DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: MARKUS KREBBER

"Wir haben die liquiden Mittel verfügbar"

Der Finanzchef von RWE über die Kassenlage des Energiekonzerns nach der Milliardenzahlung an den staatlichen Atommüllfonds

"Wir haben die liquiden Mittel verfügbar"

– Herr Krebber, es wurde jüngst spekuliert über eine indirekte Überkreuzbeteiligung zwischen dem französischen Energiekonzern Engie sowie der RWE-Tochter Innogy und RWE selbst. Laut Aufsichtsratsbeschluss kann RWE die Innogy-Anteile nur bis auf 50 % abverkaufen. Engie-Chefin Isabelle Kocher hat inzwischen ein Interesse verneint. Was bedeutet das für RWE?Wir kommentieren Marktgerüchte generell nicht. Aber was den Aufsichtsratsbeschluss angeht, kann ich Ihnen sagen: Das Regelwerk der RWE AG sieht vor, dass sämtliche Anteilskäufe und -verkäufe, die 8 % des Grundkapitals der RWE AG überschreiten – also einen Wert oberhalb von 126 Mill. Euro haben -, der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Insofern ist der Aufsichtsrat also bei nahezu jeder Art von Anteilsverkauf involviert.- Neben der üppigen Ausschüttung Ihrer Tochter Innogy, die RWE 680 Mill. Euro an Dividenden gezahlt hat, will RWE sein Geld künftig als Versorgungssicherheits-Lieferant verdienen. Sie fordern einen Kapazitätsmarkt mit staatlicher Vergütung für das Bereithalten von Reservekraftwerken. Treffen Sie auf offene Ohren in Berlin?Ich denke, nach der Bundestagswahl wird dieses Thema auf die Agenda kommen müssen. Wir sehen schon heute Knappheitsphasen im Markt. Das zeigt auch unser Ergebnis im ersten Quartal in der europäischen Stromerzeugung – also im Geschäft mit den Gas- und Steinkohlekraftwerken. Da haben wir von der Marktknappheit profitiert – von der “Dunkelflaute”, wenn Solaranlagen und Windräder bei bedecktem Himmel und Flaute im Winter kaum Strom erzeugen. Wir verdienen dann mehr, weil die Preise an den Spot- und Reservemärkten steigen. Diese Preisspitzen sind zwar gut für unser Ergebnis, schaffen aber auf Dauer keine Versorgungssicherheit.- Solche kurzfristig auftretenden Preisspitzen sind keine nachhaltige Grundlage für Investitionen?So ist es. Das Problem der Bereitstellung sicherer Leistung kann nur im richtigen Rahmen gelöst werden. Dazu braucht es ein verändertes Marktdesign. Ob das ein dezentraler Leistungsmarkt wird oder ein anderes Modell ist uns gleich. Wenn gesicherte Leistung keinen Preis bekommt, wird sie niemand vorhalten. Das ist ganz einfach. Würde man das Auktionsmodell in Großbritannien auf Deutschland übertragen, würde das etwa 2 Mrd. Euro pro Jahr kosten. Stellt man das den rund 25 Mrd. Euro für die Erneuerbare-Energien-Abgabe gegenüber, erscheint das für garantierte Versorgungssicherheit kein zu hoher Preis.- Was bedeutet das Preisspitzenmodell, das als Alternative zu dem von Ihnen geforderten Kapazitätsmarkt vom Kartellamt vorbereitet wird, für RWE?Der neue Leitfaden des Kartellamtes für die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht in der Stromerzeugung bringt nichts Neues. Wie bereits gesagt: Sporadische Preisspitzen schaffen auf Dauer keine Versorgungssicherheit und setzen keine nachhaltigen Investitionsanreize.- Sie haben die Kernenergie und die Braunkohle, deren Ergebnisbeitrag sich zuletzt halbiert hat, vom übrigen Konzern in der Sparte RWE Power separiert. Ist das der erste Schritt zu einem Verkauf – nach dem Vorbild Ihres Konkurrenten Vattenfall?Die Gesellschaften RWE Generation – mit den Gas-, Biomasse-, Hydro- und Steinkohlekraftwerken – sowie RWE Power – mit Braunkohle und Kernenergie – waren auch bisher schon gesellschaftsrechtlich selbständig. Heute werden die beiden selbständigen Erzeugungsgesellschaften, RWE Power und RWE Generation, im Vorstand durch Matthias Hartung in Personalunion geführt. Er geht Ende dieses Jahres planmäßig in den Ruhestand. Wir werden die Personalunion dann aufheben. Beide Gesellschaften können damit noch flexibler agieren und sich auf ihre jeweiligen Energieträger fokussieren. Die Separierung der Kernenergie in eine GmbH folgt im Übrigen den Anforderungen, die sich aus dem staatlichen Fonds zur Finanzierung der Folgekosten der Kernenergie und den damit einhergehenden Transparenzanforderungen ergeben; das haben andere Unternehmen auch so geregelt.- Am 1. Juli muss RWE rund 7 Mrd. Euro an den Atommüll-Entsorgungsfonds überweisen. Dadurch werden Sie die Ewigkeitslasten der Kernenergie los. Wie bringen Sie das Geld auf?Wir haben die liquiden Mittel verfügbar und werden nach Überweisung der 6,8 Mrd. Euro im Sommer immer noch über ausreichend Liquidität für unser operatives Geschäft verfügen. Unter anderem stammen die Mittel aus dem Anteilsverkauf im Zusammenhang mit dem Innogy-Börsengang, der uns 2,6 Mrd. Euro eingebracht hat, und aus dem früheren Verkauf der Öl- und Gasfördergesellschaft Dea.- Das Bundesverfassungsgericht hat die Kernbrennstoffsteuer für null und nichtig erklärt. RWE erhält eine Steuerrückerstattung inklusive Zinsen von 1,9 Mrd. Euro. Wofür werden Sie diese unerwarteten Einnahmen einsetzen?Die überwiegenden Mittel aus der Rückerstattung der Steuer wollen wir zur Stärkung der Finanzkraft unseres Unternehmens nutzen. Aber wir wissen auch, dass wir unseren Anteilseignern mit der zweimaligen Aussetzung der Dividende für Stammaktien in den letzten beiden Jahren viel zugemutet haben. Deshalb planen wir, der Hauptversammlung im April 2018 die Ausschüttung einer einmaligen Sonderdividende in Höhe von 1 Euro je Aktie vorzuschlagen. Das halten wir für fair und angemessen.- Könnte RWE an einer Übernahme des Eon-Anteils am Kraftwerksbetreiber Uniper interessiert sein?Wir werden uns an solchen Spekulationen nicht beteiligen. Wir sehen aber mit Interesse und Freude, wie viel Fantasie auf einmal im Markt herrscht hinsichtlich der Zukunftsperspektiven der Stromerzeuger. Wir können uns ruhig zurücklehnen und alle Optionen prüfen.- Könnte RWE an einem Einstieg bei der Steag interessiert sein?Wir konzentrieren uns auf unsere Arbeit im Tagesgeschäft und die strategische Weiterentwicklung von RWE. Wir wollen unser Portfolio an flexiblen Assets – also an Kraftwerken, die als Ausgleich der schwankenden Ökostromeinspeisung dienen – weiterentwickeln. Das ist ein erklärter Teil unserer Strategie. Wir verfügen über den finanziellen Handlungsspielraum, verspüren aber keinerlei Handlungsdruck, sondern werden alle möglichen Optionen in Ruhe prüfen.- Für 2017 will RWE rund 300 Mill. Euro an Dividenden an die Aktionäre ausschütten. Wie sieht es für 2018 aus?Wir haben in unseren Dividendenausblick im März bewusst eine Perspektive für 2017 und die Folgejahre aufgenommen und gesagt, dass wir die 50 Cent pro Aktie mindestens zahlen wollen. Für die Jahre ab 2019 sehen wir Chancen auf eine weitere Verbesserung. Diese Aussagen gelten unverändert.- Mit fast 24 Mrd. Euro Schulden hat sich der Verschuldungsfaktor von RWE auf 4,5 verschlechtert. Ist das nicht zu viel?Nein. Denn das bezieht sich auf die Verschuldung auf konsolidierter Konzernebene. Ein Großteil dieser Schulden liegt bei unserer Tochter Innogy – nämlich rund 17 Mrd. Euro. Die Verschuldung von RWE ohne Innogy liegt bei rund 7 Mrd. Euro. Dem steht der Wert unseres Innogy-Anteils von über 15 Mrd. Euro gegenüber. Das ist finanziell eine sehr solide Position.- Kommt nach der Atomstiftung nun die Braunkohlestiftung?Wir haben für unsere Braunkohle einen klaren Fahrplan. Er steht im Einklang mit den Klimaschutzzielen und gibt den Beschäftigten wie den Regionen Planungssicherheit. Wir werden bis 2020 rund 15 % weniger CO2 ausstoßen als heute – durch die Sicherheitsbereitschaft; bis Anfang der 2030er Jahre werden es 40 bis 50 % weniger CO2 sein – unter anderem durch das Ende des Tagebaus Inden und die damit verbundene Schließung des Kraftwerks Weisweiler. Eine weitere CO2-Minderung kommt nach 2030 bis zum Auslaufen der Tagebaue Hambach und Garzweiler etwa Mitte des Jahrhunderts. Die Braunkohle wird aus Gründen der Versorgungssicherheit gebraucht, hier ist ein Technologiemix unerlässlich. Sich beim Thema Versorgungssicherheit auf einen Energieträger zu verlassen, schafft keine Sicherheit.—-Das Interview führte Christoph Ruhkamp.