Thomas Antonioli

„Unser Anspruch ist, den Zugang zu Elektronik zu verändern“

Das Berliner Start-up Grover gilt als das „Netflix für Elektronik“. Finanzchef Thomas Antonioli hat zur Finanzierung des wachsenden Geräteportfolios eine Asset-Backed Facility mit Fasanara Capital vereinbart.

„Unser Anspruch ist, den Zugang zu Elektronik zu verändern“

Stefan Paravicini.

Herr Antonioli, Grover vermietet unter anderem Smartphones und Laptops und wird auch als das „Netflix für Elektronik“ beschrieben. Passt der Vergleich?

Solche Vergleiche werden gerne genutzt, um gerade in der Frühphase ein neues Geschäftsmodell zu veranschaulichen. Jetzt haben wir eine Finanzierung mit einem Volumen von mehr als 1 Mrd. Dollar ge­stemmt, und ich würde deshalb sagen: Grover ist Grover. Wir bieten Subskriptionen für Elektronik und sind hier ein Pionier. Wir bewundern natürlich Unternehmen, die erfolgreich an der Börse sind und eine hohe Marktkapitalisierung haben. Aber was unser Geschäftsmodell angeht, kopieren wir niemanden.

Wie setzt sich die neue Finanzierung zusammen?

Wir machen jetzt zweierlei, nämlich eine 850 Mill. Euro schwere Asset-Backed-Finanzierung mit Fasanara Capital aus London und eine 30 Mill. Euro große Erweiterung der Series B aus diesem Frühjahr, an der sich Bestandsinvestoren beteiligen.

Es ist nicht die erste Asset-Backed-Finanzierung für Grover. Warum ist das Instrument attraktiv?

Die Asset-Backed Facility dient der Finanzierung der Geräte für unser Subskriptionsmodell. Wir vermieten unter anderem Laptops, Smartphones, Spielkonsolen, Geräte für das Smart Home und für Virtual Reality an unsere Kunden. Für eine monatliche Rate stellen wir die Geräte zur Verfügung, solange die Kunden sie benötigen. Wer zum Beispiel in 18 Monaten ein neues Telefon haben möchte, kann das alte Gerät an uns zurückschicken. Wir arbeiten es auf und rezirkulieren es an den nächsten Kunden, wodurch die Produkte lange im Umlauf bleiben.

Könnte man die Geräte auch anders finanzieren?

Als Start-up hat man ja häufig das Problem, dass eine klassische Bankfinanzierung ausfällt, weil man noch nicht profitabel ist und die Kreditmodelle der Banken gestützt auf die Unternehmensprofitabilität nicht funktionieren. In den heutigen Kapitalmärkten könnte man auch einen hohen Teil über Eigenkapital darstellen, wenn man wollte. Das wäre gerade in der Größenordnung, von der wir jetzt sprechen, aber mit einer Verwässerung der Bestandsgesellschafter verbunden. In der Vergangenheit galt unter Venture-Investoren daher die Faustregel, dass Asset-heavy-Geschäftsmodelle schwierig sind, weil es dieses Kapital nicht gab.

Wie haben Sie Investoren überzeugt, trotzdem zu investieren?

Wir haben das Asset-Based-Finance-Modell schon relativ früh aufgegriffen und 2017 eine Verbriefungsstruktur geschaffen, die uns die Möglichkeit gibt, ein besichertes Portfolio an bewertbaren Assets anzubieten. Das sind die Geräte aus unserem Portfolio, für die es einen beobachtbaren Sekundärmarkt gibt. Für mein iPhone kann ich zum Beispiel in einer Minute auf Online-Marktplätzen feststellen, wie viel es in diesem Zustand heute wert ist.

Wie hoch liegen die Finanzierungskosten?

Wir haben das so strukturiert, dass es verschiedene Tranchen gibt. Es gibt eine Senior-Tranche A, die bis zu einem Beleihungswert von 60% des Restwerts reicht. Sagen wir, das iPhone kostet neu 1000 Euro, nach einem Monat ist es vielleicht noch 900 Euro wert und der Beleihungswert in der Tranche A ist 60% dieses Restwerts. Bei dieser Tranche liegt das Pricing in der Größenordnung von 250 Basispunkten. Dann gibt es die Tranchen B und C, die von externen Investoren mit einer etwas höheren Risikobereitschaft und einem höheren Return gezeichnet werden. Das sind verschiedene Vehikelfonds, die von Fasanara Capital be­raten werden. Das First Loss Piece, die untersten 5% der Junior-Tranche, wird von Grover selbst gehalten.

Wenn Grover aus irgendeinem Grund in Schwierigkeiten kommt, sind auch die Geräte weg, oder?

Nein, die liegen bei einer Zweckgesellschaft, die unabhängig von der Gruppe ist. Dort wird das Darlehen gezogen, und dort werden die Geräte gekauft, die wir als Grover von dieser Zweckgesellschaft mieten. Der Kreditgeber hat also nur das Risiko gegenüber dem Restwert der Geräte. Das ist etwas, was man sehr gut abschätzen kann, weil wir Monat für Monat den Restwert kommunizieren und den Beleihungswert berechnen.

Gehören solche Finanzierungsstrukturen zum Standard in Ihrer noch jungen Branche?

Wir haben das für das Produkt Elektronik als Erste gemacht. Dabei hat uns Dietmar Helms von Hogan Lovells unterstützt, der in diesem Bereich führend ist und auch für viele Automobilhersteller solche Verbriefungsstrukturen aufsetzt. Fasanara Capital, die die Fazilität zur Verfügung stellt, hat bereits 2019 investiert und hatte seither viel Zeit, die operative Performance der Firma und des Portfolios zu verfolgen.

Grover will die Zahl der vermieteten Geräte bis Ende 2024 auf 5 Millionen ausweiten. Reicht diese Finanzierung dafür aus?

Das ist erst mal ein Zwischenschritt, mit dieser Fazilität schaffen wir ungefähr die halbe Wegstrecke von derzeit rund 200000 Geräten bis zu den 5 Millionen. Ich denke, die Kapitalmärkte werden aber auch in Zukunft tief für so ein Angebot bleiben. Wir hatten schon jetzt Interesse von anderen Kreditgebern, die gerne etwas zur Verfügung gestellt hätten. Für uns war es jetzt aber einfacher, das mit einem bestehenden Investor zu machen, der das Unternehmen schon sehr gut kennt und daher schnell sein konnte.

Wer hat sich denn sonst noch als Fremdkapitalgeber angeboten?

Es besteht zunehmend Interesse von größeren Banken und Private-DebtFonds, die in diesen Assetpool investieren wollen. Wir machen uns deshalb keine Sorgen, dass wir die Finanzierung hochskalieren können. Perspektivisch wollen wir Teile des Geräteportfolios herauslösen und als geratete Struktur am Kapitalmarkt platzieren. Das wäre der nächste Schritt, um die Kapitalkosten weiter zu senken. Wir haben die jetzt vereinbarte Fazilität ganz bewusst so eingerichtet, dass es möglich ist, zum Beispiel eine 100-Mill.-Euro-Tranche rauszunehmen und in ein neues Vehikel zu packen, das geratet wird.

Wie läuft eigentlich das Geschäft von Grover?

Wir haben derzeit rund 200000 Geräte bei 120000 aktiven Kunden im Umlauf. Die Kunden fangen meistens mit einem Gerät an und entscheiden sich häufig wieder für Grover, wenn der Ersatz eines anderen Geräts ansteht. Das funktioniert sehr gut. Im Vergleich mit anderen Subskriptionsmodellen haben wir eine starke Retention Rate. Der Customer Lifetime Revenue über die vergangenen vier Jahre liegt oberhalb von 2000 Euro. Das rechtfertigt relativ hohe Ausgaben für die Kundenakquise, um das Wachstum zu beschleunigen.

Welche Geräte werden besonders nachgefragt?

Ungefähr ein Drittel der Geräte sind Smartphones, ein Drittel sind Laptops, der Rest setzt sich aus fast allem zusammen, was man heute in einem Media Markt findet – Haushaltsgeräte ausgenommen.

Gibt es Kategorien, die zuletzt besonders gut gelaufen sind?

Der Bereich Gaming hat sich während der Pandemie besonders stark entwickelt, weil die Leute nicht viel anderes machen konnten. Virtual Reality ist stark im Kommen, und auch das Thema Smart Home bewegt sich Richtung Mainstream.

Was hat sich Grover für 2021 vorgenommen?

Bis zum Ende des Jahres wollen wir die Anzahl der Geräte gegenüber dem Jahresende 2020 ungefähr verdreifachen auf rund 450000. Wir wachsen rapide, und das liegt auch daran, dass sich der Trend „Asset over Ownership“ verstärkt. Die Generation Z ist es aus anderen Lebensbereichen längst gewohnt, nur noch für die Nutzung zu zahlen. Besitz ist für die Millennials nicht mehr so wichtig. Dem Nachhaltigkeitsaspekt kommt dabei eine immer größere Bedeutung zu.

Spielen Firmenkunden für Grover eigentlich auch eine Rolle?

Das Segment Geschäftskunden hat sich aus dem Markt heraus über die Nachfrage von Privatkunden ergeben, die das Angebot gerne für ihre Firma nutzen wollten. Es macht mittlerweile rund 15% des Geschäfts aus und wächst sehr gut. Das sind etwa Freelancer und Start-ups, zunehmend aber auch größere Firmen oder öffentliche Einrichtungen wie Universitäten oder Krankenhäuser. Während der Coronakrise standen sie vor der Herausforderung, ihren Mitarbeitern Technik für Remote-Arbeit zur Verfügung zu stellen.

Rückt nach der neuen Finanzierung die Expansion in neue Ländermärkte näher?

Wir sind nach Deutschland, Österreich und den Niederlanden seit Juni auch in Spanien präsent und sind hier sehr gut gestartet. Andere große europäische Märkte stehen bis Ende 2022 auf der Agenda. Den Blick über den Teich haben wir ebenfalls schon gewagt. Den Sprung in die USA wollen wir aber gut vorbereiten, und das ist jetzt noch nicht spruchreif.

Wo bewegt sich Grover bei Umsatz und Ergebnis?

Unser Umsatz ist im vergangenen Jahr um 150% gewachsen und lag in der Größenordnung von 40 Mill. Euro. Auf Ebene des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen waren wir deutlich profitabel. Für uns ist wichtig, dass das operative Ergebnis und die Margen stimmen. Das managen wir sehr eng. Nach Versand, Logistik, Zinsen und Abschreibungen auf die Geräte wollen wir eine stabil wachsende Marge haben.

Wie lange kann Grover dieses Wachstumstempo halten?

Unser Anspruch ist ganz klar, den Zugang zu Elektronik weltweit zu verändern. Wie das funktionieren kann, wenn es klappt, sieht man zum Beispiel bei Netflix. Wir denken, dass perspektivisch ein Viertel des Gesamtmarkts für Elektronikgeräte in Höhe von 1,5 Bill. Dollar pro Jahr auf Subskriptionen umstellen wird. Der adressierbare Markt ist riesig, und wir sind Pioniere. Wir hoffen deshalb, dass wir unser Wachstumstempo beibehalten können.

Werden Sie dafür in absehbarer Zeit eine weitere Finanzierungsrunde bei privaten Investoren drehen, oder kommt als nächstes Ereignis auf der Eigenkapitalseite ein Börsengang?

Wir sind für die nächsten 18 bis 24 Monate durchfinanziert und dann an einem Punkt, an dem wir ohne weiteres Kapital auskommen können, wenn wir es müssen. Wir haben schon 2020 gesehen, dass wir beim Cash-flow Break-even sein können, wenn wir die Marketingausgaben kürzen. Unser Ziel ist es, weiter zu wachsen und dabei eine eigenständige Firma zu bleiben, ohne dass wir uns jetzt darauf festlegen, was es dabei für verschiedene Möglichkeiten gibt. Es gibt immer wieder Anfragen von privaten Investoren, ob es noch einmal die Möglichkeit zur Beteiligung gibt. Wir haben momentan keinen Bedarf, hören uns das aber natürlich an.

Eigenständig schließt börsennotiert aber nicht aus, richtig?

Nein, das schließt sich nicht aus.

Das Interview führte