Aufsichtsratsarbeit

Thesen zur Corporate Governance

Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler verschiedener Universitäten*) haben Möglichkeiten zur Verbesserung der Corporate Governance von börsennotierten Unternehmen erörtert, die in den nachfolgenden Thesen zur Diskussion gestellt werden. Teile der...

Thesen zur Corporate Governance

Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler verschiedener Universitäten*) haben Möglichkeiten zur Verbesserung der Corporate Governance von börsennotierten Unternehmen erörtert, die in den nachfolgenden Thesen zur Diskussion gestellt werden. Teile der vorgeschlagenen Governance-Maßnahmen werden bereits, ohne gesetzlich vorgeschrieben zu sein, in einigen Unternehmen praktiziert.

Verpflichtende Einrichtung eines wirksamen unternehmensinternen Governance-Systems

Zu den Elementen eines internen Governance Systems zählen ein hinsichtlich Umfang und Art der Ge­schäftstätigkeit und Risikolage des Unternehmens angemessenes und wirksames internes Kontrollsystem, Risikomanagementsystem, Compliance-System, interne Revision sowie eine Whistleblower-Organisation. Wie diese Elemente aufbau- und ablauforganisatorisch gestaltet werden, sollte grundsätzlich der Organisationsautonomie des Vorstands und der Überprüfung durch den Aufsichtsrat überlassen bleiben.

Expertise und kritische Grundhaltung des Aufsichtsrats

Wirksame Aufsichtsratsarbeit setzt fachlich kompetente und persönlich integre, aktive und starke Aufsichtsräte voraus. Wichtig sind vor allem eine kritische Grundhaltung und ein fundiertes Verständnis des Ge­schäftsmodells. Zudem empfiehlt sich für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite eine Staffelung der Mandatslaufzeiten (Staggered Board).

Wirksame Aufsichtsratsarbeit vollzieht sich in Ausschüssen

Die Einrichtung von Ausschüssen fördert Effizienz und Wirksamkeit der Aufsichtsratsarbeit. Mindestens die Einrichtung eines Prüfungsausschusses sollte verpflichtend sein. Wichtig sind neben Finanzexperten Fachkenntnisse im Kontroll-, Risiko- und Compliance-Management sowie Corporate Social Re­sponsi­bility.

Pflicht des Aufsichtsrats, bei Verdacht auf Unregelmäßig­keiten aufzuklären

Bei greifbaren Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten bei der Ge­schäftsführung hat der Aufsichtsrat eigenverantwortlich und unverzüglich Schritte zur Aufklärung zu unternehmen. Das sollte in einer klarstellenden Sondervorschrift be­tont werden.

Unabhängigkeit der Aufsichts­räte

Die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), dass der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses unabhängig von der Gesellschaft, vom Vorstand und vom kontrollierenden Aktionär sein soll und dass dem Aufsichtsrat nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder angehören sollen, sollten für Börsengesellschaften in das AktG übernommen werden. Ferner empfiehlt sich für die unabhängigen Mitglieder des Aufsichtsrats eine gesetzliche Rotationsfrist (von zum Beispiel zehn Jahren).

Zeiteinsatz

Neben der Tätigkeit als Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft sollte ein Aufsichtsratsmandat bei anderen konzernfremden Börsengesellschaften als Vorsitzender (auch eines Ausschusses) gesetzlich untersagt werden. Professionelle, gründliche und aktive Aufsichtsratsarbeit ist als „Nebenamt“ kaum zu leisten. Daher muss jedes Aufsichtsratsmitglied darauf achten, dass ihm für die Wahrnehmung seiner Aufgaben genügend Zeit zur Verfügung steht. Bei der Abschätzung des Zeitaufwands für eine Aufsichtsratstätigkeit ist zu berücksichtigen, dass das zu kontrollierende Unternehmen jederzeit in eine wirtschaftliche Lage kommen kann, die eine über das Normalmaß hinaus intensivierte Mitwirkung im Aufsichtsrat erfordert.

Wenn jeder Sitzungstag durchschnittlich mit je einem Tag vor- und einem Tag nachbereitet werden sollte, wird der Zeitbedarf einer Aufsichtsrats- und Ausschusstätigkeit deutlich. Daher sollte die Höchstmandatszahl gemäß §100 Abs. 2 Nr. 1 Aktiengesetz (AktG) deutlich reduziert werden, wobei Aufsichtsrats- und Prüfungsausschussvorsitzmandate doppelt zählen sollten.

Aufsichtsrat als exklusiver Auftraggeber des Abschlussprüfers

Der Aufsichtsrat sollte alleiniger Auftraggeber für sämtliche Aufträge (Prüfungs- und zulässige Nichtprüfungsleistungen) an den Abschlussprüfer sein. Schon heute erteilt er dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und Konzernabschluss. Dasselbe sollte auch für alle anderen Leistungen des Abschlussprüfers gelten, um den Abschlussprüfer noch stärker als bislang zum Partner des Aufsichtsrats und dessen Prüfungsausschusses zu machen.

Externe Informationen von Aufsichtsbehörden auch für den Aufsichtsrat

Auf externer Seite ist die Kommunikation mit dem Abschlussprüfer über dessen Prüfung eine Kernaufgabe. Darüber hinaus sind auch Informationen über den Abschlussprüfer selbst für den Aufsichtsrat wichtig; zum Beispiel die Inspektionsergebnisse der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS), ferner Beanstandungen oder Hinweise der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung bzw. BaFin.

Einbindung des Aufsichtsrats auch in interne Informationsflüsse

Während der Aufsichtsrat nach dem Gesetz bisher grundsätzlich nur durch den Vorstand informiert wird, wären direkte Zugriffsmöglichkeiten auf die relevanten Bereichsleiter der Governance Abteilungen und Systemdaten anzudenken. So ließe sich die Wirksamkeit dieser Systeme unabhängiger vom Vorstand überprüfen. Das betrifft auch andere interne Informationsflüsse wie z.B. Whistleblower-Hotline-Meldungen.

Finanzielle Zugriffsrechte und personelle Unterstützung für den Aufsichtsrat

Es sollte klargestellt werden, dass der Aufsichtsrat befugt ist, Sachverständige, Sonderprüfer oder Berater), zu beauftragen, ohne dass es einer vorherigen Abstimmung mit oder der Zustimmung durch den Vorstand bedarf. Für den Fall, dass der Vorstand fällige Zahlungen unterlässt, sollte dem Aufsichtsrat ein subsidiäres Anweisungsrecht zustehen, um Konfliktpotenzial zwischen ihm und dem von ihm beauftragten Berater zu vermeiden. Über Zweck und Umfang solcher Aufträge sollte der Aufsichtsrat gegenüber der Hauptversammlung berichten. Zur Bewältigung der zunehmend umfangreicher und anspruchsvoller werdenden Aufsichtsratsarbeit sollten dem Aufsichtsrat zudem eigene Mitarbeiter organisatorisch und disziplinarisch zugeordnet sein.

Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer ist im „Bericht aus dem Aufsichtsrat“ zu dokumentieren und auf der Hauptversammlung zu erläutern

Zur Verbesserung der Transparenz sollten Aktionäre ein unmittelbares Auskunftsrecht gegenüber dem Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer haben. Das Auskunftsrecht gegenüber dem Abschlussprüfer bezieht sich auf die Rechnungslegung der Gesellschaft und deren Prüfung. Komplementär hierzu könnte sich der den Aktionären zur Wahl vorgeschlagene Abschlussprüfer vor der Wahl präsentieren und seine Arbeit ex post über einen jährlichen Rechenschaftsbericht und ein Rederecht auf der Hauptversammlung legitimieren.

*) Im Arbeitskreis Corporate Governance sind neben den Autoren noch Katja Langenbucher (Frankfurt a.M.), Anne d’Arcy (Wien), Rolf Uwe Fülbier (Bayreuth), Peter Hommelhoff (Heidelberg), Christopher Koch (Mainz), Jens Koch (Bonn), Hanno Merkt (Freiburg), Stefan Müller (Universität der Bundeswehr Hamburg), Moritz Pöschke (Köln), Thorsten Sellhorn (München).