Unternehmertum in Deutschland bleibt unattraktiv
Unternehmertum bleibt unattraktiv
Zahl der Firmengründungen fällt in Deutschland laut Studie auf Tiefstand – Immer mehr Herausforderungen
Krisenzeiten sind Gründungszeiten? Zumindest in Deutschland kann davon so pauschal keine Rede mehr sein. Denn trotz schwächelnder Wirtschaft und steigender Arbeitslosigkeit verharrte die Zahl der Unternehmensgründungen 2024 laut einer Studie auf niedrigem Niveau. Die Liste an Problemen wird für Unternehmer hierzulande immer größer.
kro Frankfurt
Die Zahl der in Deutschland gegründeten Unternehmen ist laut einer Studie im vergangenen Jahr auf einen Tiefstand gesunken. Mit 160.852 Gründungen waren es 0,2% weniger als im Vorjahr – und zugleich so wenig wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen vor 30 Jahren. Das geht aus einer Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Auskunftei Creditreform hervor. Zu einem besonders starken Rückgang der Gründungen kam es zuletzt im verarbeitenden Gewerbe sowie im Baugewerbe. Im Gastgewerbe sowie bei nicht-technischen Unternehmens-Dienstleistungen (wie etwa Rechtsanwaltspraxen, Wirtschaftsprüfer oder Marktforschungsunternehmen) stieg die Zahl der Gründungen hingegen leicht an.
Zum Vergleich: Zwischen den Jahren 2015 und 2021 lag der Durchschnitt der jährlichen Gründungen noch bei rund 168.000 und Anfang der 2000er Jahre sogar noch bei über 200.000. Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sei jedoch ein deutlicher Einbruch erfolgt.
Die deutsche Wirtschaft habe sich seitdem negativ entwickelt, heißt es in der Studie. Nicht nur halten die gestiegenen Energiekosten und die ständig zunehmende weltpolitische Unsicherheit potenzielle Unternehmer vom Sprung in die Selbstständigkeit ab. Auch durch den zunehmenden Konkurrenzdruck chinesischer Unternehmen, die vielerorts marode Verkehrsinfrastruktur, eine unzureichende Digitalisierung von Behörden sowie Bürokratie, Fachkräftemangel und eine stärkere Zurückhaltung von Investoren würden die Anreize zu einer Gründung immer kleiner.
„All das schreckt sehr viele Menschen vom Unternehmertum ab“, sagt Creditreform-Leiter Patrik-Ludwig Hantzsch. „Die Leute schrecken mittlerweile sogar davor zurück, gut laufende Unternehmen zu übernehmen. Das macht die Nachfolgeplanung immer schwieriger.“
Der Wunsch ist da
Dabei ist der Wunsch nach beruflicher Selbstverwirklichung gerade bei jungen Leuten durchaus vorhanden. Das zeigt sich zumindest mit Blick auf eine Umfrage der Unternehmensberatung EY vom vergangenen Jahr. Von 2.000 Studierenden hatten 25% angegeben, nach dem Studium eine selbstständige Tätigkeit anzustreben oder ein Unternehmen zu gründen. Das waren deutlich mehr als bei der vorherigen Umfrage.
Zugleich gab fast jeder Vierte an, dass der öffentliche Dienst für sie oder ihn als Arbeitgeber besonders attraktiv sei. Den damit verbundenen Wunsch nach Jobsicherheit beschrieb EY-Partnerin Nathalie Mielke in wirtschaftlich unsicheren Zeiten als nachvollziehbar. Und er wird offenbar von immer mehr Menschen geteilt, ist die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Deutschland doch in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf zuletzt rund 5,4 Millionen gestiegen. Mit den Vorzügen einer Anstellung im öffentlichen Dienst werde der Sprung in die Selbstständigkeit nur noch unattraktiver, sagt Creditreform-Leiter Hantzsch.
Wie attraktiv oder unattraktiv das Unternehmertum in der Wahrnehmung ist, hängt mit Blick auf die ZEW-Studie aber auch von der Region ab. Denn hier gibt es große Unterschiede, vor allem im Ost-West-Vergleich. So sei die Gründungsintensität in westdeutschen Kreisen durchweg höher als in ostdeutschen. In München war zuletzt mit 71 Gründungen pro 10.000 Erwerbsfähigen die höchste Gründungsintensität zu beobachten. Im Landkreis Sommerda, im Nordosten von Thüringen, waren es dagegen nur knapp 12 Gründungen pro 10.000 Erwerbsfähige. Die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen gelten daneben ebenfalls als besonders gründungsstark.