Thomas Toepfer

„Wir sind komplett ausverkauft“

Covestro kann sich wie viele andere Chemieunternehmen vor Nachfrage kaum retten. Limitierender Faktor sind jedoch die Produktionskapazitäten, erläutert Finanzchef Thomas Toepfer im Interview.

„Wir sind komplett ausverkauft“

Annette Becker.

Herr Toepfer, die Wachstumsdynamik hat sich im zweiten Quartal beschleunigt, geht das im zweiten Halbjahr weiter?

Wir sind im zweiten Quartal im Kerngeschäft um 35 % gewachsen. 10 Prozentpunkte kommen dabei von der Erstkonsolidierung von RFM, bleiben operativ 25 %. Das ist immer noch eine sehr starke Zahl. Im Augenblick ist der limitierende Faktor nicht der Markt, sondern unsere Fähigkeit zu produzieren. Sprich: Wir sind komplett ausverkauft. Wenn wir mehr Produkt verfügbar hätten, könnten wir es auch verkaufen. Entscheidend ist für mich die Frage, ob wir über dem Vorkrisenniveau sind. Das ist sowohl im Umsatz als auch im Ergebnis der Fall.

Das heißt im Vergleich zu 2019. Wer Covestro kennt, weiß jedoch, dass das Unternehmen schon Ende des Jahres 2018 in eine – wenn auch anders begründete Krise – geschlittert ist. Sind Sie schon auf dem 2018er Niveau zurück?

Umsatzmäßig war das zweite Quartal des beste der Firmengeschichte. Ergebnismäßig sind wir gemessen an unserer erhöhten Guidance noch knapp unter den Höchstständen aus den Jahren 2017 und 2018. Das zeigt, es gibt noch keine Überhitzung. Daher werden wir die Preise und Margen weitgehend auch im dritten Quartal halten können.

Im Zwischenbericht ist von einer vorteilhaften Wettbewerbssituation in den Divisionen Polyurethanes und Polycarbonates die Rede. Was kann man sich darunter vorstellen?

Wir haben eine hohe Nachfrage, die nicht nur auf Aufholeffekten beruht. Zugleich kann das Angebot mit der Nachfrage nicht immer Schritt halten. Wir, aber auch Wettbewerber hatten ungeplante Produktionsausfälle, beispielsweise durch die Winterstürme in den USA. Wenn eine hohe Nachfrage auf ein begrenztes Angebot trifft, befinden wir uns in einer komfortablen Situation, was die Preisgestaltung angeht.

Sie konnten dadurch die Verkaufspreise drastisch erhöhen. Doch auch die Rohstoffpreise sind rasant gestiegen. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung an der Rohstoffpreisfront ein?

Wir haben die Rohstoffpreissteigerungen mehr als kompensiert. Wir glauben, dass die Rohstoffpreise im dritten Quartal und im zweiten Halbjahr leicht zurückgehen werden. Das sollte für uns eher positiv sein. Zudem gehen wir davon aus, dass sich das Thema Rohstoffverfügbarkeit entspannt. Wir kaufen am Markt nur Commodities und produzieren viele Zwischenprodukte selbst. Von daher waren wir im Vergleich zu Wettbewerbern weniger stark von der Knappheit kritischer Zwischenprodukte betroffen. Insofern gehen wir davon aus, dass sich die Situation weiter entspannt. Wir profitieren davon, dass wir eine stark integrierte Produktionskette haben.

Als CFO stehen Sie in direktem Kontakt mit Investoren. Bei diesen stehen ESG-Themen zunehmend im Vordergrund. Covestro hat bislang keine Strategie formuliert, wie die Treibhausgasemissionen im Zeitablauf reduziert werden sollen. Warum nicht und was halten die Investoren davon?

Wir haben schon lange formuliert, dass wir unsere spezifischen CO2-Emissionen, also die CO2-Emission pro Tonne produziertes Produkt, bis 2025 um 50 % reduzieren wollen. Ende 2020 hatten wir bereits 46 % erreicht.

Wie sieht es mit den absoluten CO2-Emissionen aus?

Hier haben wir bisher kein konkretes Ziel formuliert, weil wir uns nicht mit Zielen für 2040 oder 2050 überbieten wollen, die nur schwer nachzuprüfen sind. Wir möchten klar messbare Ziele formulieren. Dafür braucht es aber ein klares Verständnis über die Maßnahmen, mit denen die Ziele erreicht werden können. Wir arbeiten an zahlreichen Projekten, wie CO2-Emissionen vermieden werden können. Aber man braucht einen guten Blick, bis man daraus konkrete Ziele formulieren kann. Das werden wir aber sicher in naher Zukunft machen.

Wie gehen Ihre Investoren damit um? Kommt von dort kein Druck?

Ich glaube, die Investoren goutieren unsere Vorgehensweise, dass wir nicht voreilig mit Fernzielen um die Ecke kommen und dennoch mit unserer Vision klare Ambitionen zeigen. Wir genießen an dieser Stelle hohes Vertrauen im Markt. Aber natürlich erwarten die Investoren auch, dass wir demnächst ein Ziel benennen – ohne dass es besonderen Druck gibt. Wir sind voll auf Linie mit dem, was die Investoren erwarten.

Das Interview führte

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