„Wir haben deutliche Probleme mit der Kommerzialisierung guter Geschäftsideen“

Startup-Investorin Ina Schlie sieht hohe strukturelle Hürden – vor allem für Gründerinnen – und kritisiert die viel zu geringe Anzahl von IPOs in Deutschland.

„Wir haben deutliche Probleme mit der Kommerzialisierung guter Geschäftsideen“

Der deutsche Venture Capital (VC)-Markt hat sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt und zeigt sich heute deutlich reifer als vor einem Jahrzehnt. So die Diagnose der KfW in einer Studie vom März dieses Jahres. Allerdings bestehe nach wie vor ein Rückstand im Vergleich zu wichtigen internationalen Märkten, in denen Startups mehr Kapital zur Verfügung stehe. Ein Grund dafür ist die vergleichsweise geringe Anzahl von Gründerinnen und Investorinnen. 19% der Unternehmensgründungen gehen auf Frauen zurück, sie erhalten aber nur 1% des zur Verfügung stehenden Kapitals. Oder wie die KfW schreibt: Von jedem Euro VC-Investitionen in Deutschland im Jahr 2024 entfielen 90 Cent auf rein männliche Gründerteams, 9 Cent auf gemischte Teams und lediglich 1 Cent auf rein frauengeführte Startups.

Hier setzt der Verein „Encourageventures“ an, der 2021 gegründet wurde. „Wir sind ein Netzwerk, das gezielt Gründerinnen und Investorinnen unterstützt“, sagt Ina Schlie, eine der Vereins-Initiatorinnen im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dabei gehe es nicht nur um die Finanzierung, sondern auch um die Beratung und das Gespräch rund um das Unternehmertum. Unterstützt werden divers geführte Startups. Voraussetzung ist, dass mindestens eine Frau im Gründungsteam ist.

Die KfW spricht in ihrer Studie zum deutschen Venture-Capital-Markt in Bezug auf das unausgewogene Geschlechterverhältnis von „ungehobenen Potenzialen“. Dem kann Schlie nur zustimmen. Die Gründe für den geringen Anteil von Frauen in der Gründerszene sind mannigfaltig. „Die strukturellen Hürden für Frauen in der Gründungs- und Investmentlandschaft sind weiterhin hoch“, sagt die ehemalige SAP-Managerin. Netzwerke, Entscheidungsstrukturen und Bewertungskriterien seien häufig männlich geprägt. Geld wäre vorhanden – 40% des Vermögens in Deutschland ist laut Schlie in Frauenhand –, aber Frauen sind häufig noch risikoaverser als Männer und empfinden Investitionen in Startups als Hochrisikogeschäft. Aus diesem Grund hat Encourageventures eine Business-Angel-Akademie ins Leben gerufen, die Investorinnen und Investoren Schritt für Schritt an das Thema Angel Investing heranführt.

Startups „verdursten unterwegs“

Nach Meinung von Volkswirtin Schlie, die selbst über ihre Beteiligungsgesellschaft in Startups investiert ist, ist in Deutschland grundsätzlich zu wenig Wagniskapital vorhanden. Das macht es Gründerinnen schwer, aber auch ihren männlichen Kollegen. „Wir sind nach wie vor ein forschungsfreundliches Land, aber wir haben deutliche Probleme mit der Kommerzialisierung guter Geschäftsideen.“ Nicht nur sei zu wenig Wagniskapital in den Früh- und Spätphasen vorhanden, zudem gebe es eine viel zu geringe Anzahl an IPOs – „deshalb verdursten viele Startups unterwegs“. Oder sie verkaufen sich selbst, vorrangig an ausländische Geldgeber, so dass Wissen abwandert. Ins gleiche Horn stößt die KfW: „Für eine nachhaltige Belebung des deutschen VC-Markts sind aufnahmefähige Exit-Märkte, die erlösstarke Exits ermöglichen, ein entscheidendes Element.“ Insbesondere bei den als Exit-Kanal besonders renditeträchtigen Börsengängen habe der US-amerikanische Markt wegen des dort größeren und liquideren Kapitalmarktes einen strukturellen Vorteil. Exits über ein IPO seien dort viermal so häufig wie bei in Deutschland beheimateten Startups.

Das Netzwerk „Encourageventures“ zählt vier Jahre nach der Gründung 1.300 Startups und 800 Investorinnen und Investoren (Männeranteil: 5%). Startups können sich auf der Website des Vereins registrieren und werden bewertet. Die 15 bis 20%, die als gut befunden werden, dürfen ihre Ideen präsentieren. Dafür gibt es Dutzende Gelegenheiten im Jahr.

Im Gespräch: Ina Schlie

„Probleme mit Kommerzialisierung guter Geschäftsideen“

Startup-Investorin sieht hohe strukturelle Hürden vor allem für Gründerinnen und kritisiert viel zu geringe Anzahl von IPOs

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Die Startup-Investorin Ina Schlie sieht hohe strukturelle Hürden in Deutschland – vor allem für Gründerinnen. Jede fünfte Unternehmensgründung hierzulande geht laut einer KfW-Studie auf eine Frau zurück, doch sie erhielten nur 1% des zur Verfügung stehenden Kapitals. Zudem kritisiert Schlie die viel zu geringe Anzahl an Börsengängen in Deutschland.