IM INTERVIEW: WERNER BRANDT

"Unsicherheit an den Märkten ist Teil der neuen Realität"

Finanzvorstand von SAP erwartet auch im dritten Quartal zweistelliges Wachstum in allen Regionen - Ariba-Übernahme noch 2012

"Unsicherheit an den Märkten ist Teil der neuen Realität"

– Herr Brandt, SAP hat die Erwartungen im zweiten Quartal deutlich übertroffen. Wie hat sich Nordamerika, wo es zum Auftakt noch Probleme gab, geschlagen?In den USA sind wir bei den Softwareerlösen währungsbereinigt um 16 % gewachsen. Lässt man die Währung außer Acht, waren es 32 %. Das ist eine starke Leistung. Unsere neue Verantwortliche für das Nordamerikageschäft, Geraldine McBride, hat gezeigt, was wir in diesem Markt an Wachstum erreichen können.- Was wurde konkret geändert?Wir haben neben der Rückkehr zu einem branchenorientierten Vertriebsmodell einen stärkeren Fokus auf Innovationen gelegt und unsere neuen Marktkategorien wie die In-Memory-Technologie, Anwendungen für mobile Endgeräte und die Cloud besser positioniert. Aber auch das Kerngeschäft hat sich sehr gut entwickelt.- Marktbeobachter vermuten, dass SAP zulasten des Auftragsbestands brilliert hat.Zunächst einmal ganz eindeutig: Es wurden keine Verträge in das zweite Quartal vorgezogen. Das Geschäft hat sich in allen Regionen, über alle Branchen und alle Produktkategorien hinweg hervorragend entwickelt. Unsere Pipeline ist sehr robust.- Wo kommen die Wachstumsimpulse für das dritte Quartal her?Wenn man in das zweite Halbjahr schaut, wird Wachstum überproportional aus Asien und Lateinamerika kommen. Auch die etablierten Märkte werden weiter zweistelliges Wachstum liefern.- Es fällt auf, dass Analysten SAP eine deutlich geringere Dynamik zugetraut hatten. Ist das dem unsicheren Umfeld geschuldet?Da müssten Sie eigentlich die Analysten fragen. Sie dürfen aber eines nicht vergessen: Wir sind das einzige wirklich globale Softwareunternehmen, die anderen sind stark auf die USA fokussiert und verkaufen dann weltweit. Wir entwickeln weltweit, wir machen Co-Innovation mit Kunden weltweit und sind weltweit in allen Industrien präsent. Mit dieser breiten Aufstellung haben wir die Möglichkeit, Schwankungen in einzelnen Regionen auszugleichen.- Das Geschäft ist deutlich gewachsen, die operative Marge aber gesunken. Warum?Die Übernahme von Success Factors hat die Marge gedrückt, wie wir von Anfang an auch kommuniziert haben. Außerdem haben wir im ersten Halbjahr 3 000 Mitarbeiter vor allem im Vertrieb neu eingestellt, deren Beitrag erst in den nächsten Quartalen zu spüren sein wird.- Wettbewerber sind zuletzt mit Zukäufen im Social Media Management aufgefallen. Wie ist SAP hier aufgestellt?Seit der Akquisition von Success Factors im Februar haben wir Jam im Portfolio, eine für mobile Endgeräte geeignete Plattform für die Zusammenarbeit, vor allem für Lernprozesse und Wissensmanagement in Unternehmen. Daneben haben wir mit Netbase eine Partnerschaft über ein Produkt zur Analyse von Informationen zu Produkten und Trends. Dabei werden Informationen aus sozialen Netzwerken semantisch ausgewertet.- SAP hat mit Ariba ebenfalls eine Milliardentransaktion in Angriff genommen. Hält der Zeitplan?Die US-Wettbewerbsbehörde hat weitere Unterlagen angefordert, um die Akquisition besser bewerten zu können. Das ist kein ungewöhnlicher Vorgang und wir gehen davon aus, dass wir die Akquisition im vierten Quartal abschließen werden.- Die Schuldenkrise in Euroland geht an SAP operativ bislang fast spurlos vorüber. Hat sich denn die Hedgingstrategie verändert?Wir hedgen einen Teil unserer Währungsrisiken, unsere Strategie haben wir aber nicht geändert. Wir sehen die Situation in Europa realistisch. Ich persönlich teile die Skepsis der Vertreter der Finanzindustrie nicht. Ich denke Europa hat eine gute Perspektive. Europäische Unternehmen sind im internationalen Wettbewerb sehr gut aufgestellt, die permanente Unsicherheit an den Märkten ist Teil der neuen Realität. Damit müssen alle umgehen.—-Das Interview führte Stefan Paravicini.