"VW in schwierigerer Lage als 2018"

Konzernchef Diess wegen Wettbewerbsnachteilen am Kapitalmarkt besorgt - Fixkosten sollen sinken

"VW in schwierigerer Lage als 2018"

VW befindet sich nach Ansicht von Konzernchef Herbert Diess in einer schwierigeren Lage als 2018. Durch die Wahrnehmung im Kapitalmarkt als traditioneller Autohersteller sei man im Wettbewerb mit Unternehmen wie Tesla, deren Börsenwert im vergangenen Jahren hochschnellte, stark im Nachteil. ste Hamburg – Für Volkswagen-Vorstandschef Herbert Diess hat sich die Lage traditioneller Autohersteller wie VW, die sich durch neue oder potenzielle Wettbewerber mit großer Finanzkraft herausgefordert sehen und immer mehr in den Umstieg auf Zukunftstechnologien investieren, seit seiner Berufung an die Spitze des Wolfsburger Zwölfmarkenkonzerns vor knapp zwei Jahren nicht verbessert. “Ich würde sagen, trotz aller Anstrengung sind wir heute in einer eher schwierigeren Lage als 2018”, sagte der 62-Jährige der Nachrichtenagentur Bloomberg. “Was sich wirklich verändert hat – und was ich nicht in dem Maße erwartet hätte -, ist der Blick der Kapitalmärkte auf unsere Industrie.”In den vergangenen zwei Jahren mahnte Diess mit Blick auf neue Rivalen wie den US-Elektroautopionier Tesla immer wieder mehr Tempo bei der Umsetzung der E-Mobilitätsstrategie und beim Aufbau einer Softwareplattform an mit dem Ziel, den Börsenwert zu steigern. Vor Jahresfrist etwa, als Tesla in der Marktkapitalisierung mit VW noch fast gleichauf lag, betonte der VW-Chef nach einem Geschäftsjahr 2019 mit Rekordwerten bei Absatz, Umsatz und operativem Ergebnis vor Managern des Konzerns, die Zeit klassischer Automobilhersteller sei vorbei, die Zukunft von Volkswagen liege im digitalen Tech-Unternehmen. Er erinnerte an das Schicksal des Mobilfunkkonzerns Nokia und appellierte, den VW-Konzern schneller zu einem Hersteller von Fahrzeugen als massentaugliches Internet-Device umzubauen. Tesla werde am Kapitalmarkt wie ein Tech-Unternehmen bewertet, VW als Automobilunternehmen.Seitdem ist die Marktkapitalisierung von Tesla auf fast 700 Mrd. Dollar (570 Mrd. Euro) in die Höhe geschnellt. Damit ist der deutlich kleinere Elektroautohersteller, der 2020 weltweit knapp eine halbe Million Autos absetzte, an der Börse dreimal mehr wert als VW (79 Mrd. Euro), Daimler (61 Mrd. Euro) und BMW (46 Mrd. Euro) zusammen. Die Kassen der Kalifornier sind zudem prall gefüllt: Mit dem Börsen-Hype 2020 gelang es Tesla, innerhalb von zehn Monaten bei drei Kapitalerhöhungen insgesamt mehr als 12 Mrd. Dollar einzusammeln. Das entsprach in etwa den von VW mittelfristig angestrebten jährlichen Netto-Cash-flows im Autobereich von mehr als 10 Mrd. Euro. Die Autohersteller benötigen für ihren Umbruch viel Geld: Volkswagen etwa plant dafür bis 2024 mit Investitionen von 73 Mrd. Euro. Ihr Anteil an den vorgesehenen Gesamtausgaben von 150 Mrd. Euro erhöht sich verglichen mit der Mittelfristplanung von 2019 von etwa 40 auf rund 50 %.Zwar warnen Analysten vor Übertreibungen bei der Marktbewertung der auf neue Technologien ausgerichteten Unternehmen. Bernstein-Analyst Arndt Ellinghorst etwa hält die Bewertungen und die Stimmung gegenüber traditionellen Autoherstellern für viel zu pessimistisch. “Wir sind weiterhin überzeugt, dass etablierte Unternehmen mit globaler Reichweite, Markenwert und starken Bilanzen in der Zukunft der Mobilität eine dominierende Rolle spielen werden.” Doch sieht sich der VW-Konzern, der 2020 infolge der Coronakrise deutlich weniger Fahrzeuge als 2019 (11 Millionen) auslieferte, gefordert. “Unsere Anstrengungen, im neuen Wettbewerbsumfeld mithalten zu können, haben wir noch nicht ausreichend unter Beweis stellen können – unsere Bewertung ist noch bei ,Old Auto` verortet”, so Diess laut Bloomberg. “Das führt zu einem gravierenden Nachteil beim Zugang zu den erforderlichen Ressourcen für uns.”Um Boden gutzumachen, kündigte der Konzern im Dezember an, bis Ende des ersten Quartals einen Plan vorzulegen, wie die Fixkosten bis 2023 um 5 % reduziert werden sollen. Die Materialkosten sollen zudem in den kommenden zwei Jahren um 7 % sinken. “Wir müssen unsere Kosten und Effizienzarbeit deutlich verbessern, das konventionelle Autogeschäft deutlich mehr auf Rendite trimmen, damit wir unsere Zukunft finanzieren können”, sagte Diess nun. Die Gewinne mehrerer Konkurrenten seien widerstandsfähiger. Die VW-Vorzüge, die 2020 gut 13 % einbüßten, legten gestern um 0,2 % auf 147,46 Euro zu.