Übernahmeschlacht um ProSiebenSat.1
Berlusconi werkelt an ProSiebenSat.1-Deal
Italienische Holding Media for Europe erreicht zunächst keine Mehrheit am deutschen TV- und Internet-Konzern
Dem italienischen Medienkonzern MFE (Media for Europe) ist es im ersten Anlauf trotz eines aufgebesserten Angebots nicht gelungen, eine Mehrheit von 50% an dem deutschen TV- und Internetkonzern ProSiebenSat.1 zu erreichen. Doch die Aktionäre haben nun noch einmal knapp zwei Wochen, ihre Aktien einzubringen.
bl Mailand
Der von der Familie Berlusconi kontrollierte italienische Medienkonzern MFE (Media for Europe) muss nachsitzen. Im ersten Anlauf haben nur 43,6% der ProSiebenSat.1-Aktionäre die Offerte von umgerechnet knapp über 8 Euro je Aktie in Form eines Aktientausches angenommen. Es gibt jedoch eine Nachfrist. Die Anteilseigner des deutschen Senders können Aktien noch bis zum 4. September verkaufen.
In einer Stellungnahme des italienischen Unternehmens heißt es, man habe nie angestrebt, ProSiebenSat.1 sofort konsolidieren zu wollen. Allerdings lassen sie die vollen Synergien von bis zu 419 Mill. Euro bis 2029, die MFE anstrebt, nach eigenen Angaben nur dann erreichen, wenn eine volle Kontrolle mit mehr als 75% der Anteile erreicht wird.
Es wird nun spannend sein, ob es den Italienern gelingen wird, bis zum 4. September auf über 50% zu kommen und damit das deutsche Unternehmen de facto weitestgehend zu kontrollieren. MFE hatte die Offerte vor einigen Wochen aufgestockt und ist bereit, insgesamt 1,8 Mrd. Euro für den deutschen Konzern zu zahlen. Vorstand und Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 hatten den Aktionären nach der Aufbesserung empfohlen, das MFE-Angebot, das „angemessen“ sei, anzunehmen.
„Flexibilität“
Der Media-for-Europe-Vorstandsvorsitzende Piersilvio Berlusconi hatte Ende Juli jedoch erklärt, man ziele nicht auf eine vollständige Kontrolle ab, sondern auf „eine Flexibilität, die es uns ermöglicht, eine klare Richtung vorzugeben, die auf einer gemeinsamen Vision beruht.“ Die Vorsicht könnte auch dem Umstand geschuldet sein, dass Banken im Fall einer Change-of-Control bei ProSiebenSat.1 ihre Kreditverträge mit dem Sender kündigen könnten. MFE müsste dann die Refinanzierung sicherstellen. Die Agentur Reuters hatte deshalb unter Berufung auf Insiderkreise aus Mailand berichtet, Kreditgeber wie die Bank of America, Deutsche Bank und Unicredit würden sowohl eine Übernahme von ProSiebenSat.1 als auch eine mögliche Refinanzierung der Schulden des Unternehmens mit bis zu 3,7 Mrd. Euro unterstützen.
Unklar ist vorerst, wie sich der tschechische Großaktionär PPF verhalten wird. Die Tschechen haben selbst ein Angebot vorgelegt, das zwar schlechter ist als die MFE-Offerte, jedoch ausschließlich eine Bar-Komponente vorsieht. Es liegt jedoch mit 7 Euro je Aktie deutlich unter dem aktuellen Börsenwert von knapp unter 8 Euro. ProSiebenSat.1.
PPF kommt nach derzeitigem Stand auf 18,4%. Allerdings hat nach einem Reuters-Bericht General Atlantic (GA) einen Anteil von 2,4% an PPF verkauft. Damit würden die Tschechen mehr als 20% kontrollieren und eine Schlüsselrolle einnehmen, wenn es um eine Vollintegration des deutschen Fersehsenders in MFE geht. Nur dann könnte MFE nach eigenen Angaben die vollen Synergien erreichen.
MFE ist nicht nur in Italien sondern auch in Spanien Marktführer und strebt die Bildung einer europäischen Senderfamilie an, zu der neben ProSiebenSat.1 Sender in weiteren Ländern wie Großbritannien, Frankriech und anderen Ländern gehören sollen. Damit will Berlusconi konkurrenzfähig gegenüber Netflix, Amazon, Disney und andere sein.
Zweifel an Synergien
Die von ihm angestrebten Synergien beurteilen PPF und überwiegend auch die ProSiebenSat.1-Geschäftsführung als unrealistisch. PPF-Investmentdirektor Kasper Taczek sagte kürzlich in einem Interview, er sehe die großen Synergien zwischen den Ländern nicht. Beobachter glauben, PPF werde nach einer weiteren Aufstockung durch MFE seine Aktien doch noch einbringen und damit die Vollintegration ermöglichen.
Kartellrechtlich und politisch dürfte es keine wesentlichen Vorbehalte gegen eine ProSiebenSat.1-Übernahme durch die Italiener geben. Das gilt wohl trotz der kürzlich von Medienminister Wolfram Weimer formulierten Bedenken. Für Anfang September ist ein Treffen Weimers mit Berlusconi geplant.