„Viel zu viel läuft über Personalberater“
„Viel zu viel läuft über Personalberater“
Im Gespräch: Michael Kramarsch
„Viel zu viel läuft über Personalberater“
Der Vorsitzende des Aufsichtsratsverbands FEA über die Bestellung von Vorständen und Standards bei der Nachfolgeplanung
Die Suchen nach geeigneten Kandidaten für den Vorstand ersetzt nach Auffassung des Governance-Experten Michael Kramarsch nicht die strategische Nachfolgeplanung – zumal, wenn die Personalsuche an einen externen Dienstleister verlagert wird. Er nimmt vor allem den Aufsichtsrat in die Pflicht, sich stärker zu engagieren.
Von Detlef Fechtner, Frankfurt
Immer wieder werden bei der Besetzung freiwerdender Vorstandsposten in deutschen Unternehmen Defizite sichtbar. Der Corporate-Governance-Experte Michael Kramarsch macht dafür vor allem mangelndes Engagement des Aufsichtsrats verantwortlich.
Die Bestellung des Vorstands sei eine zentrale Aufgabe, vielleicht sogar die zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats. „Aber gerade bei der Auswahl des geeigneten Vorstands geht vieles schief“, lautet das Urteil des Vorsitzenden der Financial Experts Association (FEA), die sich als führende Interessensvertretung von Finanzexperten und Aufsichtsräten versteht.
Manchmal lange Vakanzen
Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung führt Kramarsch dazu aus: Mal dauere es Ewigkeiten, bis ein vakanter Posten wiederbesetzt werde. Mal löse der Aufsichtsrat durch ungeschicktes Verhalten ein öffentliches Schaulaufen aus, bei dem Kandidaten beschädigt würden. Bemerkenswerterweise schrieben sich zwei von drei Aufsichtsräten Kompetenz in Personalfragen zu, wenn sie sich im Rahmen der einschlägigen Qualifikationsmatrix selbst einschätzten. „Es müsste also eigentlich hervorragend funktionieren. Aber genau das Gegenteil ist der Fall“, argumentiert Kramarsch.
In vielen Fällen schalte der Aufsichtsrat einen externen Berater ein, der Personal für ihn suche. Dieser externe Berater wiederum schage gemeinhin externe Kandidaten vor. Auf diese Weise entledige sich der Aufsichtsrat weitgehend der Verantwortung. Denn für einen Kandidaten, der aus dem Unternehmen käme und den der Aufsichtsrat ohne Beraterunterstützung ausgewählt hätte, würde er sich persönlich viel stärker verantwortlich fühlen.
Fokus des Aufsichtsrats oft auf anderen Themen
„In anderen Worten: Viel zu viel läuft über Personalberater“, unterstreicht Kramarsch. Nachfolgeplanung dürfe sich aber nicht in externer Personalsuche erschöpfen. „Die Suchen nach geeigneten Kandidaten ersetzt nicht die strategische Nachfolgeplanung.“
Vergütung, Bestellung und Abberufung seien die stärksten Hebel, die der Aufsichtsrat zur Steuerung habe. Es stelle sich die Frage, warum sich Aufsichtsräte häufig lieber auf andere Aufgaben stürzten, noch dazu häufig auf Detailthemen, statt sich der Nachfolgeplanung anzunehmen. Bei der Antwort stoße man auf zwei Anforderungen, die vielen Aufsichtsräten lästig seien. Erstens, erläutert Kramarsch, müssten Aufsichtsräte bei der Nachfolgeplanung eng mit dem Vorstand kooperieren, zumal der Vorstand die Mitarbeiter im eigenen Hause, die sich für eine Vorstandsaufgabe empfehlen würden, besser kenne als der Aufsichtsrat. Und zweitens, weil der Aufsichtsrat für Nachfolgeplanung viel Zeit investieren müsse.
Einige Unternehmen im angelsächsischen Ausland und in der Schweiz machten übrigens vor, wie man langfristig und strukturiert im eigenen Unternehmen Mitarbeiter identifiziere und fördere, die sich für Vorstandsaufgaben empfehlten, verweist Kramarsch auf Beispiele im Vereinigten Königreich, den USA und der Schweiz. Entscheidend sei: „Die Nachfolgeplanung sollte ein Regelprozess sein.“ Je mehr Regelprozess, je mehr Standard, je mehr Transparenz – desto weniger werde jemand beschädigt, ist der Corporate-Governance-Experte fest überzeugt. Beschädigt werden könne ein möglicher Kandidat, wenn er anlassbezogen in die öffentliche Debatte gerückt und ständig aufs Neue ins Gespräch gebracht werde. Das lasse sich vermeiden, wenn der Auswahlprozess einem klaren Standard folge.
Bündelung in Personalausschuss
Die Nachfolgeplanung sollte man nach Meinung von Kramarsch nicht dem Präsidium zuweisen, sondern einem dedizierten Personalausschuss. Aktuell seien Personalthemen für Vorstand und Aufsichtsrat zwischen Nominierungsausschuss, Vergütungsausschuss und Präsidium geteilt – Gremien, die oft andere wichtige aktuelle Themen zu besprechen hätten. Vergütung, Bestellung und Abberufung sollten deshalb in einem Ausschuss zusammengefasst werden – auch für den Aufsichtsrat selbst.
Die Nachfolgersuche beginne übrigens bei der Besetzung, nicht erst, wenn ein Vorstand wieder gehe. Die übliche Verweildauer eines Vorstands im Dax liege bei vier bis fünf Jahren. „Wenn Sie jemand besetzen, müssen Sie eigentlich schon darüber nachdenken, was Sie machen, wenn er geht“, gibt Kramarsch zu bedenken.