hochfliegender Visionen mit erheblichen Belastungen zu kämpfen.
Börsen-Zeitung, ben/iGrafik.de

Besonders öffentlichkeitswirksam hatte der norwegische Staatsfonds im Vorfeld der Hauptversammlung angekündigt, gegen das Vergütungspaket stimmen zu wollen. „Während wir die signifikante Wertschöpfung unter Herrn Musks visionärer Führung schätzen, sind wir über die Gesamtgröße der Zuteilung, die Verwässerung für andere Aktionäre und den Mangel an Kontrolle über Schlüsselpersonen-Risiken besorgt“, hieß es in einer Mitteilung des 1,9 Bill. Dollar schweren Vehikels.

Verwaltungsrat will Aufbruchstimmung verbreiten

Dieses ist mit einer Beteiligung von 1,2% der sechstgrößte institutionelle Investor von Tesla hinter Vermögensverwaltern wie Vanguard und Blackrock. Soll heißen: Der Staatsfonds fürchtet, dass sich Tesla zu abhängig von Musk macht. Die Aktie ging auf auf die Mitteilung am Dienstag hin auf Talfahrt. Am Donnerstag hatte sie vor Beginn der Hauptversammlung ebenfalls unter Druck gestanden, im nachbörslichen New Yorker Handel lag sie leicht im Minus.

Tesla-Verwaltungsratschefin Robyn Denholm sucht indes Aufbruchstimmung zu verbreiten. Sie arbeite nun seit elf Jahren mit Musk zusammen und habe dabei gelernt, dass der CEO „dadurch motiviert ist, Dinge zu tun, die für andere nicht möglich sind“, sagte die Australierin, die den Vorsitz des Kontrollgremiums 2018 übernahm, nachdem ihn der Milliardär infolge eines Konflikts mit der US-Börsenaufsicht SEC wegen mutmaßlicher Irreführung von Aktionären räumen musste, jüngst gegenüber dem „Wall Street Journal“.

Kerngeschäft unter Druck

Bisher gelingt es Musk trotz seiner hochfliegenden Visionen allerdings nicht, im Kerngeschäft, dem Verkauf von Elektroautos, wieder nachhaltigen Schwung zu erzeugen. Die Anteile von Tesla am Fahrzeugmarkt sind über das vergangene Jahr allerdings sowohl global als auch in den USA zurückgegangen. Das Unternehmen muss sich unter anderem mit härterer Konkurrenz chinesischer Autohersteller um BYD herumschlagen, die deutlich günstigere Modelle anbieten können.

Verwaltungsratschefin Robyn Denholm will bei Tesla wieder Aufbruchtstimmung erzeugen.
Verwaltungsratschefin Robyn Denholm will bei Tesla wieder Aufbruchstimmung erzeugen.
picture alliance / REUTERS | Christine Chen

Zwar lieferte das Unternehmen im dritten Quartal 497.099 Fahrzeuge aus und damit so viele wie noch nie; der Umsatz legte um 12% auf 28,1 Mrd. Dollar zu. Dabei profitierte Tesla allerdings stark davon, dass US-Steuergutschriften auf die Anschaffung von Elektroautos aus dem Inflation Reduction Act von Ex-Präsident Joe Biden Ende September ausliefen und viele Käufer vorher noch schnell zuschlugen.

Wegfall von Subventionen schmerzt

Der Nettogewinn des E-Autobauers sackte im vergangenen Jahresviertel gegenüber dem Vorjahr allerdings um 37% auf 1,37 Mrd. Dollar ab; dies entspricht einem bereinigten Gewinn von 50 Cent pro Aktie – Analysten hatten im Konsens 57 Cent erwartet. Nach dem Rechnungslegungsstandard GAAP, der Aufwendungen für aktienbasierte Vergütungen und Wertveränderungen des Krypto-Portfolios herausrechnet, blieben sogar nur 39 Cent pro Anteil hängen.

Bei Analysten herrschen angesichts eines Wegfalls staatlicher Subventionen für nachhaltige Antriebe unter US-Präsident Donald Trump starke Zweifel daran, dass der E-Autobauer sein jüngstes Absatzwachstum fortschreiben kann. Bei der Kernkundschaft an den liberalen US-Küsten hat es sich Musk durch sein monatelanges Engagement in der Trump-Regierung, in dessen Zuge ihm Politbeobachter eine Aushöhlung des amerikanischen Rechtsstaats vorwarfen, verscherzt. Die Beziehung mit dem US-Präsidenten ging im Juni in die Brüche, die Analysten von Wedbush Securities kreiden dem CEO indes bleibende Schäden am Markenimage an.

Elon Musk verbindet eine stürmische Beziehung mit US-Präsident Donald Trump.
Elon Musk verbindet eine stürmische Beziehung mit US-Präsident Donald Trump.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Evan Vucci

Indes sorgt auch die überaltete Produktpalette von Tesla bei Investoren für Frust, ebenso die Sorge, dass es dem Unternehmen schwer fallen wird, neue Kunden anzulocken. Nachdem Musk über Jahre neue Modelle für den Massenmarkt in Aussicht gestellt hatte, präsentierte Tesla zu Monatsbeginn günstigere Varianten des SUV-Models und der Limousine Model 3. Diese sollen allerdings nur 5.000 Dollar weniger kosten als die bestehenden Versionen und damit effektiv teurer sein als Fahrzeuge, die Kunden mit den ausgelaufenen Steuergutschriften erwerben konnten. Musk versucht den Absatz wiederholt über Rabattaktionen anzukurbeln, die allerdings schwer auf der Profitabilität lasten.

Die Analysten von Bank of America gehen davon aus, dass nur noch 12% des Aktienkurses durch Erträge im Automobilgeschäft abgedeckt sind. Weitere 17% kämen über die Fahrassistenzsysteme um „Full Self-Driving“ und 6% auf Solarpanele und verbundene Batterietechnologie zustande. Der Rest stütze sich auf Hoffnungen um Robotaxis und die Optimus-Roboter. Auch die Analysten von Wedbush schrieben jüngst, „die Tesla-Story dreht sich künftig um die KI-Transformation, die von Initiativen zur Robotik und dem autonomen Fahren angeführt wird“. Tatsächlich teilte das Unternehmen im Rahmen der Quartalsvorlage nun mit, Produktionslinien für die erste Generation des humanoiden Roboters Optimus zu bauen und damit die Massenfertigung vorzubereiten.

Roboter mit peinlichen Pannen

In den vergangenen Monaten hat Optimus bei öffentlichen Vorführungen peinliche Fehlschläge hingelegt; Tesla setzte die Produktion für Hardware- und Software-Redesigns aus. Zudem ringt das Unternehmen mit Problemen bei seinen Autonomiebemühungen. Wiederholt machen Unfälle im Zusammenhang mit Tesla-Fahrassistenzsystemen Schlagzeilen. Erst im September schloss der Autobauer einen Vergleich, um einen Rechtsstreit über den Tod eines Teenagers in Kalifornien im Jahr 2019 beizulegen.

Trotz der zahlreichen Fehlschläge hat Musk sich nun allerdings ein klares Mandat der Aktionäre gesichert – wobei seine Kritiker von Erpressermethoden sprechen. Drohungen des CEO über seinen Abgang entfalteten noch immer große Wirkung. „Musk ist Tesla und Tesla ist Musk“, hieß es bei Wedbush bereits im Frühjahr. Analysten fürchten, dass diese gegenseitige Abhängigkeit dem E-Autobauer noch erhebliche Schwierigkeiten einbrocken könnte.