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Traton wird als Retter von Navistar gesehen

Von Joachim Herr, München Börsen-Zeitung, 5.2.2020 Traton macht Ernst. Der Münchner Lastwagen- und Bushersteller bereitet einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu seinem großen Ziel vor. Das heißt "globaler Champion in der Nutzfahrzeugbranche". Für...

Traton wird als Retter von Navistar gesehen

Von Joachim Herr, MünchenTraton macht Ernst. Der Münchner Lastwagen- und Bushersteller bereitet einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu seinem großen Ziel vor. Das heißt “globaler Champion in der Nutzfahrzeugbranche”. Für den Vorstandsvorsitzenden Andreas Renschler bedeutet dieser Titel nicht, Daimler vom ersten Platz der Umsatzrangliste in der Branche zu verdrängen. Der Abstand ist ohnehin viel zu groß. Renschler geht es um die Spitzenposition bezogen auf Umsatzrendite, Innovationen und weltweite Präsenz.Eine Übernahme von Navistar wäre ein Meilenstein: Dann wäre der Tochterkonzern von Volkswagen auch mit einer Marke im nordamerikanischen Markt unterwegs. Doch einfach wird das nicht. Das Management von Navistar äußerte sich bisher sehr zurückhaltend zu dem Angebot aus Deutschland. Auch einzelne Aktionäre spielen eine wichtige Rolle. Zu ihnen zählt Carl Icahn, der mit einem gemeldeten Anteil von 16,9 % knapp vor Traton (16,8 %) größter Anteilseigner von Navistar ist. Mehr als 10 % besitzt zudem die Private-Equity-Gesellschaft MHR Fund Management in New York (16,3 %).Icahn gehört zu den prominentesten und besonders regen aktivistischen Aktionären in den USA. Man kann sich kaum vorstellen, dass er sich mit den von Traton gebotenen 35 Dollar je Aktie zufriedengibt. Traton kündigte an, dass nicht nur mit dem Management ein Vertrag für einen Zusammenschluss abgeschlossen werden müsste, sondern auch “Unterstützungsvereinbarungen mit bestimmten Großaktionären”.In der Branche ist zu hören, eine Übernahme würde Navistar retten. Die Strategie, als einziger Hersteller in den USA auf den Harnstoffzusatz Adblue zur Nachbehandlung von Dieselabgasen zu verzichten, sei vor einem Jahrzehnt eine krasse Fehlentscheidung gewesen. Bis heute streite sich Navistar mit der Umweltbehörde EPA über Abgaswerte. Aggressive PreispolitikZudem fährt Navistar dem Vernehmen nach bezogen auf Kraftstoffeffizienz und Zuverlässigkeit der Konkurrenz hinterher. Mit dem Rücken zur Wand habe das Unternehmen versucht, mit einer aggressiven Preispolitik – zum Teil bis heute – den Verlust an Marktanteilen zu stoppen.Das ist dank der Partnerschaft mit Traton offenbar gelungen. 2018 steigerte Navistar den Marktanteil in den USA um 2,3 Punkte auf 13,7 %, im vergangenen Jahr blieb er stabil (siehe Grafik). 2015 war er um 2,5 Punkte auf 11,6 % gefallen. Traton gibt sich für die Zukunft zuversichtlich und verkündet auf Anfrage: “Wir haben Vertrauen in das Produktportfolio und die Fähigkeiten von Navistar.” Die Frage, ob Navistar vor der Bedeutungslosigkeit im Markt gerettet werde, stelle sich nicht.Dass Traton den Schritt in die USA wagt, ist konsequent, um global präsent zu sein. Spekuliert wurde darüber sogar schon vor dem im Herbst 2016 vereinbarten Einstieg von VW als Navistar-Aktionär. Freilich hatten bis zuletzt Renschler und sein Leitungsteam abgewiegelt, um der Aktie von Navistar nicht Auftrieb zu geben. So hatte Finanzvorstand Christian Schulz am Tag des Börsengangs von Traton der Börsen-Zeitung gesagt: “Wir sind mit unserer Partnerschaft mit Navistar sehr zufrieden, so wie sie ist.” Das war am 28. Juni 2019. Auch im Börsenprospekt stand nichts von Plänen für eine Übernahme des Partners in den USA.Aus der Reihe war nur Schulz` Vorgänger Matthias Gründler gefallen. Er hatte schon 14 Monate vor dem Börsengang ein Übernahmeangebot für Navistar nicht ausgeschlossen und gesagt, die dafür notwendigen 3 Mrd. bis 4 Mrd. Euro könnte das Unternehmen auch ohne einen Börsengang aufbringen. Der Aktienkurs von Navistar machte daraufhin einen Satz nach oben. Einen Monat später verließ Gründler überraschend Traton – aus persönlichen Gründen, hieß es damals. Das Kursniveau von Navistar lag seinerzeit um 40 Dollar. Nun, in den Tagen vor dem Angebot von Traton, waren es weniger als 25 Dollar. Wie Daimler und VolvoDer Kurs spiegelt die Marktentwicklung und das auch für Navistar schwieriger gewordene Geschäft wider. Zwar steigerte das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr (31. Oktober) Absatz und Umsatz, doch im Schlussquartal sanken alle wesentlichen Kennzahlen deutlich. Das Management reduzierte die Prognose für 2020. Für den nordamerikanischen Markt der schweren Lkw wird ein Rückgang von 315 000 Einheiten 2019 auf bestenfalls 240 000 erwartet.Der richtige Zeitpunkt, um in antizyklischer Manier zuzuschlagen, schien für Volkswagen und Renschler offenbar gekommen. Dass eine starke Präsenz in den USA nur mit einer Übernahme zu erreichen ist, war klar. Auch Daimler war diesen Weg mit Freightliner gegangen, Volvo mit White. “So viel Geld können Sie gar nicht haben, um allein schon ein Vertriebsnetz in den USA aufzubauen”, hatte MAN-Vorstandschef Joachim Drees in der Börsen-Zeitung schon vor drei Jahren klargestellt. “Außerdem sind amerikanische Trucks vollkommen anders, europäische Fahrzeugkonzepte funktionieren in den USA nicht.”