VW rechnet mit Frühlingserwachen in China
Von Norbert Hellmann, SchanghaiNach einem flauen Jahresstart im China-Geschäft der Volkswagen-Gruppe zeichnet sich seit März eine Wende ab. Wie VW-Vorstandsmitglied Jochem Heizmann in einer Pressekonferenz vor der heute anlaufenden chinesischen Automesse in Schanghai betonte, rechne Volkswagen über seine Konzernmarken hinweg für das laufende Jahr mit einem robusten Absatzwachstum in seinem wichtigsten Auslandsmarkt von 4 bis 5 %. Dies würde etwa dem für den gesamten chinesischen Markt von Experten erwarteten Expansionstempo entsprechen. Im ersten Quartal kam der Markt nur um 1,7 % voran. Gegenwind zu JahresbeginnDer Auftakt in das Jahr 2017 war freilich ernüchternd. Zusammen mit den beiden chinesischen Joint Ventures FAW-Volkswagen und SAIC-Volkswagen wurden einschließlich der Importe im ersten Quartal 891 500 Fahrzeuge an Kunden auf dem chinesischen Festland und in Hongkong ausgeliefert. Dies entspricht einem Rückgang von 6,7 %.Nach einem “herausfordernden Januar”, als sich die Effekte einer reduzierten Steuervergünstigung auf den Erwerb von kleinmotorigen Pkw mit bis zu 1,6 Litern Hubraum auch bei VW stark bremsend ausgewirkt haben, soll sich Heizmann zufolge bereits im März eine positive Wende bemerkbar gemacht haben. Dabei konnte die Kernmarke VW zuletzt wieder um 3,6 % zulegen.Weiter unter Druck bleibt allerdings das Geschäft von Audi als langjährigem Spitzenreiter im Premiumsegment in China. Die Marke mit den vier Ringen liegt nach dem ersten Quartal mit 108 700 ausgelieferten Fahrzeugen um gut 22 % hinter Vorjahr zurück und wurde im März erstmals in China von BMW und Mercedes überholt. Hintergrund sind laufende Spannungen im chinesischen Händlernetz, nach dem VW beschlossen hatte, den bislang ausschließlich auf das FAW-Joint-Venture beschränkten Bau von Audi-Modellen zur Unterfütterung künftiger Wachstumspläne auf ein weiteres Joint Venture mit SAIC auszudehnen. KompromisssucheBei den an FAW gebundenen Audi-Händlern hat die Aussicht auf eine Konkurrenzsituation durch das Hinzutreten von SAIC zu einer Art Rebellion geführt und eine starke Drosselung der Verkäufe nach sich gezogen. Wie Heizmann am Dienstag betonte, sei man nun aber sehr nahe daran, die Verhandlungen mit einer für alle Seiten akzeptablen Lösung abzuschließen und damit auch die Weichen für eine Erholung des Audi-Absatzes in China zu stellen. In der Branche geht man davon aus, dass VW und Audi den Händlern mit Kompensationszahlungen entgegenkommen wird. Heizmann erklärte hierzu allerdings lediglich, dass es sich um ein Gesamtpaket handele.Was die Kernmarke VW angeht, schöpfen die Wolfsburger vor allem Hoffnungen aus den nun langsam sichtbar werdenden Effekten einer “großen SUV-Offensive” für den chinesischen Markt. VW hatte nach einem Absatzrückgang in China im Jahr 2015 (siehe Grafik), der in erster Linie auf das Fehlen geeigneter Modelle zum Einfangen des chinesischen SUV-Booms zurückzuführen war, ein Revirement der lokal produzierten Modellpalette beschlossen. Dessen Früchte sollen nun immer stärker erkennbar sein. In den nächsten zwei Jahren sollen in der VW-Gruppe zehn neue, lokal produzierte SUV-Modelle im chinesischen Markt vom Stapel laufen. Insgesamt werden in diesem Zeitraum 30 neue Modelle lanciert. Tiguan setzt ein ZeichenDie positiven Effekte der Palettenstärkung habe man mit dem neuen Tiguan und dem Skoda Kodiaq als neuem SUV-Modell bereits deutlich feststellen können, betont Heizmann. Bei Tiguan sehe man eine Absatzsteigerung von knapp 27 % im ersten Quartal, wobei man im März auf ein Plus von 75 % gekommen sei. Neue Impulse sollen auch mit der Einführung eines neuen Oberklasse-SUV aus chinesischer Produktion, dem VW Teramont, verbunden sein. Das chinesische Pendant zum VW Atlas wird Heizmann zufolge zwar nicht groß zum Volumengeschäft beitragen, sorgt aber bereits für erheblichen Zulauf in chinesischen Showrooms und generiert dadurch indirekte Absatzbelebungseffekte. Die Vorbereitungen für einen energischen China-Auftritt im Markt für Elektrofahrzeuge laufen Heizmann zufolge bereits auf vollen Touren. Ziel ist es, mit den einzelnen Konzernmarken bis zum Jahr 2020 jährlich rund 400 000 in China produzierte sogenannte New Energy Vehicles (NEV) als Hybridautos und reine Batteriefahrzeuge abzusetzen. Bis 2025 sollen die jährlichen Stückzahlen dann auf 1,5 Millionen Vehikel hochgeschraubt werden.Der Aktionsplan soll in vier Phasen gemeistert werden, wobei der Anfang mit in China produzierten Plug-in-Hybrids erfolgt. Danach kommt die Lokalisierung der Produktion von Batteriefahrzeugen auf existierenden Plattformen, also beispielsweise einem E-Golf. Der entscheidende Expansionsschritt erfolgt dann mit völlig neu entwickelten Elektroautos, zu denen später auch Sport- und Oberklassewagen hinzukämen. Eine energische Forcierung des E-Fahrzeug-Geschäfts ist bei Volkswagen allein schon deshalb erforderlich, um die sich abzeichnenden Umwelt- und Emissionsschutzvorgaben der chinesischen Regierung zu erfüllen. Dabei muss über die jeweilige Herstellerflotte hinweg bis 2020 ein Durchschnittsverbrauch an Treibstoff von 5 Litern auf 100 Kilometer erreicht werden, was nur durch einen deutlich höheren Anteil von NEV in der Flotte möglich ist.Für Aufregung sorgt derzeit eine noch nicht im Detail verabschiedete Auflage, eventuell schon ab 2018 einen bestimmten Anteil von NEV an der Fahrzeugproduktion zu erreichen. Hier befürchten deutsche Hersteller schwere Nachteile und eine hohe Kostenbelastung, wenn der Zeitrahmen zu eng gestrickt ist. Heizmann zufolge gibt es allerdings in den laufenden Verhandlungen mit dem chinesischen Industrieministerium positive Anzeichen, einen tragbaren Kompromiss zu erreichen. JAC spielt SchlüsselrolleVolkswagen rüstet sich für die entsprechenden Anforderungen über eine neue Partnerschaft mit dem chinesischen Hersteller JAC. Sie soll dem Bau von kostengünstigen reinen Batteriefahrzeugen für den chinesischen Markt dienen, die unter einer neuen Marke – also nicht als VW – verkauft werden. Der Partnerschaft mit JAC kommt eine Schlüsselrolle in den Plänen zu einem kosteneffizienten NEV-Massengeschäft in China zu, unterstreicht Heizmann. Dabei habe man sich nicht zuletzt auch mit Blick auf die kommenden regulatorischen Anforderungen in China das ehrgeizige Ziel gesetzt, bereits 2018 die ersten gemeinsam von JAC und VW entwickelten Batteriefahrzeuge auf Chinas Markt zu bringen.