"Wann werden wir wieder eine normale AG?"

Bilfinger-AktionÀre bereiten Vorstand und Aufsichtsrat ein Scherbengericht - Verwaltung setzt sich bei Abstimmungen durch

"Wann werden wir wieder eine normale AG?"

Von Peter Olsen, MannheimKritisch und emotional wie seit vielen Jahren nicht mehr, zugleich aber eineinhalb Stunden kĂŒrzer als vor einem Jahr – die Hauptversammlung des Bau- und Dienstleistungskonzerns Bilfinger in Mannheim hat sich vor allem mit der Ungewissheit ĂŒber die Zukunft des Unternehmens beschĂ€ftigt. Nach teils hitziger Debatte bekam die Verwaltung gleichwohl am Ende der sechseinhalbstĂŒndigen Veranstaltung bei einer PrĂ€senz um 51 % alle Tagesordnungspunkte mit Zustimmungsquoten von 95 % und mehr durch. Die Unzufriedenheit schlug sich nur bei der Entlastung von Aufsichtsratschef Eckhard Cordes (88,22 %) sowie der AufsichtsrĂ€tin Lone FĂžnss SchrĂžder (85,08 %) zĂ€hlbar nieder. Kein gutes ZeichenDass zugleich die GeschĂ€ftszahlen fĂŒr das erste Quartal 2016 vorgelegt wurden (siehe Tabelle), ging in dem Scherbengericht unter. Marc TĂŒngler von der Deutschen Schutzvereinigung fĂŒr Wertpapierbesitz (DSW) legte gleich den Finger in die Wunde: Zwei AufsichtsrĂ€te, die unmittelbar vor dem AktionĂ€rstreffen “die Biege machen”, vier Vorstandschefs in nur zwei Jahren, eine halbe Milliarde Verlust fĂŒr 2015, eine Strategie, die wesentlich davon abhĂ€ngt, ob in zwei oder drei Wochen klar ist, ob Building & Facility als starke SĂ€ule im Konzern bleibt oder nicht – “das habe ich selbst noch nicht erlebt”. Dass mit John Feldmann (frĂŒher BASF) und Hans Peter Ring (frĂŒher EADS) zwei erfahrene Industriemanager nicht mehr dem Aufsichtsrat angehören wollen, bezeichnete TĂŒngler als “kein gutes Zeichen”. “Wann werden wir wieder eine normale AG?”, deklamierte der AktionĂ€rsvertreter unter Applaus des Publikums. “Das Schlimmste fĂŒr einen AktionĂ€r ist, wenn er nicht weiß, wohin die Reise geht.” Teure Compliance-AuflagenAuch Elmar Beßlich von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Gerd Blumenthal von der Vereinigung institutioneller Privatanleger (VIP) und der “fruschtrierte Kleinanleger” Matthias Gaebler hieben in die gleiche Kerbe. Wie könne es sein, dass Bilfinger als Konsequenz aus einem 13 Jahre alten Korruptionsfall in Nigeria jetzt von US-Behörden dazu gezwungen werden könne, das eigene Compliance-System fĂŒr 50 Mill. Euro “zukunftsfest” zu machen, fragte Beßlich.Blumenthal warf dem Management vor, auf der Versammlung wie im GeschĂ€ftsbericht mit “viel Blabla” zu ermĂŒden. Es fehle eine Zielperspektive. Gaebler wiederum fasste die Situation bei Bilfinger mit den Worten zusammen: “Ich habe gedacht, ich bin im falschen Film.” FĂŒr die Fehlbesetzung Per Utnegaard, der nach kaum einem Jahr an der Vorstandsspitze das Unternehmen ohne Abfindung verließ, sei der Aufsichtsrat verantwortlich: “Herr Cordes, Sie mĂŒssen weg!”Alle Sprecher setzten sich dafĂŒr ein, fĂŒr eine Nichtentlastung der Verwaltung zu stimmen – ohne zĂ€hlbaren Erfolg, wie angesichts der geringen PrĂ€senz und der damit sicheren Mehrheit fĂŒr den GroßaktionĂ€r Cevian (26 %) nicht anders zu erwarten.Der frĂŒhere Daimler- und Haniel-Manager Cordes eckte mit der Art seiner Versammlungsleitung mehrfach beim Publikum an. Er bemĂŒhte sich, den plötzlichen Abgang zweier AufsichtsrĂ€te, auch wegen unterschiedlicher Auffassungen zur Strategie, als positives Zeichen fĂŒr die offene Diskussionskultur im Kontrollgremium darzustellen. “Wir sind kein Aufsichtsrat von Jasagern.”Auch dass der designierte CEO Thomas Blades sich nicht persönlich vorstellen konnte, spreche im Grunde fĂŒr den Manager. Seine LoyalitĂ€t gelte jetzt eben noch Linde, wenn er dann in Mannheim antrete, Bilfinger. Blades sei ein profilierter Industrieexperte und halte bereits eine betrĂ€chtliche Anzahl an Bilfinger-Aktien, versuchte Cordes den AktionĂ€ren den Neuen als gute und sichere Wahl anzukĂŒndigen.FĂŒr Feldmann und Ring wurden schließlich auf Vorschlag der Verwaltung der langjĂ€hrige belgische McKinsey-Berater Ralph Heck und die in der Schweiz tĂ€tige selbstĂ€ndige Unternehmensberaterin DorothĂ©e Anna Deuring in den Aufsichtsrat gewĂ€hlt. Wie Deuring stellte sich auch die neu gewĂ€hlte Kontrolleurin Marion Helmes (frĂŒher Celesio) auf der Hauptversammlung vor. Die Kapitalseite im Aufsichtsrat von Bilfinger ist damit zur HĂ€lfte weiblich besetzt.