InterviewJutta Dönges

„Wir beschäftigen uns intensiv mit der Strategie“

Aumovio-CFO Jutta Dönges hat ein schuldenfreies Haus übernommen. Sie erläutert im Interview, warum Dividenden und Aktienrückkäufe für sie momentan dennoch kein Thema sind, wann aus der Kostenstory eine Wachstumsstory wird und wie es um das Verhältnis zu Großaktionär Schaeffler steht.

„Wir beschäftigen uns intensiv mit der Strategie“

Im Interview: Jutta Dönges

„Wir beschäftigen uns intensiv mit der Strategie“

Die Finanzchefin des MDax-Aufsteigers Aumovio hält das Geld zusammen, um Produktinnovationen und möglicherweise auch Zukäufe stemmen zu können

Fast jeder fünfte Autozulieferer ist finanziell angeschlagen, stellte jüngst eine Deloitte-Studie fest. Ganz anders bei Aumovio: Die Continental-Ausgliederung, die am 22. Dezember in den MDax aufsteigt, ist schuldenfrei. Finanzvorständin Jutta Dönges erläutert im Interview, warum Dividenden und Aktienrückkäufe für sie momentan dennoch kein Thema sind, wann aus der Kostenstory eine Wachstumsstory wird, inwiefern die US-Zölle das Unternehmen belasten und wie es um das Verhältnis zu Großaktionär Schaeffler steht.

Frau Dönges, herzlichen Glückwunsch zur Aufnahme in den MDax. Was ändert sich dadurch für Aumovio?

Zum einen bekommen wir eine größere Aufmerksamkeit durch die Notierung im MDax. Wir haben eine Investorenbasis, die sich aus dem Spin-off technisch ergeben hat. Es gab sicherlich auch etwas Bewegung in den letzten Wochen und Monaten. Aber durch die Aufnahme in den MDax ist der Fokus jetzt noch einmal größer und damit steigt natürlich auch die Erwartung an das, was wir machen. Zum anderen geht mit einer Indexaufnahme eine gesteigerte Nachfrage nach unserer Aktie und damit eine höhere Liquidität einher. Das darf man jetzt nicht überbewerten, aber durch die passiv gemanagten Fonds und ETFs, die die Indexzusammensetzung physisch nachbilden, entsteht diese automatisch. Das passiert aber nicht über Nacht. Zwischen der Ankündigung unseres MDax-Einstiegs Anfang Dezember und der tatsächlichen Änderung der Indexzusammensetzung am 22. Dezember liegt auch noch etwas Zeit.

Erwarten Sie sich auch Änderungen in ihrer Aktionärsstruktur? Ihr Hauptanteilseigner mit 46% ist Schaeffler. Gibt es von dort Signale, ob sich etwas ändern könnte?

Es gibt keine Signale. Wir sind natürlich mit unserem Großaktionär in einem sehr konstruktiven und vertrauensvollen Dialog. Wie er sich verhält nach dem Auslaufen der Haltefrist im April 2026, liegt ganz alleine in seinem Ermessen.

Halten Sie eine Übernahme von Aumovio durch Schaeffler für denkbar? Schaeffler hat ja auch die ehemalige Continental-Antriebssparte Vitesco übernommen, die erst kurz zuvor ausgegliedert und an die Börse gebracht worden war.

So eine Übernahme wie Vitesco durch Schaeffler basiert ja auf einer gewissen strategischen Logik. Und vergleichbar wie bei Vitesco sehen wir diese in unserem Fall nicht. Also insofern haben wir keine Anhaltspunkte für solch einen Schritt.

Inwiefern besteht diese strategische Logik nicht?

Es gibt keine großen Überlappungen in den Geschäftsaktivitäten und damit auch keine absehbaren Synergien. Aktuell arbeiten wir primär in Form einer Einkaufskooperation und in unserem Bereich Contract Manufacturing mit Schaeffler zusammen. Insgesamt bewegt sich das aber in einer sehr überschaubaren Größenordnung.

Würden Sie sich denn wünschen, dass Sie noch einen zweiten Ankeraktionär hätten?

Wir sind kontinuierlich im Dialog mit Investoren, die heute schon Anteile halten. Und wir sind im Gespräch mit potenziell neuen Investoren. Vermutlich wird das auch zu Veränderungen im Aktionariat führen. Wir sind grundsätzlich daran interessiert, Aktionäre zu haben, die ein langfristiges Interesse an Aumovio haben und insbesondere unsere Strategie unterstützen. Ob das jetzt ein weiterer größerer Aktionär ist oder ob das viele kleinere sind, ist für uns erstmal nicht relevant. Für uns ist wichtig, dass wir unsere Strategie umsetzen und den Wert des Unternehmens steigern. Daran können dann alle Aktionäre partizipieren.

Continental hat Aumovio bei der Abspaltung finanziell gut ausgestattet. Sie sind schuldenfrei, was finanzielle Spielräume eröffnet. Kommt ein Aktienrückkauf in Frage?

Stand heute kann ich das verneinen. Wir sind in der Tat sehr gut ausgestattet worden zum Zeitpunkt des Spin-offs, das ist jetzt nicht mal drei Monate her. Als ich mich entschieden habe, zu Aumovio zu gehen, war für mich ein ganz wesentliches Kriterium, dass wir anders als viele Wettbewerber eine starke Bilanz und eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit haben. Das erlaubt es uns, dass wir uns auf unsere Hausaufgaben konzentrieren können, sprich unsere Transformation und Strategie umsetzen und insbesondere daran arbeiten, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten, unsere Effizienz steigern und die Kostensparprogramme fortsetzen. Das ist von übergeordneter Bedeutung.

Wie sieht es mit der Dividende aus? Da hatten Sie eine Spanne genannt.

Wir haben gesagt, dass wir zwischen 10 und 30% des Nettoergebnisses ausschütten wollen. Der Grund für das Engagement von Investoren in Aumovio ist grundsätzlich weniger darin zu finden, dass wir ein großes Dividendenversprechen geben, sondern dass wir den Wert des Unternehmens insgesamt steigern wollen durch die Umsetzung unserer Strategie. Für 2025 werden wir sicherlich keine Dividende in Aussicht stellen. Alles, was danach kommt, inklusive der Frage, ob Aktienrückkäufe irgendwann einmal auf die Agenda gehoben werden, werden wir in unserer Kapitalallokationsstrategie zusammenfassen.

Für 2025 werden wir sicherlich keine Dividende in Aussicht stellen.

Wann ist mit einer Strategie zur Kapitalallokation zu rechnen?

Ich bin jetzt etwas mehr als einen Monat im Unternehmen. Das ist sicherlich eines der Themen, mit dem ich mich in den nächsten Wochen und Monaten vorrangig beschäftigen werde. Wir werden im Laufe des ersten Halbjahres 2026 eine Kommunikation gegenüber dem Kapitalmarkt machen – eingebettet in den Gesamtzusammenhang unserer strategischen Ausrichtung. Das Kapital auf der Bilanz gibt uns jetzt erstmal finanzielle Resilienz und Stabilität. Kapital kann man entweder an Aktionäre zurückgeben – auf verschiedene Art und Weise – oder man kann es im Unternehmen halten und gewinnbringend einsetzen. Und wir möchten insbesondere in Technologien investieren, die unsere Innovationsstärke weiter fördern. Und dafür brauchen wir Investitionsmittel.

Wollen Sie diese Mittel auch für Zukäufe nutzen?

Das ist eine Frage des Zeitpunkts. Wir werden uns im nächsten Jahr intensiv mit der Strategie des Unternehmens beschäftigen, sie schärfen und weiter umsetzen. Daran kann sich dann die Frage anschließen, ob Zukäufe sinnvoll sind oder nicht. Und dann muss man sich natürlich immer anschauen, was im Markt verfügbar ist und zu welchem Preis. Jede M&A-Transaktion muss sich am Ende des Tages auch rechnen.

Sind umgekehrt Spartenverkäufe denkbar?

Wir sind heute bei gut 80% unserer Produkte in den Top drei der jeweiligen Kategorie weltweit. Für die anderen 20% schauen wir uns an, ob wir die Chance haben, in eine Topposition hineinzuwachsen. Wenn das nicht gelingt, müssen wir uns die Frage stellen, ob wir an dem Produkt festhalten wollen. Die Portfoliobereinigung hat unter anderem mit dem Verkauf des Trommelbremsen-Geschäfts in Italien schon begonnen.

Steht Aumovio zum Standort Deutschland?

Wir haben ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland, und wir haben uns ganz bewusst für das Listing an der Frankfurter Wertpapierbörse entschieden. Aber richtig ist auch, dass wir uns regelmäßig anschauen, ob wir mit unserer Standortlandschaft als global agierendes Unternehmen wettbewerbsfähig agieren können. Wir haben hier schon eine ganze Menge in der Vergangenheit getan und der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Aber wir schätzen Deutschland und unsere hiesigen Mitarbeitenden mit ihren Kompetenzen und ihrer Innovationskraft.

Autohersteller verlagern Teile der Produktion ins Ausland – setzt Sie das nicht unter Zugzwang?

Wenn wir für einen Kunden ein Produkt entwickeln und produzieren, dann schauen wir uns natürlich an, wo können wir das am besten machen vor dem Hintergrund von Produktionskapazitäten, Produktionskosten und Lieferketten. Insofern ist das nichts, was man pauschal beantworten kann, sondern was wir in jedem einzelnen Fall konkret prüfen und entscheiden.

Noch unter Continental ist ein großer Stellenabbau gestartet worden, der im Geschäftsfeld Automotive mehr als 10.000 Jobs betrifft. Läuft dieser Abbau noch – und stehen Sie weiter so stark auf der Kostenbremse?

Es sind mehrere Abbauprogramme in der Vergangenheit initiiert worden. Tatsächlich sind wir mit der Umsetzung auch schon relativ weit. Nichtsdestotrotz müssen wir uns kontinuierlich anschauen, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind. Der Fokus lag in der Vergangenheit insbesondere darauf, Fixkosten zu reduzieren. Was wir uns jetzt verstärkt anschauen, ist die Frage der Forschungs- und Entwicklungsaufwände. Wir planen, unsere F&E-Quote – das heißt unsere F&E-Kosten im Verhältnis zum Umsatz – bis 2027 auf unter 10% zu senken und sie langfristig auf etwa 9% zu reduzieren. Da sind wir heute noch nicht. Insofern sind weitere Maßnahmen erforderlich, um eine im Wettbewerb angemessene Quote zu erreichen.

Das heißt, Sie investieren im Moment mehr in Forschung und Entwicklung als Ihre Wettbewerber?

In der Tat. Das ist auch aus der Historie begründet. Wir sehen aber großes Potenzial, auch durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz, die Entwicklungskosten zu reduzieren.

Weg von den Kosten, hin zum Geschäft. Wie läuft es derzeit?

Wir haben schon Anfang November bei unser Neunmonatsberichterstattung gesagt, dass das Marktumfeld herausfordernd ist. Das setzt sich im vierten Quartal fort. Es hat keine Verbesserung gegeben. Der Chipmangel wegen Nexperia hat dazu geführt, dass die Lieferketten durcheinander gerüttelt werden. Was wir aber auch gesagt haben ist, dass unser Fokus auf der Kostenseite liegt. Das lässt sich in den Zahlen schon erkennen: Was wir auf der Topline einbüßen, können wir durch die Verbesserungen auf der Kostenseite mehr als kompensieren. Das hat dazu geführt, dass sich unsere bereinigte Ebit-Marge als eine unserer wesentlichen Finanzkennzahlen verbessert hat. Wir haben daraufhin für das Gesamtjahr unsere Guidance präzisiert und wollen nun am oberen Ende der prognostizierten 2,5 bis 4% bereinigte Ebit-Marge landen. Und das gilt nach wie vor.

Die Jahresprognose steht also?

Die Jahresprognose steht, das gilt auch für den Umsatz. Wir erwarten Stand heute, dass unser freier Cashflow in diesem Jahr positiv sein wird – trotz aller Restrukturierungsmaßnahmen und Sonderaufwände, die wir durch den Spin-off und das Listing an der Frankfurter Wertpapierbörse hatten.

Aumovio ist momentan eine Kostenstory. Wann wird es zu einer Wachstumsstory?

Das hängt eng zusammen mit der Entwicklung der weltweiten Fahrzeugproduktion. Wenn man sich die Prognosen anschaut – ich beziehe mich auf die Daten von S&P – dann sieht man, dass 2027 und 2028 wieder von steigenden Produktionszahlen auszugehen ist. Der zweite Faktor, der noch wichtiger ist, ist unser Content per Vehicle. Also ob unser Beitrag pro Auto wächst durch neue, innovative Produkte. Hier wollen wir überproportional zulegen.

Mit welchen Produkten wollen Sie dieses Wachstum erreichen?

Vieles dreht sich um Lösungen für die Elektronik- und Software-Architektur im sogenannten Software-defined Vehicle. Auch Autonomes Fahren ist ein sehr großes Feld, wenngleich die Marktentwicklung hier langsamer vonstattengeht als vielleicht erwartet. Die beiden Dinge gehören natürlich zusammen. Beispielsweise investieren wir in Nordamerika, um entsprechende Kapazitäten aufzubauen.

Investieren Sie in Nordamerika im Speziellen wegen der Zölle?

Die Zollthematik spielt hier eine untergeordnete Rolle. Wir sind natürlich von den Zöllen betroffen. Wir haben gegenüber dem Kapitalmarkt gesagt, dass wir hier von einem Effekt von ungefähr 100 Mill. Euro ausgehen. Das wird aber nicht unser Ergebnis in diesem Umfang belasten. Wir sind im engen Austausch mit den Kunden und den Behörden, um Erstattungen zu bekommen. Das dauert eine gewisse Zeit. Bis dahin müssen wir in Vorleistung gehen. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass wir das Geld zurückbekommen.

Wie viel Ihrer Zeit beansprucht das Zollthema?

Wir haben ein Team, das sich sehr dezidiert mit diesem Thema auseinandersetzt und regelmäßig darüber informiert, wo wir stehen. Im Kern geht es um die Frage, wieviel Ausstände haben wir und wo stehen wir in den Gesprächen mit den Kunden bezüglich der Erstattungen.

Sie schreiben netto rote Zahlen – auch schon unter Continental. Bis wann wollen Sie das Ergebnis in die schwarzen Zahlen drehen?

Es gibt keine Zielvorgabe, aber die Ambition ist natürlich, dass das so schnell wie möglich passiert. Bei den wesentlichen KPIs sind wir ja schwarz: bereinigte Ebit-Marge und freier Cashflow. Die Frage, wie es unter dem Strich aussieht, ist natürlich relevant für die Möglichkeit, Dividenden zahlen zu können. Wie gesagt stellen wir das für 2025 nicht in Aussicht, aber unser Anspruch ist schon, dass wir eine Dividende in den Folgejahren zahlen.

Noch eine persönliche Frage: Sie sind erst seit gut einem Monat im Job. Was war die größte Überraschung in der Autobranche?

Die Branche kannte ich schon ein wenig. Ich habe in meiner Investmentbanking-Zeit Einblicke in den Automobilsektor gewonnen. Und während der Corona-Pandemie, als ich in der Finanzagentur war, habe ich mir den einen oder anderen Zulieferer anschauen dürfen. Was mich aber positiv bei Aumovio überrascht hat: Unter unseren Mitarbeitenden herrscht eine Aufbruchstimmung. Sie sind hochmotiviert und wollen aus diesem Veränderungsprozess der Branche als Sieger hervorgehen – egal, ob ich ins Werk gehe, ob ich mit den Entwicklern spreche, mit den Kollegen aus der Strategie oder aus dem Finanzbereich. Ich finde das sehr motivierend.

Das Interview führte Daniel Schnettler.