"Was uns fehlt, sind Schnelligkeit und Mut"

VW-Chef dringt auf Umbau zum Tech-Konzern

"Was uns fehlt, sind Schnelligkeit und Mut"

ste Hamburg – Volkswagen muss nach Ansicht von Konzernchef Herbert Diess seinen Wandel von einem Autohersteller zu einem digitalen Technologiekonzern stark beschleunigen. “Wenn wir in unserem jetzigen Tempo weitermachen, wird es sogar sehr eng”, warnte Diess am Donnerstag laut einem Redemanuskript vor Führungskräften in Berlin.Zwei Tage nach Veröffentlichung einer im vergangenen Jahr um 1,3 % auf 11 Millionen Fahrzeuge gesteigerten Bestmarke bei den weltweiten Auslieferungen des Zwölfmarkenkonzerns zählte der VW-Vorstandsvorsitzende im vergangenen Jahr erreichte Erfolge auf. So verbessere der Konzern die Qualität des Geschäfts, Umsatz und Ertrag wüchsen schneller als der Absatz. Von Analysten bekomme man im Vergleich zunehmend Kaufempfehlungen für die VW-Aktie, die im vergangenen Jahr um ein Viertel zulegte.Dass der Konzern an Glaubwürdigkeit gewinne, sei “von enormer Bedeutung”. Diess setzte aber zugleich hinzu, dass sich der Aktienkurs von Tesla zuletzt weitaus dynamischer als der von VW entwickelt habe. In der Marktkapitalisierung liege der US-Elektroautohersteller mittlerweile fast auf gleichem Niveau wie die Wolfsburger, deren Börsenwert sich gestern auf knapp 91 Mrd. Euro belief. Die Erklärung des VW-Chefs: “Wir werden wie ein Automobilunternehmen bewertet, Tesla wie ein Tech-Unternehmen.” Erinnerung an NokiaDas vernetzte Auto der Zukunft werde zum wichtigsten “Mobile Device”. Diess erinnerte an das Schicksal von Nokia. Die Frage sei, ob VW schnell genug agiere, um dem Schicksal des einstigen Mobilfunkriesen aus Finnland zu entgehen, der den Marktwandel zu Smartphones verschlief. Die Zeit klassischer Autohersteller sei vorbei, so der VW-Chef. “Die Zukunft von Volkswagen liegt im digitalen Tech-Konzern und nur da.” Man werde ein “zusätzliches Aufholprogramm” brauchen, um das gesamte Potenzial im Konzern dafür zu mobilisieren. Die Voraussetzungen seien gegeben, zeigte sich Diess überzeugt. Im Konzernverbund gebe es großes technisches Know-how. “Wir haben, was wir brauchen.” Dazu gehöre auch, dass die Transformation mit den Erlösen der heutigen Technik aus dem Cash-flow finanziert werden könne. “Was uns fehlt, das sind vor allem Schnelligkeit und der Mut zu kraftvollem, wenn es sein muss radikalem Umsteuern.” Toyota als Maßstab Um beim Unternehmenswert auf 200 Mrd. Euro – das Niveau von Toyota – zu kommen, hält der VW-Chef drei Punkte für entscheidend: Zum einen müssten die neuen CO2-Grenzwerte eingehalten werden, indem die Elektrostrategie umgesetzt werde. 2020 sei bei einer Differenz des Konzerns von 30 Gramm zum Grenzwert “das Jahr der Wahrheit für die CO2-Compliance”. Zum Zweiten gelte es, die Elektrostrategie umzusetzen, ohne Profitabilität zu verlieren. “Die Margen im Jahr 2020 müssen mindestens halten”, so Diess.Dafür werde man Synergien im Konzernverbund konsequenter nutzen und Komplexität noch stärker reduzieren. Dazu gehöre auch, Aktivitäten regelmäßig zu prüfen. So bremst VW nun beim Mitfahrdienst Moia. Das Engagement, so Diess, werde zeitlich gestreckt, bis die Voraussetzungen für die Profitabilität besser seien. Der VW-Chef unterstrich, der Konzern brauche ein grundlegendes Umdenken weg von der Volumenorientierung hin zur Ergebnisqualität, um die Zielmargen dauerhaft zu steigern. Zudem machte er klar, dass das Konzernziel über den Markenzielen stehe. Es sei verständlich, dass einige Marken eine andere Strategie fahren würden, wenn sie allein wären. “Aber wir operieren als Konzern.” Mit Blick auf Finanzziele des Konzerns und den Wettbewerb fügte Diess hinzu, dass 6 % des Umsatzes für Forschungs- und Entwicklungsausgaben und für Investitionen die maximale Obergrenze seien. Toyota laufe in diesen Disziplinen bei 3 bis 4 % und gelte als innovativ und umweltfreundlich.Als dritten Baustein zur Steigerung des Unternehmenswerts nannte Diess den Aufbau einer Softwareplattform und den Erfolg der neuen Car-Software-Organisation, die seit Anfang 2020 als eigenständige Geschäftseinheit agiert. Hier dürfe man nicht warten, bis alle organisatorischen Fragen bis ins Letzte geklärt werden, sondern müsse loslegen. “Der Erfolg der Car-Software-Org entscheidet über unsere Zukunft.”Der VW-Chef bezeichnete den Wandel vom Automobilkonzern zum digitalen Tech-Konzern als “gigantische Herausforderung”. Er zeigte sich dennoch zuversichtlich, den als erforderlich angesehenen “Radikalumbau des Konzerns” zu schaffen.