Tiefer Graben zwischen Schweizer Ikonen

Georg Fischer und Sulzer: Über Erfolg und Misserfolg entscheidet mehr als der Franken

Tiefer Graben zwischen Schweizer Ikonen

Von Daniel Zulauf, ZürichIst die Schweiz als Industriestandort noch überlebensfähig? Die Frage geistert seit Jahrzehnten durch das Land, und seitdem die Nationalbank vor drei Jahren die Euro-Wechselkursuntergrenze aufgehoben und eine schlagartige Aufwertung der heimischen Währung zugelassen hatte, ist sie virulenter denn je. Die Angst vor einer Deindustrialisierung des Landes ist kein Phantom. Die Wechselkursverwerfungen im Zuge der internationalen Finanz- und Schuldenkrise haben in der Schweiz Tausende von industriellen Arbeitsplätzen vernichtet. Die häufigen Hilferufe aus der Industrie sind ein Beleg dafür, dass das Erfolgsmodell der Schweizer Wirtschaft auf dem Prüfstand steht. Nicht nur ist die traditionelle Industrie immer noch ein zentraler Pfeiler für den Schweizer Arbeitsmarkt. Die Exporterfolge der Industrie sind seit Jahrzehnten auch Garant für Wohlstand und Wachstum im Land. Doch der Erfolg der Industrie ist nicht nur eine Funktion von Wechselkursvorteilen und anderen Rahmenbedingungen. Das belegt die Leistung der Schaffhauser Industrieikone Georg Fischer, die gestern ihre Jahreszahlen vorgelegt hat. Der über 200 Jahre alte Konzern hat im Berichtsjahr eine abermals starke Leistung abgeliefert und ist aus eigener Kraft (ohne Akquisitionen) um 10 % gewachsen – doppelt so schnell, wie sich das die Geschäftsleitung unter Führung des Franzosen Yves Serra vorgenommen hatte. Der Erfolg von Georg Fischer ist das Ergebnis einer langfristigen Strategie, mit der sich das Unternehmen sowohl geografisch als auch produktmäßig auf vielversprechende Märkte konzentriert und diszipliniert an der Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition gearbeitet hat. Ein Beispiel dafür ist der Geschäftsbereich Machining Solutions, in dem Georg Fischer hoch spezialisierte Fräsmaschinen für anspruchsvolle Anwendungen in der Luftfahrt und in der Informationstechnologie fertigt. Der Bestelleingang für Georg-Fischer-Maschinen hat 2017 um 12 % auf über 1 Mrd. sfr zugenommen. Serra freute sich über das höchste Auftragsvolumen seit zehn Jahren. Und mit Maschinen verdient Georg Fischer gutes Geld: Um 32 % auf 82 Mill. sfr hat sich das Betriebsergebnis der Division verbessert – die Marge ist mit über 8 % komfortabel. Und Georg Fischer, obwohl international aufgestellt, investiert auch in der Schweiz weiterhin kräftig: 35 Mill. sfr flossen 2017 in den Aufbau eines neuen Maschinenentwicklungszentrums in der Uhrenstadt Biel, und weitere 40 Mill. sfr sollen im laufenden Jahr folgen. “Hilfreich sind enge Beziehungen zu den Kunden”, erklärt Serra den Geschäftserfolg. Man müsse frühzeitig erkennen, in welchen Segmenten man noch erfolgreich tätig sein könne, und die Weichen entsprechend stellen. Georg Fischer hätte das Fräsmaschinengeschäft vor mehr als zehn Jahren zu einem billigen Preis verkaufen können und dafür noch Applaus von der Finanzgemeinde geerntet, denn damals sah die Rendite weniger vorteilhaft aus. Genau diesen Weg ging die andere Industrieikone Sulzer schon vor langer Zeit. Das Unternehmen blieb zu lange in seinem Selbstverständnis als Großkonzern verhaftet und wurde so zum Objekt von allerlei Finanzinvestoren, die dem Konzern allzu oft mit einer kurzfristigen Optik den alten Glanz zu verleihen hofften und ihn damit immer weiter ins Abseits manövrierten. Inzwischen hat Sulzer unter dem französischen CEO Greg Poux-Guillaume wieder Tritt gefasst, doch der Graben zu Georg Fischer ist von frappanter Tiefe. Obschon Sulzer als Industrieunternehmen in der Schweiz keine nennenswerte Rolle mehr spielt und fast ausschließlich im Ausland produziert, liegt deren Rentabilität weit hinter jener von Georg Fischer.