Mittels Doppelstimmrecht

Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef erzwingt Křetínský-Deal

Der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp hat den Einstieg des Milliardärs Daniel Křetínský bei der Stahlsparte nach langer Sitzung abgesegnet. Aber Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm musste die Entscheidung mit seinem Doppelstimmrecht gegen die Arbeitnehmerbank erzwingen.

Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef erzwingt Křetínský-Deal

Thyssenkrupp erzwingt
Stahl-Deal mit Křetínský

Aufsichtsratschef Russwurm setzt Doppelstimmrecht gegen Arbeitnehmerbank ein

cru Frankfurt

Gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter hat sich der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp in einer mehr als sechsstündigen Sitzung für die umstrittene Beteiligung des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský an der Stahlsparte entschieden. Das teilte der Konzern am Donnerstagabend mit. Die Entscheidung wurde mit dem Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden Siegfried Russwurm in dem paritätisch besetzten Gremium erzwungen. Damit hat Russwurm das äußerste Mittel eingesetzt, um sich gegen IG-Metall-Vize Jürgen Kerner durchzusetzen, der auch Vize im Aufsichtsrat ist. Křetínskýs Energieholding EPCG soll nun – wie vom Vorstand im April mit dem Milliardär vereinbart – 20% am Stahlgeschäft erwerben und später auf 50% aufstocken.

Am Vormittag hatte der erst seit einem Jahr amtierende Thyssenkrupp-Chef Miguel López bei einer Protestkundgebung der IG Metall mit 5.000 Beschäftigten für den Einstieg von Křetínský geworben. „Die EP Corporate Group ist ein Energieunternehmen mit großer Erfahrung“, sagte López. „Die sind die Richtigen, und zwar aus einem einfachen Grund: Anstatt Kohle brauchen wir künftig Strom, Erdgas und Wasserstoff. Nur dann können wir auch in der Zukunft in Duisburg Stahl kochen.“

Wettbewerbsfähige Strompreise seien für die Stahlherstellung essenziell. Der Energiekostenanteil an einer konventionellen „grauen“ Bramme betrage circa 5%, an einer zukünftigen „grünen“ Bramme hingegen 45 bis 50%. „Wir haben künftig eine dramatisch veränderte Situation. Darauf müssen wir uns einstellen. Denn daran führt kein Weg vorbei.“

López stimmte die 27.000 Beschäftigten der Stahlsparte in dem Konzern mit 100.000 Beschäftigten auf härtere Zeiten ein: „Ohne Einschnitte wird es nicht gehen.“ Stahlvorstand Bernhard Osburg arbeite an einem Zukunftsplan. Die IG Metall hatte zuvor vor der Verringerung der Produktionskapazität von 11,5 auf 9,5 Mill. Tonnen gewarnt. Auf der Stahlsparte lasten Pensionsverpflichtungen von rund 2,6 Mrd. Euro – bei einem Verlust von 132 Mill. Euro in der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres.

„Gegen Milliardäre haben wir nichts, solange sie Geld mitbringen und in den Stahl investieren“, sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol. Allerdings wüssten die Beschäftigten nicht, was „Herr Křetínský“ wolle. „Will er mit uns Geld verdienen, oder will er an uns Geld verdienen?“ Man sei offen für gute Lösungen. „Doch billig verkaufen lassen wir uns nicht.“ Die Baader Bank hatte den Einstiegspreis für Křetínský, der nicht genannt wurde, auf rund 400 Mill. Euro geschätzt.

Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) appellierte an das Konzernmanagement, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen. Der Hintergrund: Thyssenkrupp investiert in Duisburg gerade 3 Mrd. Euro in den Bau der ersten wasserstofffähigen Direktreduktionsanlage. Dabei kommen 2 Mrd. Euro von Bund und Land. Der Börsenwert von Thyssenkrupp hat sich seit Anfang 2022 auf 3 Mrd. Euro halbiert.