Wall Street zweifelt an Ellisons Feld der Träume
Wall Street zweifelt an Ellisons Feld der Träume
Wall Street zweifelt an Ellisons Feld der Träume
Analysten fordern Restrukturierung von Computing-Deal Oracles mit OpenAI – Rückzug von Finanzierungspartner Blue Owl als harter Schlag
Investoren werden zunehmend skeptischer, dass Kunden um OpenAI ihre Zusagen an Oracle auch wirklich in feste Aufträge ummünzen werden. Derweil ist die Finanzierung für den Rechenzentrenausbau des einstigen Datenbankspezialisten nach dem Abschied eines wichtigen Partners unklarer denn je.
xaw New York
Ray Kinsella streift im rötlichen Glanz der untergehenden Sonne durch sein Maisfeld in Iowa, als er eine Stimme hört. „Wenn du es baust, wird er kommen“, haucht es aus dem Nichts – die Eröffnungsszene des Filmklassikers „Feld der Träume“ wird zum Ausgangspunkt einer melancholischen Geschichte, in deren Verlauf die von Kevin Costner gespielte Hauptfigur durch den Bau eines Baseballfelds die Geister seines verstorbenen Vaters sowie zahlreicher Legenden des Sports heraufbeschwört. Letztlich strömen Besucher in Scharen zu Kinsellas von finanziellen Nöten geplagten Farm, um die Ikonen spielen zu sehen.
Wind für Aktie dreht scharf
Oracle-Gründer Larry Ellison stampft in ländlichen US-Bundesstaaten keine Baseballfelder aus dem Boden, sondern will in großem Stil Rechenzentren hochziehen – agiert dabei allerdings nach ähnlichem Muster wie Costners Film-Bauer. Doch die Credit-Analysten von J.P. Morgan hinterfragen die Strategie inzwischen kritisch: „Wenn du es baust, werden sie bezahlen?“, ist eine aktuelle Studie des Geldhauses zu Oracle in Anspielung auf „Feld der Träume“ überschrieben. Dabei beziehen sich die Analysten auf die milliardenschweren „Remaining Performance Obligations“ (RPO), die der Boom um künstliche Intelligenz dem einstigen Datenbankspezialisten eingebracht hat.

Aaron Schwartz/Sipa USA
Die einst wenig beachtete Kennzahl rückte bei den Investoren im September in den Fokus, als Oracle einen Sprung der ausstehenden Leistungsverpflichtungen um mehr als 300 Mrd. Dollar vermeldet hatte. Der Auftragsschub bescherte der Aktie eine Rally, doch seither hat sich der Wind scharf gedreht: Zwischen dem Rekordhoch am 10. September und Handelsschluss am Mittwoch in New York gab der Titel um rund 48% nach.
Sorge über zirkuläre Strukturen
Auch wenn sich die Aktie im frühen US-Donnerstagshandel leicht erholte: Investoren sind bezüglich der zirkulären Finanzierungsstrukturen der KI-Hyperscaler allgemein skeptisch geworden – und insbesondere die Zweifel daran, dass Oracle die RPO in tatsächliche Umsätze ummünzen kann, sind gestiegen. Zuletzt war die Pipeline an Aufträgen, die das Management als wahrscheinlich, aber nicht bestätigt einstuft, 523 Mrd. Dollar schwer. Damit summierte sie sich auf das Neunfache des kumulierten Umsatzes von Oracle aus den vergangenen vier Quartalen.
Der Großteil stammt laut Insidern allerdings aus einem Fünfjahres-Kontrakt mit OpenAI, in dessen Rahmen der Tech-Riese Computing-Kapazitäten für den ChatGPT-Entwickler bereitstellen soll. „Da es unwahrscheinlich ist, dass OpenAI ihren 300 Mrd. Dollar schweren Zusagen wirklich nachkommt, wäre es für Oracle wohl der beste Weg, den Vertrag proaktiv neu zu strukturieren“, kommentieren die Analysten von DA Davidson. So könne das Cloud-Unternehmen „Kapital verantwortungsvoller einsetzen, statt so zu tun, als hätte es 523 Mrd. Dollar an RPO“.
Investitionsausgaben massiv angekurbelt
Nach Berechnungen von Moody's summierten sich die Finanzierungszusagen aus KI-Deals von OpenAI Anfang Dezember auf 1,4 Bill. Dollar. Zuletzt teilte das Startup mit, es sei auf Kurs, bis Jahresende einen annualisierten Umsatz von mehr als 20 Mrd. Dollar zu erreichen. Nvidia verkündete im September, über mehrere Jahre gestaffelt 100 Mrd. Dollar in OpenAI investieren zu wollen. Damals war von einer Finalisierung des Deals „in den kommenden Wochen“ die Rede. Im jüngsten Quartalsbericht des Chipdesigners hieß es allerdings, es gebe „keine Garantie, dass ein Investment zu den erwarteten Konditionen abgeschlossen wird“ – mit dem Nachsatz „oder überhaupt“.
Oracle hat die Investitionsausgaben unterdessen deutlich stärker angekurbelt als erwartet: Im abgelaufenen Quartal beliefen sie sich auf 12 Mrd. Dollar, die Konsensprognose hatte auf 8,4 Mrd. Dollar gelautet. Für das Ende Mai abzuschließende Geschäftsjahr stellt das Unternehmen Kapitalaufwendungen von 50 statt zuvor 35 Mrd. Dollar in Aussicht. Der neue Wert würde rund drei Viertel des prognostizierten Jahreserlöses entsprechen.
Anleihe-Gläubiger werden unruhig
Um die eigenen Leistungsversprechen erfüllen und die Infrastruktur ausbauen zu können, hat Oracle den Anleihemarkt angezapft. Nach einer 18 Mrd. Dollar schweren Emission aus dem September hat sich der Spread von Bonds mit 30-jähriger Restlaufzeit gegenüber Treasuries trotz Investment-Grade-Ratings auf Niveaus ausgeweitet, die sonst im Ramschbereich zu finden sind. Der jüngste Sprung fünfjähriger Credit Default Swaps deutet darauf hin, dass sich Investoren gegen Zahlungsausfälle absichern.
Der Rückzug des eingeplanten Partners Blue Owl Capital aus einem 10 Mrd. Dollar schweren Computing-Projekt in Michigan hat den KI-Hoffnungen von Oracle den nächsten Dämpfer verpasst. Das dortige Rechenzentrum soll 1 Gigawatt an Kapazität liefern. Nun steht die Finanzierung für Ellisons Feld der Träume zunehmend infrage.
